Draußen vor dem Gebäude trennten sie sich, weil sie wütend auf ihn war, und weil er, wie sie sagte, kein Engel war, so wie sie, und er sah sie nicht wieder.
Aber dieser schwindelnde Anblick des dunklen Schachts ließ ihn nicht los. Er stieß ihn genauso ab, wie er ihn anzog, und als er eines Nachts, nachdem er eine halbe Stunde unruhig geschlafen hatte, auf dem Steinboden neben einem Subwaypfeiler in der Nähe der Bowery Station aufwachte, erhob er sich wie ein Schlafwandler und tappte durch den dunklen Tunnel zur Straße hoch, um den ganzen Weg über die Brooklyn Bridge zum Hochhaus in Brooklyn zu laufen. Hätte ihn ein Streifenwagen oder irgendein Fußgänger angehalten, hätte er sein Vorhaben wahrscheinlich aufgegeben, aber es hielt ihn keiner auf, auch nicht der Wachmann im Hochhaus, der im Foyer vor dem Siebzehn-Zoll-Fernseher eingeschlafen war, den er selbst mitgebracht hatte und aus dem Stimmen und Klatschsalven einer Nightshow dröhnten. Als Joe Fender oben auf dem Dach im Wind stand, ging er gleich nach vorn zur Kante und ließ sich fallen, wie er sich einmal auf einem Feld in Missouri hatte vom Mähdrescher fallen lassen.
Erst einige Tage später entdeckten ein paar Jungen seinen kaputten Körper neben einem Abfallcontainer. Zwei Polizisten von einer nahen Wache wurden gerufen, sie kamen in schlechter Laune an, weil sie deshalb ihre Mittagspause verschieben mussten; an Ort und Stelle untersuchten sie schnell die Kleidung des Toten und fanden in der Innentasche der Jacke das Foto einer blonden Frau; auf der Rückseite stand ein Name (Sine) mit einer dänischen Adresse, die sich mit Ausnahme einer wichtigen Kleinigkeit, die bei der ersten Untersuchung übersehen wurde, bald als das Einzige herausstellen sollte, was den kalten Körper mit der bekannten Welt verband. Als später einer der Polizisten einige Tage nach Auffinden der anonymen Leiche routinemäßig die Kleidungsstücke nummerieren wollte, die ein Jahr aufbewahrt wurden, und noch einmal die Taschen durchsuchte, stießen seine Fingerspitzen auf einen kleinen weißen Zettel, der sich bei näherer Untersuchung als Quittung für ein PanAm-Flugticket auf den fremd klingenden Namen Jon Bæksgaard erwies. Der Polizist erkundigte sich telefonisch bei der PanAm, die ihm mitteilte, jemand dieses Namens hätte das Ticket gekauft und bezahlt, ohne jedoch eine New Yorker Adresse zu hinterlassen. Da der Polizist jetzt das Foto einer Frau mit einer dänischen Adresse und den mutmaßlichen Namen der Leiche hatte, und da er mit Aufgaben überlastet war und sich im Übrigen nicht sonderlich für den Fall eines toten Mannes interessierte (in seinen Augen sprach hier nichts gegen einen Selbstmord), meldete er den Vorfall der zuständigen Behörde, die routinemäßig eine Kopie des Fotos mit den Erklärungen über Todesursache, Fundort und dem vermutlichen Namen in einem abgestempelten und eingeschriebenen Brief an die Frau und ihre (vermutlich) dänische Adresse schickte.
So kam es, dass Jon Bæksgaard offiziell für tot gehalten wurde, dabei aber quicklebendig in der Sonne durch die engen, lauten Straßen von Mérida lief.
Aber gerade weil die Information über seinen sinnlosen Tod für Sine, die den Brief aus New York endlich Ende Februar in Paris (umadressiert in Århus) erhielt, den Anschein einer großen lähmenden Wahrscheinlichkeit hatte, kam Jon in gewisser Weise dazu, schon zu Lebzeiten zwei Tode zu sterben, ehe er einige Jahre danach wiederauferstehen sollte. Erst starb er in den Augen der Behörden, und zwar ganz offiziell, danach starb er als Möglichkeit in Sines Leben. Denn trotz ihres Abschieds von ihm Ende Dezember 1985 in New York hatte sie ihn damals gegen alle Vernunft nicht aufgegeben und damit gerechnet, ihn früher oder später wiederzusehen.
Aber starb er auch als eine Lebensmöglichkeit, lebte er doch umso stärker als Erinnerung in ihr weiter.
Und als sich der Schock über seinen Tod gelegt hatte und auch die Erinnerung an ihn langsam verblasste, brachte sie ihr Kind zur Welt, das auch seines war.
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