Für meine Eltern – weil ihr mich immer ermutigt habt, meinen Träumen zu folgen .
eISBN 978-3-649-63641-0
© 2020 Coppenrath Verlag GmbH & Co. KG, Hafenweg 30, 48155 Münster
Alle Rechte vorbehalten, auch auszugsweise
Text: Lina Frisch
Covergestaltung: Frauke Schneider
Lektorat: Frauke Reitze
Satz: Sabine Conrad, Bad Nauheim
www.coppenrath.de
Das Buch erscheint unter der ISBN 978-3-649-63344-0.
LINA FRISCH
KANNST DU DEINEM VERSTAND TRAUEN?
SKYE
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Nachwort
Die Autorin
Es ist ein eigenartiges Gefühl, wenn man genau weiß, was gleich passieren wird – und man das Unausweichliche trotzdem nicht verhindern kann. Der Boden fliegt auf mich zu und ich schließe die Augen. Es war nur ein falscher Schritt! Winzige Steinchen zerkratzen meine Handflächen, bevor ich aufschlage und mit pochendem Kopf liegen bleibe. Der Rhythmus von siebzehn Paar Füßen lässt den Rasen des Stadions unter mir vibrieren und ich betrachte die störrischen Grashalme zwischen meinen Fingern.
»Sie ist hingefallen!«, schrillt Fionas Stimme über den Platz.
Mein Körper fühlt sich schwer an, als würde das Gewicht des Universums mich auf die harte Erde des Stadions drücken.
»Skye Anderson, was dauert da so lange?«, höre ich den Coach rufen.
Ich richte mich auf. Die anderen Läufer sind schon bei der nächsten Marke angelangt, ich werde das Feld niemals wieder aufholen. Aber Coach Verse hat recht: Es ist nicht das Fallen, vor dem wir uns fürchten sollten, das hat er uns oft genug eingebläut. Es ist das Liegenbleiben.
Meine Füße beginnen, sich in gewohnter Gleichmäßigkeit vom Boden abzustoßen. Ich bin nicht dazu gemacht, einfach aufzugeben, auch wenn ich heute keine Chance mehr habe, meinen Rekord zu halten. Die Gruppe der Läufer ist mittlerweile am Ende des Stadions angelangt. Kurz hintereinander ertönen siebzehn durchdringende Signale, als Jasmine und die anderen wenden, um nun auf das Ziel in meinem Rücken zuzulaufen. Ich hebe den Blick und sehe sie dicht an dicht auf mich zusprinten. Ihre Gesichter sind gerötet. Es sieht komisch aus, wie manche vor Anstrengung ihre Augenbrauen zusammenziehen. Niemand macht Anstalten, eine Lücke für mich zu lassen, aber das habe ich auch nicht erwartet. Trotzdem weigern sich meine Beine, langsamer zu werden. Wenn ich jetzt ausweiche, lande ich am Ende der Liste! Das kann ich nicht zulassen. Die anderen kommen immer näher, eine Mauer aus Menschen, und so langsam spüre ich Panik in mir aufsteigen.
»Du musst einfach einen kühlen Kopf bewahren.« Ich lächle, als ich an Elias’ Universallösung für jede Situation denke, so aussichtslos sie auch scheinen mag. Es wäre ein Fehler, jetzt zur Tribüne hinüberzusehen, aber ich weiß auch so, dass er am Rand der vierten Bank sitzt: beinahe direkt hinter der Bande, doch nicht zu nah, um wirklich interessiert zu wirken; seine kurzen Haare wie immer noch feucht vom Wasser der Schwimmhalle, dunkel glänzend wie in den Sommern, in denen wir uns mit Seilen vom Felsen aus ins Wasser des verbotenen Sees geschwungen haben. Lianensee .
Mit einem Mal weiß ich, was zu tun ist. Vielleicht bin ich verrückt geworden, aber alles ist besser, als einfach stehen zu bleiben. Entschlossen taxiere ich den Abstand zwischen mir und den Läufern, dann treffe ich meine Wahl. Es ist nicht verrückt , korrigiere ich mich. Was ich vorhabe, ist rational .
Ich brauche zwei Seitwärtsschritte, um mich zwischen den beiden stärksten Sprintern zu positionieren. Alle anderen wären nicht kräftig genug, so viel ist sicher. Jasmines Augen verengen sich zu Schlitzen. Colin hingegen scheint das Hindernis auf seinem Weg nicht einmal zu bemerken. Sein Blick ist auf die Anzeigetafel fixiert. Wahrscheinlich versucht er in den letzten Sekunden noch, seinen Rekord zu brechen. Rationale streben nach mehr, wollen sich ständig verbessern. Colin weiß das, und genau wie ich tut er schon jetzt alles, um zu beweisen, zu welchem Trait er gehört.
Als nur noch wenige Meter zwischen mir und den anderen liegen, beschleunige ich mein Tempo. Ich strecke die Arme aus, stütze mich nur für einen winzigen Moment auf Jasmines knochiger und Colins muskulöser Schulter ab, bevor ich meine Beine durch die Lücke zwischen ihren Oberkörpern schwinge. Ohne zurückzublicken, lasse ich meine rechte Hand eine Minute und drei Sekunden später gegen die Marke knallen, wende und sprinte als Letzte auf das Ziel zu. Ich zwinge mich, die Blicke der anderen auszublenden, die hinter der Anzeigetafel nach ihren Wasserflaschen greifen und jeden meiner Schritte verfolgen. Manche von ihnen werden hoffen, dass ich ein zweites Mal falle.
»Es war die einzige Möglichkeit«, keuche ich noch in der Sekunde, in der ich die Lichtschranke passiere und mein Name grün auf der Anzeige über unseren Köpfen aufleuchtet. Mit tiefen Zügen hole ich Luft, um das stechende Gefühl aus meiner Lunge zu vertreiben.
Colin wirft mir einen seiner üblichen herablassenden Blicke zu. »Sieh mal einer an, sie hat ein schlechtes Gewissen!« Er grinst. »Nur Anfänger entschuldigen sich für Leistung. Oh warte, das stimmt nicht – Anfänger und Emotionale.«
Ich krame genervt nach meiner Wasserflasche und schlucke meinen Ärger hinunter, während Elias’ bester Freund sich neben den anderen Jungen auf den Boden fallen lässt. Ich bin keine Emotionale!
»Vielleicht fühlt sie sich ja auch mit gutem Grund schuldig.« Die Lautstärke seiner Stimme verrät, dass der Kommentar nicht für die anderen Jungen gedacht ist. Ich beiße die Zähne zusammen in der festen Absicht, mich nicht provozieren zu lassen. »Immerhin hätte niemand von uns ihre Lösung nutzen können.« Colins Blick wandert von einem seiner Freunde zum nächsten. Jeder einzelne von ihnen wiegt mindestens doppelt so viel wie ich. »Und das, wo unserer Miss Frauenpower doch Gleichberechtigung so wichtig ist.« Colins Freunde lachen, als er bei den letzten Worten meine Stimme imitiert. Idioten.
Auf der Anzeigetafel erscheint die heutige Rangliste und die Gespräche um mich herum verstummen. Nur Jasmine redet weiter auf den Coach ein, doch auch der schaut zur Tafel. Ich folge seinem Blick und traue meinen Augen kaum, als ich meinen eigenen Namen an seinem angestammten Platz an der Spitze der Mädchen stehen sehe. Wie kann das sein?
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