90. Über die eigentliche Schwächung durch Debauchen. Durch viele indirekte Asthenie entsteht endlich direkt asthenische Disposition. Dies begünstigt Browns Meinung von der quantitativen Erregbarkeit.
91. Schlaf, Nahrung, Anzug und Reinigung, mündliche, schriftliche und handgreifliche Geschäfte (für mich, für den Staat, für meine Privatzirkel, für Menschen, für Welt.) Gesellschaft, Bewegung, Amüsement, Kunsttätigkeit.
92. Mechanischer Gottesdienst. Die katholische Religion ist weit sichtbarer, verwebter und familiärer, als die protestantische. Außer den Kirchtürmen und der geistlichen Kleidung, die doch schon sehr temporisiert, sieht man nichts davon.
93. Alle Zerstreuung schwächt. Durch fremde Gegenstände, die mich reizen, ohne mich zu befriedigen – oberflächlich – werde ich zerstreut. Mir ist deshalb die Zerstreuung zuwider, weil sie mich entkräftet. Nützlich ist sie bei sthenischen Zufällen. Gegen Ernst und Leidenschaft ist sie mit Nutzen zu gebrauchen. (Die Menschen werden künftig in medizinischer Hinsicht mehr zusammenhalten müssen.)
94. Medizin und Kur um ihrer selbst willen. Schöne Medizin und schöne Kur. Beide sollen nichts bewirken. Man braucht, um zu brauchen. Man nimmt die Medizin um ihrentwillen.
95. Vorrede und Kritik der Fragmente in Fragmenten.
96. Gemüt – Harmonie aller Geisteskräfte – Gleiche Stimmung und harmonisches Spiel der ganzen Seele. Ironie == Art und Weise des Gemüts.
97. Frauen – Kinder – Esprit des Bagatelles. Art der Konversation mit ihnen. Die Muster der gewöhnlichen Weiblichkeit empfinden die Grenzen der jedesmaligen Existenz sehr genau und hüten sich gewissenhaft dieselben zu überschreiten; daher ihre gerühmte Gewöhnlichkeit – praktische Weltleute.
Sie mögen selbst übertriebne Feinheiten, Delikatessen, Wahrheiten, Tugenden, Neigungen nicht leiden. Sie lieben Abwechselung des Gemeinen, Neuheit des Gewöhnlichen; keine neuen Ideen, aber neue Kleider, Einförmigkeit im Ganzen, oberflächliche Reize. Sie lieben den Tanz, vorzüglich wegen seiner Leichtigkeit, Eitelkeit und Sinnlichkeit. Zu guter Witz ist ihnen fatal – so wie alles Schöne, Große und Edle. Mittelmäßige und selbst schlechte Lektüre, Akteurs, Stücke etc., das ist ihre Sache.
98. Über den Hanswurst und komische Rollen überhaupt.
99. Ordinäre Menschen ohne es zu wissen und zu wollen. Ordinäre Menschen aus Absicht und mit Wahl. Glücklicher Instinkt der Gemeinheit. Geborne ordinäre Menschen. – (Synthese des ordinären und extraordinären Menschen.)
100. Geborne Menschenbeherrscher.
101. Absolute Hypochondrie. Hypochondrie muß eine Kunst werden, oder Erziehung werden.
102. Unterschied zwischen Sitten und Gebräuchen (Langeweile und Mangel an Reizen des Seelebens drückt sich in den Reisebeschreibungen aus.) (Industrie, bestes Surrogat der Religion und Gegenmittel gegen alle Leidenschaften. Industrie der Not, Krankheit und Trägheit, Industrie des Überflusses, der Kraft und Gesundheit, oder Kunstindustrie.) Mancher wird erst dann witzig, wenn er sich dick gegessen hat, wenn er müde ist oder recht faul oder gedankenlos behaglich, wenn der üppige Wuchs und Andrang seiner Ideen gehemmt ist und er überhaupt körperlich gesättigt ist, wenn er so in Not ist, daß er über die Not ist, wenn er nichts mehr zu verlieren hat etc.
103. Bloße Gedanken, ohne eine gewisse Aufmerksamkeit auf dieselben, und Zueignung, wirken so wenig, wie bloße Gegenstände. Dadurch daß man häufig an reizende Gegenstände eines Sinnes wirksam denkt, wird dieser Sinn geschärft, er wird reizbarer. So wenn man häufig an lüsterne Dinge denkt, werden die Gst. (Geschlechtsteile?) empfänglicher, der Magen durch Gedanken an schmackhafte Speisen, der Kopf auf dieselbe Art, und so durchaus. – Methode eine schwächliche Konstitution zu verbessern. (Übung, allmähliche).
104. Die sogenannten falschen Tendenzen sind die besten Mittel vielseitige Bildung zu bekommen.
105. Liebe ohne Eifersucht ist nicht persönliche Liebe, sondern indirekte Liebe – man kann Vernunftliebe sagen; denn man liebt hier nicht, als Person, sondern als Glied der Menschheit. Man liebt die Rivale mehr, wie den Gegenstand.
Inhaltsverzeichnis
Mit Recht können manche Weiber sagen, daß sie ihren Gatten in die Arme sinken . – Wohl denen, die ihren Geliebten in die Arme steigen .
In der moralischen Welt wird das Pudern mit Erdenstaub für ein notwendiges Stück des anständigen, sittlichen Anzugs gehalten. Nur der gemeine Mann und die Jugend dürfen die natürliche schöne, lichte und dunkle Farbe ihrer Haare zeigen. Wenn man auch den Kopf allenfalls damit puderte, so sollte man doch wenigstens von der Brust diesen Schmutz mit einer weißen Hülle abhalten.
Der vornehmere Stand kann durchgehends als das veredelte Bild des gemeinen Standes angesehen werden. Die genaue, wörtliche Vergleichung des Originals und der Bearbeitung ist sehr interessant und bietet Stoff zu artigen Bemerkungen. Neulich z.B. wie ich die Lucinde des Herrn Schlegels las, entdeckte ich einen unterhaltenden Zug: der Bauer bearbeitet den Mist mit der Mistgabel – der Gelehrte mit der Feder; die zwei Zinken der Gabel zeigen sich noch im gespaltenen Schnabel der Feder zierlich versteckt, und leiten den Etymologen der Feder.
Es gibt drei Hauptmenschenmassen: Wilde, zivilisierte Barbaren, Europäer. Der Europäer ist so hoch über den Deutschen, als dieser über den Sachsen, der Sachse über den Leipziger. Über ihn ist der Weltbürger. Alles Nationale, Temporelle, Lokale, Individuelle läßt sich universalisieren und so kanonisieren und allgemein machen. Christus ist ein so veredelter Landsmann. Dieses individuelle Kolorit des Universellen ist sein romantisierendes Element. So ist jeder National und selbst der persönliche Gott ein romantisiertes Universum. Die Persönlichkeit ist das romantische Element des Ichs.
Grundverschiedenheit des alten und neuen Testaments. Warum Palästina und die Juden zur Gründung der christlichen Religion erwählt wurden. Wie die Juden zu Grunde darüber gingen, so die Franzosen bei der jetzigen Revolution. (Medizinische Ansicht der französischen Revolution. Wie mußten sie kuriert werden – Ihr Heilungsplan – Wie werden wir indirekt durch sie kuriert?)
Asthenie der Chinesen – Einmischung der Tataren. Medizinische Behandlung der Geschichte der Menschheit.
Es fehlt uns nicht an Gelegenheit Menschen außer der Welt, und zwar vor und nach der Welt zu betrachten, – zu Menschen und nicht zu Menschen bestimmte Stamina. Jenes Kinder; dieses Alte.
Sollte nicht für die Superiorität der Frauen der Umstand sprechen, daß die Extreme ihrer Bildung viel frappanter sind als die Unsrigen? Der verworfenste Kerl ist vom trefflichsten Mann nicht so verschieden, als das elende Weibsstück von einer edlen Frau. Nicht auch der, daß man sehr viel Gutes über die Männer, aber noch nichts Gutes über die Weiber gesagt findet? Haben sie nicht die Ähnlichkeit mit dem Unendlichen, daß sie sich nicht quadrieren, sondern nur durch Annäherung finden lassen? Und mit dem Höchsten, daß sie uns absolut nah sind und doch immer gesucht, daß sie absolut verständlich sind und doch nicht verstanden, daß sie absolut unentbehrlich, und doch meistens entbehrt werden. Und mit höheren Wesen, daß sie so kindlich, so gewöhnlich, so müßig und so spielend erscheinen? –
Auch ihre größere Hilflosigkeit erhebt sie über uns, so wie ihre größere Selbstbehilflichkeit, ihr größeres Sklaven- und ihr größeres Despotentalent; und so sind sie durchaus über uns und unter uns und dabei doch zusammenhängender und unteilbarer, als wir.
Würden wir sie auch lieben, wenn dies nicht so wäre? Mit den Frauen ist die Liebe, und mit der Liebe die Frauen entstanden, und darum versteht man keins ohne das Andre. Wer die Frauen ohne Liebe, und die Liebe ohne Frauen finden will, dem gehts, wie den Philosophen, die den Trieb ohne das Objekt, und das Objekt ohne den Trieb betrachteten und nicht beide im Begriff der Aktion zugleich sahen.
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