»Nein«, sagte ich, »Gott sei Dank!«
»Also, Junggesellensteuer, wird mit jedem Jahr höher. Und noch Verschiedenes. Wollt Ihr nun zahlen oder nicht?«
»Guter Mann«, antwortete ich, »kann ich vielleicht mit Tannenzapfen oder Nüssen bezahlen? Denn Geld habe ich nicht.«
Da trampelte er mit beiden Beinen vor Wut und schrie: »Habt Ihr nicht vor Kurzem eine neue Glocke gekauft? Gekauft und bezahlt?«
Ich konnte es nicht leugnen. »Weil ich sie bezahlt habe, gerade darum habe ich kein Geld mehr.«
Er schrieb etwas in sein Notizbuch und knurrte dann: »Wartet nur, wir wollen Euch schon kriegen. Wir schicken den Gerichtsvollzieher und lassen Euch pfänden.« Damit ging er.
»In Gottes Namen«, seufzte ich, es war mir doch etwas unbehaglich zumute. Gegen Abend begab ich mich zu dem hohlen Weidenbaum, wo Frau Eule wohnt, um mir Rat zu holen. Als ich klopfte, schaute sie etwas verschlafen aus ihrem Loche und hörte meine Klagen an. Die Sache interessierte sie.
»Waldbruder«, gähnte sie, »ich will Euch etwas sagen. Wendet Euch an die Kobolde, die können Euch am besten helfen.«
Ich machte ein dummes Gesicht, denn ich kannte die Kobolde gar nicht. Sie gab mir die Aufklärung und sagte: »Kommt, ich führe Euch gleich zu dem König der Kobolde. Er heißt Fliegenschwamm und wohnt in der Nähe hinter einem alten Baumstumpf.«
Sie flog voraus, ich folgte. König Fliegenschwamm war zu Hause und empfing uns ohne jede Förmlichkeit. Er sah auf den ersten Blick wie ein gewöhnlicher Schwamm aus, aber unter dem roten Hute grinste mir ein breites Gesicht entgegen. Frau Eule brachte mein Anliegen vor und empfahl es dringend.
»Was gebt Ihr mir?«, fragte König Fliegenschwamm und blinzelte verschmitzt. Ich schaute Frau Eule ratlos an.
»Waldbruder«, sagte sie, »stellt jeden Abend ein Schüsselchen mit süßer Milch vor Eure Klausentür.«
Der Kobold schnalzte vor Vergnügen und rief: »Wenn Ihr das tut, dann stehen alle meine Knechte zu Euren Diensten.«
»Gut«, sagte ich, »das verspreche ich gern.«
Frau Eule, die kluge Person, wollte Sicherheit haben und fragte: »Wen werdet Ihr aussenden, König?«
Der Fliegenschwamm reckte sich und flüsterte mit wichtiger Miene: »Kein Gerichtsvollzieher soll die Klause finden. Der Stolperfritz legt sich über den Weg und bringt ihn zu Falle. Der Schlingenpeter wickelt sich um seine Beine. Der Nesselkasper kitzelt ihm die Nase mit Brennnesseln. Der Wasserfranz führt ihn in den Bach. Der Rüttelhans wirft ihm Tannenzapfen auf den Kopf. Der Pickstoffer kneift und sticht ihn in die Waden. Und zuletzt leitet ihn der Wischelwuschel so in die Irre, dass er drei Stunden im Kreise herumläuft und dann wieder am Eingange des Waldes steht. Das wird wohl genügen. Wenn nicht, dann müssen wir dem Kerl ein Bein brechen.«
»Um Gottes willen«, rief ich aus, und Frau Eule meinte auch, das sei gerade nicht nötig.
Wir schieden als gute Freunde. Ich stellte abends gleich ein Schüsselchen Milch vor die Tür. Es war am Morgen rein ausgeleckt. Seitdem habe ich vom Finanzamte nichts mehr gesehen. Gehört habe ich in den ersten Tagen zuweilen ein Schimpfen und Fluchen, aber allmählich ist es ganz still geworden. Das Schüsselchen Milch stelle ich getreulich hin, und die Kobolde besuchen mich jetzt zuweilen als gute Freunde, aber ganz verstohlen in der Dunkelheit. Ich kann bemerken, dass sie ein bisschen fett geworden sind.
Die missglückte Bußpredigt
Wenn man Waldbruder ist, hat man eine gewisse Verantwortung. Man ist eine Art Waldpastor und muss für seine Gemeinde aufkommen. Die Missetaten des alten Reineke Fuchs wollten mir nicht aus dem Sinn, und ich überlegte hin und her, wie ich diesem hartgesottenen Sünder am besten beikommen könnte. Aber die Schwierigkeit bestand darin, ihn zu treffen. Er ging mir offenbar aus dem Wege.
Vergebens hatte ich den Küster Kuckuck mit einer freundlichen Einladung zu ihm geschickt. Ich lud ihn ein zu einem gemütlichen Herrenabend mit Honig, den mag das Leckermaul gern. Meister Grimbart, der Dachs, und Meister Igel waren auch geladen; sie kamen und waren sehr vergnügt.
Aber Reineke schickte sein Söhnchen und ließ sich entschuldigen. Es passe nicht recht zu seiner eingezogenen Lebensweise. Er pflege die Abende im Kreise der Familie zu verbringen, auch leide er gerade an Hexenschuss, und endlich sei er in Trauer, weil ihm ein Großoheim gestorben sei. Der Entschuldigungen waren so viele, dass ich keine glaubte. Meinen Honig war ich quitt, aber Reineke bekam ich nicht in die Finger.
Da machte ich mich auf, um ihn selbst aufzusuchen. Ich ging zu guter Zeit, des Morgens früh, um ihn zu Hause zu treffen. Er war auch zu Hause. Ich sah ihn schon von Weitem vor seinem Bau in der Morgensonne liegen, und Frau Füchsin war daran, ihn zu frisieren. Denn Reineke ist eine Art Stutzer. Ich glaube sogar, dass er Schnurrbartwichse gebraucht.
Als ich anlangte, war der Schlauberger verschwunden. Frau Füchsin bedauerte sehr, dass ihr Mann nicht zu Hause sei; er sei schon mit Sonnenaufgang auf Wallfahrt gegangen, wie er es beim letzten starken Gewitter gelobt habe. Vor Abend könne er kaum heimkommen. »Aber«, sagte ich, »ich meine, ihn soeben hier gesehen zu haben.«
»Dann habt Ihr Euch getäuscht, Waldbruder«, grinste das verlogene Geschöpf, »das war unser Ältester. Er ist eben zur Schule gegangen. Wisset, er nimmt Lateinstunden bei Professor Schwalbenschwanz. Der Junge ist außergewöhnlich talentiert, und wir lassen ihn studieren, so schwer es uns auch fällt.«
»Worauf studiert er denn?«, fragte ich.
Sie fletschte die Zähne: »Mein Mann meint, er solle Advokat werden; aber ich möchte lieber, dass er Pastor würde – oder auch Waldbruder. Die Gottseligkeit geht doch über alles.«
Ich merkte den Spott wohl, aber was sollte ich machen? Unverrichteter Sache musste ich abziehen.
Einen Köder wollte ich doch nicht auswerfen: »Grüßt Euren Mann, Frau Füchsin, und sagt ihm, ich hätte sehr leckeren Honig. Den müsste er einmal probieren.«
Sie reichte mir die Pfote und sagte: »Zu freundlich, Waldbruder! Wenn es recht ist, schicke ich heute Nachmittag die Kleinen herüber.«
Als ich beim Fortgehen noch einmal zurückschaute, sah ich, wie der alte Fuchs den Kopf aus dem Loch steckte. Er fuhr zurück wie der Blitz. Nachmittags kamen richtig die drei gefräßigen Fuchskinder, und von meinem Honig blieb kein Tropfen übrig.
Am Abend kam Jungfer Reh und gab mir einen guten Rat.
»Waldbruder«, sagte sie, »studiert Euch eine tüchtige Bußpredigt ein.«
»Soll ich sie denn vor den Bäumen halten«, fragte ich, »oder etwa vor Euch, gute Jungfer, die Ihr sie gar nicht nötig habt?«
Da entwickelte sie mir einen guten Plan. Es war auf eine Überrumpelung abgesehen. Sie wollte selbst zum Fuchsbau gehen und Reineke festhalten durch ein Gespräch. Ich sollte mich dann von der anderen Seite heranschleichen und ihn überraschen.
»Ihr sollt sehen, dann hält er stand, denn er ist darauf bedacht, den Anstand zu wahren.«
Der Plan gefiel mir. Bis tief in die Nacht hinein habe ich an meiner Bußpredigt gearbeitet und habe sie kräftig gesalzen und gepfeffert mit den stärksten Sprüchen. Die Predigt war so rührend und beweglich, dass ich selbst Tränen vergoss. Ich malte alle Höllenstrafen so grausam aus, dass meine weißen Mäuslein, die zitternd zuhörten, sich zuletzt in ihre Löcher verkrochen und drei Tage lang nicht wieder zum Vorschein kamen.
Am nächsten Morgen glückte unser Plan ganz ausgezeichnet. Jungfer Reh traf den alten Reineke und erzählte ihm von einer neuen Kaninchenfamilie, die sich bei uns angesiedelt habe. Reineke erkundigte sich genau, wo sie wohnte, und war so sehr bei der Sache, dass er mein Herankommen von der anderen Seite her gar nicht bemerkte. Auf einmal stand ich vor ihm.
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