Die Akteure der Geschichte Im Hintergrund der Diskussion zwischen Elija und Ahab in Vv. 17–18, wer Israel Kummer bereitet , steht die Dürre, die dann aber – ebenso wie Ahab und Obadja – aus der Erzählung um den Wettstreit verschwindet. Ahab spielt in den Versen 17–20 nur übergangsweise eine Rolle, als er den Wettstreit mit vorbereitet. Die Spannung zwischen der gegenseitigen Abneigung zwischen Elija und Ahab in Vv. 17–18 und ihrer Kooperation in Vv. 19–20 gehört ebenfalls zur Überleitung. 102Ahabs Beschimpfungen und Elijas Konter (V. 18) spiegeln die Abneigung PEs gegenüber Ahab und seinem Haus. Dessen Abfall ( Jhwh verlassen ) ist das wichtigste Vergehen und der Grund für den Wettstreit, durch den der wahre Gott ermittelt werden soll. Durch das Zusammenrufen von ganz Israel wird die Geschichte um den Wettstreit zu einer öffentlichen Zurschaustellung. Höchstwahrscheinlich ist dies übertreibend zu verstehen, auch wenn es möglich wäre, dass an irgendeine Art von Volksvertretung gedacht ist. Ebenso werden die Propheten Baals herbeordert. Sie gehören zu Isebel. Wie in früheren PE-Texten ist sie diejenige, die Schuld hat am Abfall Israels. Die Irritation in V. 20 – Ahab lässt seine Boten ins ganze Land Israel aussenden, nur um die Propheten zu versammeln – wird textkritisch aufgelöst (siehe die Anmerkung). Die Existenz solcher Propheten wird durch die Zakkur-Inschrift belegt, in der von Sehern ( ḥzyn ) und Wahrsagern ( ‛ddn ) des Baal-Schamem (COS 2,35; KAI 2,202) die Rede ist. Allerdings sind es normalerweile Priester, die kultische Handlungen ausführen, und nicht Propheten, und in 2 Kön 10,19; 11,18 ist von den Priestern Baals die Rede, woraus sich schließen lässt, dass sie unterschiedliche Aufgaben hatten. In 1 Könige 18 werden die aus 2 Könige 10 entlehnten Priester und Propheten von PE zu einer einzigen Gruppe zusammengefasst, damit Elijas Konkurrenten sich auf der gleichen Stufe befinden wie er und damit gezeigt werden kann, dass die Reaktion Gottes nicht an den Beruf der Bittsteller geknüpft ist.
Der Baal der Erzählung Wer genau der Baal ist, der hier erwähnt wird, ist Gegenstand eingehender Diskussionen gewesen. Zu den Vorschlägen zählen Lokalgottheiten wie der Baal vom Karmel, 103Baal-Schamem, 104der aramäische Baal-Hadad oder Hadad Rimmon 105oder aber Melqart von Tyrus. 106Die Frage ist in gewisser Weise obsolet, weil der Titel „Baal“, also „Herr, Gebieter“, und der Name Baal jede dieser Gottheiten bezeichnen kann und der Verfasser sie vermutlich in einen Topf geworfen hat, weil sie ausländisch und Gegner Jhwhs sind (vergleiche die „Baale“ in der Hinzufügung in V. 18bβ). Auch könnte es während des Überarbeitungsprozesses der ursprünglichen Tradition Veränderungen bezüglich der Identität Baals gegeben haben. 107Welchem Land Baal zuzuordnen ist, wird in der Erzählung nicht gesagt, doch es wird angedeutet, dass er phönizisch war, vor allem in Anbetracht von 16,31–33. Zumindest bis zum ersten Jahrtausend waren Baal und Hadad unterschiedliche phönizische/kanaanäische beziehungsweise aramäische Gottheiten, 108weshalb hier nicht an Hadad gedacht sein kann. Auch die Ineinssetzung mit Melqart ist unwahrscheinlich, wenn man bedenkt, dass (1) Baal bis ins zweite Jahrhundert v. Chr. kein Epitheton Melqarts war, (2) die Wettergott-Attribute Baals nicht zu Melqart passen, und (3) Melqart später eher mit Herakles als mit Zeus gleichgesetzt wurde. 109Der Baal von 1 Könige 18 ist deshalb höchstwahrscheinlich der Wettergott der ugaritischen und phönizischen mythologischen Texte, 110wenn er auch in gewisser Weise für alle ausländischen Gottheiten steht, die der Verfasser für machtlos hält oder deren Existenz er gar bestreitet.
18,21–24: Der Anfang der ursprünglichen Geschichte um den Wettstreit Ursprünglich war die Geschichte um den Wettstreit unabhängig; in ihr ging es um ein Kräftemessen zwischen Elija und dem Volk darüber, welcher Gott – Jhwh oder Baal – der wahre sei. 111Die Geschichte beginnt damit, dass Elija das Problem der Unschlüssigkeit des Volkes mit einem Aphorismus aufwirft (V. 21). Unter „nachlaufen“ ist hier die kultische Verehrung zu verstehen. Es findet sich häufig – aber nicht nur – in deuteronomistischen Texten und stammt ursprünglich aus vorexilischer Zeit. 112Zwar ist die genaue Bedeutung unklar, doch der Sinn ist deutlich: Das Volk ist zwischen Jhwh und Baal hin- und hergerissen, doch es ist an der Zeit, sich zwischen ihnen zu entscheiden. In der zugrunde liegenden Geschichte waren manche Menschen glühende Anhänger Baals, während andere zuschauten und sich vielleicht eher zu Jhwh hielten, darin aber bestärkt werden mussten. In der älteren Geschichte kamen weder Ahab noch die Dürre vor, noch fand sie auf dem Karmel statt, 113und die Propheten Baals kamen darin auch nicht vor. Elija hat zum Volk gesprochen (V. 22aα). Seine Behauptung im restlichen V. 22, der einzige Prophet Jhwhs zu sein, ist eine Hinzufügung von PE, die mit Vv. 3b–4.12b–14 übereinstimmt, wonach die anderen Propheten Jhwhs entweder tot sind oder sich versteckt halten. In Vers 23aβb wird das von PE überarbeitete Szenario vorausgesetzt, in dem sich Elija und die Propheten Baals gegenüberstehen und dem Volk die Rolle des Publikums zukommt. 114Die Anrufung des Namens einer Gottheit (V. 24) besitzt eine zweifache Bedeutung: Sie ist sowohl eine kultische Handlung als auch ein Ausdruck religiöser Zugehörigkeit. 115Bei dieser Zurschaustellung haben die Opfer für sich genommen keine Bedeutung; sie dienen lediglich dazu, die Reaktion der Gottheit (wie z. B. Feuer) anzuzeigen, die den Beweis liefert, dass es sich um einen wahren Gott (האלהים) handelt. 116
18,25–26: Baals Machtlosigkeit In Vers 25 ist davon die Rede, dass die Propheten Baals ihr Opfer als erste vorbereiten. Dieser Vers stammt von PE, doch das Scheitern der Baals-Anhänger in Vv. 26–29abα* geht auf die ältere Geschichte zurück. Die Darstellung der um den Altar herumhüpfenden 117Baals-Propheten (V. 26b) stellt eine Hinzufügung des MT dar (siehe die Anmerkung). Am wichtigsten ist in V. 26 die Aussage, dass da keine Stimme war und niemand antwortete (ואין קול ואין ענה), was an die Passage im bereits genannten Aqhat-Epos erinnert: bl ṭbn.ql.b‛l , „keine angenehme Stimme Baals“. 118Das Verschwinden Baals in die Unterwelt und dessen verheerende Folgen für die Natur und die Menschen werden im ugaritischen Baal-Zyklus geschildert. Die ältere Geschichte könnte auf diese Tradition angespielt haben und sie dem Glauben an Jhwhs Beständigkeit und Zugänglichkeit gegenübergestellt haben. In der von PE bearbeiteten Version wird Ball allerdings als machtlos und sogar nicht existierend vorgestellt; dies ähnelt der Sichtweise Deuterojesajas (40,19–20; 41,6–7; 44,9–20; 46,5–8) auf die Götzen. 119
18,27: Die Verspottung durch Elija Im Gegensatz zu MT (V. 27) wartet Elija nicht bis zum Nachmittag, um seine Gegner zu verspotten, sondern beginnt damit, sobald ihr Schreien keine Reaktion hervorzurufen vermag. Die Verspottung durch Elija gehörte zur ursprünglichen Geschichte. Bei der hier vorgeschlagenen Deutung der Worte Elijas gehe ich davon aus, dass (1) התל, ein Hapaxlegomenon, die Konnotation von Täuschung und auch Spott trägt, und zwar weil Elija Szenarien vorschlägt, die auf den Mythen kanaanäischer Götter beruhen und Baals fehlende Aufmerksamkeit und Antwort erklären könnten, und dass (2) textkritisch nur zwei Handlungen Baals feststehen, während es im MT vier sind. Diese vier sind שיח:, was meist als Nachsinnen verstanden wird, שיג, was häufig für Rückzug oder Verhinderung steht, דרך, eine Reise, sowie ישׁן, Schlaf. Die Erwähnung einer Reise, die sich nur im MT findet, ist sekundär. שיח ist eine Glosse zu שיג (siehe die Anmerkung), das sich nicht auf Rückzug oder Verhinderung bezieht, sondern auf die Körperfunktionen von Stuhlgang bzw. Wasserlassen. Derlei Aktivitäten werden auch den Göttern Ugarits zugeschrieben, 120und in der HB wird von Jhwhs Schlafen berichtet (Jes 51,9; Ps 44,24; 59,5; 78,65). Dass der Schlaf eine Metapher für den Tod sein kann (Dan 12,2), stellt eine weitere Bedeutungsnuance von Elijas Vorschlag dar. Elijas Doppelzüngigkeit wurzelt in der Verbindung mythischer und höchst menschlicher Tätigkeiten; in spöttischer Weise schlägt er vor, was die Baals-Priester für tatsächliche Aktivität der Götter halten könnten.
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