Mit der Unsicherheit im Übersetzungsprozess und ihrem Umgang, durch die das Übersetzen – als fortgesetzter Entscheidungsprozess – naturgemäß geprägt ist, beschäftigt sich Christiane Nord. Die Autorin beschreibt und analysiert hierarchisch von oben nach unten – also vom Allgemeineren zum immer Konkreteren –, auf welche Weise diese verschiedenen Arten der Unsicherheit, die sich dem Übersetzer in seiner Verantwortung gegenüber dem Autor und dem Leser, aber auch gegenüber dem Auftraggeber, stellen, verringert – wenn auch nicht gänzlich vermieden – werden können. Typologisch ergibt sich dieser Weg aus der grundlegenden Wahl des Übersetzungstyps (dokumentarisch oder instrumentell) und sprachlich aus der schrittweisen Lösung von Problemen, ausgehend von der Pragmatik, über Kultur und Sprache bis hin zu einzelnen Wörtern und Morphemen. Die jeweils konkret gegebenen Beispiele lassen diesen Beitrag zu einer instruktiven Lektüre für jeden an der praktischen Seite der Übersetzung Interessierten werden.
Christine Sickbeschreibt in ihrem Beitrag die neueste Entwicklung Ihres Sprachlernprogramms TechnoPlus Englisch von dessen computerbasierter hin zu seiner mobilen Version. Dabei ergeben sich interessante Einblicke hinsichtlich der bei einer solchen Entwicklung zum Tragen kommenden Faktoren, wie z.B. der didaktischen Konzeption, der Zielgruppe oder auch einer entsprechenden Bedarfsanalyse. Durch die Beschreibung der einzelnen Komponenten des Programms und der auf diesem basierenden Wortschatz-Trainer-App erhalten die Leser einen Eindruck von dessen Wirkungsweise, von seinem didaktischen Potential, von seiner technischen Dimension und nicht zuletzt von seinem Nutzen für die Zielgruppe: die Studierenden der Ingenieurwissenschaften der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes.
Mit Bezug auf die literaturwissenschaftliche Seite Albert Raaschs beschäftigt sich Uwe Dethloffmit Jean-Jacques Rousseau und der Veränderung des Verständnisses der Natur in der literarischen Landschaftsdarstellung. Vor dem Hintergrund der neuen Naturkonzeption im 18. Jahrhundert in Frankreich entwickelt der Autor Jean-Jacques Rousseaus Pionierrolle aus dem Discours sur l’origine et les fondements de l’inégalité parmi les hommes und den Rêveries du promeneur solitaire und analysiert die literarische Landschaftsgestaltung im französischen Roman ab etwa der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts anhand von Rousseaus Julie ou la Nouvelle Héloïse und Senancours Oberman sowie Bernardin de Saint-Pierres Roman Paul et Virginie und Chateaubriands Novelle René. Hochinteressant ist zudem die Spiegelung der hier vorgenommenen Analysen des Autors mit seiner Einschätzung des Naturverständnisses im 21. Jahrhundert, durch die dieser eigentlich historische Beitrag eine gleichsam unerwartete Aktualität erhält.
In seinem ebenfalls historisch ausgerichteten, aber an der Gegenwart orientierten Beitrag beschäftigt sich Heinz-Helmut Lügervor dem Hintergrund des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens (GeR) und der Bologna-Reform mit geschichtlichem Kontextwissen und frankreichkundlicher Textarbeit. Anhand seiner Analyse zweier Reden – derjenigen des damaligen Pariser Bürgermeisters Jacques Chirac anlässlich des Amtsantritts des damals neu gewählten Staatspräsidenten François Mitterrand vom 21. Mai 1981 und dessen Antwort – zeigt der Autor anschaulich auf, dass es bei weitem nicht hinreicht, lediglich über Wortschatz- und Grammatikwissen zu verfügen, wie dies im GeR abgebildet wird, sondern dass fundierte Geschichtskenntnisse, kulturelle Kenntnisse, das Wissen um die politischen Hintergründe und die Biographien der beiden im Mittelpunkt stehenden Personen etc. vorhanden sein müssen, um die verschiedenen explizit und implizit ausgedrückten Sachverhalte, die im Text gemachten Anspielungen und die im Gesagten enthaltenen Präsuppositionen dekodieren zu können. Gerade, weil hier bei Muttersprachlern – in diesem Falle also Franzosen, die ihre Geschichte zudem recht gut kennen – und Nicht-Muttersprachlern, die nicht in der gleichen Kultur sozialisiert worden sind, im Allgemeinen erhebliche Unterscheide in der Verständnistiefe bestehen, erachtet der Autor landeskundliches und kulturorientiertes Lernen als unabdingbar für das Textverstehen und die erfolgreiche Kommunizierung von Kontextwissen, wobei ihm sicherlich unproblematisch zugestimmt werden kann.
Allen Beiträgern und Beiträgerinnen sei an dieser Stelle sehr für Ihre Aufsätze gedankt, mit denen Sie Albert Raasch ehren.
Schließlich danken Bärbel Kühn und ich Christine Sick, die ihre Mailinglist aktiviert hat und dank derer es uns möglich wurde, die tabula gratulatoria zu vervollständigen.
Schließlich bitten wir bei all denjenigen Begleitern Albert Raaschs auf seinem Lebensweg, die wir im Zusammenhang mit dieser Festschrift nicht kontaktiert haben, um Verständnis: Sollte dies vorgekommen sein, so ist es in keinem einzigen Fall mit Absicht geschehen. Zudem sei auch all jener Lebensbegleiter Albert Raaschs gedacht, die nicht mehr physisch unter uns sind und die unter anderen Umständen hier ebenfalls vertreten wären. Schließlich geht der Dank auch an diejenigen, die gern zu diesem Band beigetragen hätten, dies jedoch aus gesundheitlichen Gründen leider nicht tun konnten.
In diesem Sinne Dir, lieber Albert, weiterhin frohes Schaffen und vor allem viel Gesundheit, Lebensfreude und das wunderschöne Bewusstsein, dass Du heute ebenso wie früher von uns allen und darüber hinaus von unzähligen weiteren Menschen geschätzt, bewundert und geliebt wirst.
Saarbrücken, im Juli 2020 Thomas Tinnefeld
von Bärbel Kühn
Beginnen möchte ich meine kleine Ergänzung zum Vorwort von Thomas Tinnefeld mit einer Frage, mit der ich nicht allein dastehe unter den Beiträger*innen dieser Festschrift. Und auch Albert Raasch hat sie uns beiden schon gestellt: Seit wann kennen wir uns eigentlich schon?
Zur Beantwortung dieser Frage muss ich lediglich die alten Lehrpläne für die Goethe-Institute in Deutschland aus meinem Regal ziehen: Auf Seite 3 steht Goethe-Institut 1996 , auf Seite 4 steht Prof. Dr. Albert Raasch (Universität Saarbrücken) als Mitglied im Projektbeirat und Dr. Bärbel Kühn als Mitglied in der Projektgruppe . Ich weiß nicht mehr, ob wir erst 1995 mit der Arbeit an diesen Lehrplänen begonnen haben oder schon 1994; aber ich kann mich noch gut daran erinnern, wie mein Kollege in der Projektgruppe, Dr. Hans-Dieter Dräxler, dem Goethe-Institut vorschlug, Prof. Albert Raasch, den er aus der Linguistik kannte, als Berater hinzuzuziehen. Die Lehrpläne wurden, wie Albert Raasch weiß, zu einem wichtigen Vorläufer für den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen .
In meiner Erinnerung sprach Albert schon damals vom Sprachenrat Saar, der 1991 gegründet wurde ; es kann aber auch später gewesen sein, denn wir blieben in Kontakt und als ich 2009 in Bremen vorschlug, einen Sprachenrat zu gründen, kam die Idee natürlich von ihm und natürlich stand er uns beratend zur Seite. Und so ging es weiter mit uns: Ich hatte inzwischen das Goethe-Institut als Arbeitgeber mit den Hochschulen im Land Bremen getauscht, wo wir im Sprachenzentrum gemeinsam mit dem Arbeitskreis der Sprachenzentren alle zwei Jahre ein internationales Symposion veranstalteten. Selbstverständlich war Albert Raasch stets der Ehrengast und nie werde ich seine Formel für die Einleitung seiner Fragen im Plenum vergessen: „Ich möchte ja noch lernen, daher möchte ich fragen…“
Einmal hat er mich auch auf eine wunderschöne Reise mitgenommen: im Oktober 2004 in die Slowakei nach Banská Bystrica. Auf einer Konferenz an der dortigen Matje-Bel-Universität durfte ich einen Vortrag über das e-Portfolio EPOS halten, das wir in Bremen entwickelt hatten. Erst dort erfuhr ich, dass er seit 1994 Träger einer Medaille dieser Universität ist. Das ist Albert Raasch: Aus seiner Ehrung dort entwickelte er eine Förderung für mich. Danke, Albert!
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