Marie Louise Fischer - Klaudia die Flirtkanone

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Klaudia ist es wichtig, bei den Jungen «anzukommen». In den verschiedenen Illustrierten, die man in die Hände bekommt, gibt es ja auch genug Anschauungsmaterial. Mit Wimperntusche und Lidschatten legt sie los und ist auch nicht auf den Mund gefallen. Die Wirkung ist aber nicht so groß, die völlig überrumpelten Jungen bleiben sprachlos zurück. Und allmählich wird Klaudia auch klar, dass es eigentlich um etwas anderes geht. Sich unter Freunden zu helfen, füreinander da zu sein. Und einen besonderen Anlass hierfür gibt es schon bald, als ihr Schulfreund Jochen zu Hause in so große Schwierigkeiten gerät, dass er sogar nach Amerika ausreißen möchte. Jetzt sind die ganz anderen Qualitäten Klaudias gefragt.-

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Marie Louise Fischer

Klaudia die Flirtkanone

SAGA Egmont

Klaudia die Flirtkanone

Genehmigte eBook Ausgabe für Lindhardt og Ringhof Forlag A/S

Copyright © 2017 by Erbengemeinschaft Fischer-Kernmayr, ( www.marielouisefischer.de)

represented by AVA international GmbH, Germany ( www.ava-international.de)

Originally published 1970 by F. Schneider Verlag, Germany

All rights reserved

ISBN: 9788711719336

1. Ebook-Auflage, 2017

Format: EPUB 3.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt og Ringhof und Autors nicht gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.comund Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk– a part of Egmont www.egmont.com

Große Pläne

Seit sie denken konnte, hatte Klaudia May in der Großstadt gewohnt, immer in derselben belebten Geschäftsstraße, durch die ständig die Autos brummten und die Straßenbahnen ratterten, und immer in demselben grauen Mietshaus.

Hier war ihre vier Jahre jüngere Schwester Sylvie zur Welt gekommen. Aber daran erinnerte sich Klaudia nicht mehr. Sie hatte das Gefühl, als wäre die kleine Schwester immer schon dagewesen.

Dr. Klaus May, der Vater, arbeitete als Assistenzarzt in den Städtischen Krankenanstalten. Seit ein paar Jahren war auch die Mutter wieder halbtags in ihrem erlernten Beruf als Krankenschwester tätig. Trotzdem mußten die dreizehnjährige Klaudia und die neunjährige Sylvie nichts entbehren. Im Haushalt klappte alles, und das Essen stand mittags fertig auf dem Herd. Natürlich mußten die Geschwister ihre Betten machen und ihr gemeinsames Zimmer selbst in Ordnung halten. Sie halfen auch in der Küche und beim Schuheputzen und kauften selbständig ein.

Klaudia und Sylvie waren mit ihrem Leben zufrieden. Sie zankten sich häufig, wie es bei den meisten Geschwistern vorkommt, aber sie hatten sich trotz des Altersunterschiedes von fast vier Jahren, den sie selbst als gewaltig empfanden, doch sehr, sehr gern.

Für die beiden war die altmodische Wohnung in der Karlstraße ihr Zuhause. Mit den hohen Decken, dem abgewetzten Parkett und den Kronleuchtern, die jedesmal beängstigend klirrten, wenn eine Straßenbahn um die Ecke fuhr, kurz, mit allem, was dazugehörte.

Die Grundschule, in die Sylvie ging, lag gleich um die Ecke, und das Realgymnasium für Mädchen, das Klaudia besuchte, war auch nur zwei Straßenbahn-Haltestellen entfernt.

Die beiden hatten auf der Straße, in der Schule, ja, sogar im Haus ihre Freundinnen, wirklich nette Mädchen.

So war es nicht weiter verwunderlich, daß die Geschwister lange Gesichter machten, als ihnen der Vater eines Tages nach dem Abendessen erklärte, sie würden Anfang der Sommerferien alle zusammen in die Kleinstadt Rosenberg ziehen. Die Mädchen waren wenig begeistert.

„Muß denn das sein, Vati!?“ rief Sylvie entsetzt, und ihr kurzgeschnittenes blondes Haar mit dem frechen Wirbel am Hinterkopf schien sich geradezu zu sträuben.

„Also wirklich, ich finde das eine Schnapsidee!“ erklärte Klaudia empört und warf ihre lange, helle Mähne in den Nacken. „Was sollen wir denn in solch einem Nest?“

„Redet nicht in einem so unverschämten Ton!“ tadelte die Mutter. „Ihr seid hier nicht bei euren Freundinnen auf der Straße!“

„Tschuldigung“, murmelte Sylvie, aber es klang nicht sehr überzeugend.

Klaudia sagte gar nichts, sondern zog nur einen Flunsch.

„Rosenberg ist kein Nest, sondern eine Kleinstadt“, erklärte der Vater geduldig, „eine sehr hübsche Stadt sogar. Die Luft ist dort viel besser als hier …”

„Pah! Luft!“ Klaudia rümpfte die Nase.

Sie wollte noch mehr sagen, aber ein warnender Blick der Mutter ließ sie schweigen.

„Es gibt einen schönen Stadtpark dort“, fuhr der Vater fort, „ein Theater, Kinos, Sportplätze, ein Schwimmbad … “

„Das haben wir hier alles auch!“

„Aber in Rosenberg werden wir ein eigenes Haus haben mit einem großen Garten! Ist das nicht wundervoll?“

Ja, das klang schon verlockender, und die Mienen der beiden Mädchen hellten sich auf.

„Jede von euch wird ein eigenes Zimmer bekommen“, erzählte die Mutter.

„Das ist ’ne Wucht! Dann brauche ich wenigstens nicht mehr dauernd hinter Sylvie herzuräumen!“ rief Klaudia.

Sylvie protestierte: „Du hinter mir? Bei dir piepťs wohl!“

„Nun fangt bloß nicht auch noch an, euch zu zanken“, mahnte die Mutter.

Dr. May hatte bessere Nerven; er tat, als hätte er den kleinen Wortwechsel seiner Töchter gar nicht gehört.

„Das wichtigste ist“, sagte er, „daß ich in Rosenberg eine eigene Praxis übernehmen kann. Sie liegt in dem Haus, in dem wir wohnen werden … Kastanienallee zwölf. Ich brauche dann nicht mehr in einem Krankenhaus zu arbeiten und werde auch mehr verdienen.“ Er nahm seine Brille ab und rieb die Gläser mit einem Papiertaschentuch. „Falls alles so gut anläuft, wie wir es uns ausgemalt haben, heißt das.“

„Oh, Vati, du wirst immer zu Hause sein?“ rief Sylvie. „Das wäre ja fabelhaft!“

„Nicht immer“, dämpfte Dr. May die Begeisterung, „vormittags halte ich Sprechstunde, und nachmittags mache ich meine Krankenbesuche, und natürlich kann es auch passieren, daß ich abends oder mitten in der Nacht zu einem Patienten gerufen werde.“ Prüfend hielt er die Gläser seiner Brille gegen das Licht der Hängelampe.

„Und Mutti?“ fragte Klaudia. „Braucht Mutti dann auch nicht mehr ins Krankenhaus?“

„Ich werde bei Vater als Sprechstundenhilfe arbeiten“, erklärte Frau May, „das wird viel angenehmer für uns alle sein, denn dann kann ich doch zwischendurch mal nach den Kochtöpfen schauen.“

„Na, wie ist es? Freut ihr euch nun doch auf Rosenberg?“ fragte der Vater.

Die Schwestern sahen sich an.

„Ist alles schon entschieden?“ fragte Klaudia dann.

„Jawohl. Ich habe den Vertrag mit dem Kollegen, dessen Haus und Praxis ich übernehme, bereits unterschrieben.“

„Wir waren auch schon in Rosenberg und haben uns alles angesehen“, fügte die Mutter hinzu, „es wird euch bestimmt gefallen.“

Klaudia zog die Augenbrauen zusammen und sah ihre Eltern vorwurfsvoll an: „Das finde ich aber nicht nett von euch“, sagte sie, „ganz und gar nicht demokratisch.“

„Ja, ihr hättet uns wirklich mitnehmen können“, stimmte Sylvie der Schwester zu.

„Klaudia! Sylvie!“ tadelte die Mutter.

„Da hört sich doch alles auf“, schalt selbst der geduldige Vater.

Aber Klaudia gab nicht auf. „Ihr hättet uns ruhig vorher um unsere Meinung fragen können“, beharrte sie, „anstatt einfach über unsere Köpfe hinweg zu entscheiden. Schließlich geht das Ganze uns doch genausosehr an. Ich finde euer Vorgehen einfach auto …“ Sie geriet ins Stottern, fing sich aber wieder und erklärte mit Nachdruck: „ … autoritär!“

„Um Himmels willen!“ rief Frau May. „Wer bringt dich denn auf solche Ideen?“

Der Vater versuchte ernst zu bleiben, aber er mußte sich die Nase putzen, um sein Lächeln zu verbergen. „Was verstehst du denn überhaupt darunter?“ fragte er.

„Höchst einfach“, sagte Klaudia von oben herab, „wenn die Alten alles bestimmen und die Jungen gehorchen müssen.“

Jetzt lachte Dr. May laut heraus.

„Daran ist gar nichts komisch“, fauchte Klaudia, „das ist eine ganz altmodische Art von Erziehung, daß ihr es nur wißt. Längst überholt. Gehört in die Mottenkiste.“

„Die Eltern von Gerda halten einen Lesezirkel“, erklärte Sylvie, „da sind sämtliche Illustrierten drin, und in denen steht das.“

„Ich lese Zeitungen, um mich zu bilden“, behauptete Klaudia mit Würde, „das ist doch nicht etwa ein Verbrechen?!“

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