1 ...6 7 8 10 11 12 ...18 »Möglicherweise hält sie das am Leben und macht sie von Nutzen für uns. Sterncaptain Trent hat sie als Isorla beansprucht«, meinte die tiefe Stimme. »Aber wir beschreiten nicht den Weg, den die Wölfe gewählt haben. Sie wird nie das Risiko eines durch die Ränge aufsteigenden Phelan Kell für uns darstellen, nicht, wenn wir sie als Tech klassifizieren. Und genau das wäre mein Vorschlag.«
»Sie hat Sterncaptain Trents Leben gerettet, frapos?« Die tiefe Stimme antwortete nicht sofort. »Pos. Seine Hilfseinheit wurde überrannt, und die Techs sind verloren. Wenn er will, kann sie als seine Tech fungieren.«
Judith hörte, wie Finger schnell und methodisch über eine Tastatur klapperten. Ein paar Sekunden, nachdem das Tippen aufgehört hatte, legte sich eine Hand auf ihre Stirn. »Ich weiß, dass du mich hören kannst, Judith. Deine Kraft wird möglicherweise zurückkehren, aber im Augenblick musst du dich damit zufriedengeben zuzuhören, frapos? Du hast als Kriegerin gekämpft, aber diese Zeiten sind für dich vorbei. Du gehörst jetzt dem Nebelparder und hast eine neue Rolle zu erfüllen. Die Gnade der Kerenskys sei mit dir ...«
Bevor sie das Bewusstsein verlor, lächelte Judith in dem Bewusstsein, dass ihre Peiniger nie herausfinden würden, weshalb.
Es beginnt ...
3
Stützpunkthospital, Planetares Kommando der Nebelparder, Warrenton, Hyner
Nebelparder-Besatzungszone
3. Juli 3052
Trent saß aufrecht in seinem Bett und schob die Finger der rechten Hand in das an einen Handschuh erinnernde Gerät. Mit der Linken zog er die Riemen fest. Er aktivierte den Apparat und eine Reihe von Kontrollen und Digitalanzeigen an den Fingern und am Handgelenk erwachten mit sich ständig verändernden Zahlenwerten zum Leben. Er vergewisserte sich, dass das Gerät an das Computerinterface in der Seitenstütze des Bettes angeschlossen war, dann schloss und öffnete er die Faust. Jede Bewegung schickte Myriaden von Signalen an den Rechner, der die Kontrolle über Hand und Gelenke überprüfte.
Das Ganze war Teil der Therapie, die er seit der Ankunft auf Hyner eine Woche zuvor über sich ergehen lassen musste. Die Schäden an seinem Arm waren weit größer, als Trent sich zunächst klargemacht hatte. Der größte Teil des natürlichen Muskelgewebes war vernichtet und durch dünnere Myomerfaserbündel ersetzt worden. Der Arm wirkte dadurch verkümmert und zerbrechlich, aber die Hülle aus künstlicher Haut, in der er steckte, machte ihn in Wahrheit sehr viel stärker als zuvor.
Das Problem bestand in der Gewöhnung daran. Die konstante Therapie gestattete den MedTechs, die Spannung seiner neuen Muskelfasern zu kalibrieren. Früher oder später würde er so die nötige Kontrolle zurückerlangen, um den Arm im Mechcockpit einsetzen zu können. Seine Finger waren zwar verbrannt, aber inzwischen weit genug verheilt, um ihm ein gewisses Gefühl zurückzugeben. Das war es auch, was er am Arm vermisste: das Gefühl. Der Arm blieb taub, nur seine Hand konnte er fühlen. Es dauerte eine Weile, sich daran zu gewöhnen, aber er machte Fortschritte.
Mit seinem Auge war das eine andere Sache. Das genetisch herangezüchtete Ersatzorgan funktionierte bestens, aber der Verlust der Muskeln in der Augenhöhle hatte gewisse technische Hilfen notwendig gemacht. Die Ärzte hatten einen Satz kleiner, schwacher Myomermuskeln und einen mikroelektronisch gesteuerten Kontrollmechanismus implantiert, der den künstlichen Muskeln gestattete, das nachgewachsene Auge zu bewegen und zu fokussieren. Das Ergebnis war ein funktionierendes, natürlich dunkelbraunes Auge mit künstlichen Kontrollschaltkreisen, die es wie ein silbernes Monokel einrahmten. In den letzten Tagen waren die Kopfschmerzen, die Implantat und Ersatzorgan verursachten, schon fast erträglich geworden.
Trents körperliche Stärke war immer noch minimal, obwohl er mit Gewichten arbeitete, um sie wiederaufzubauen. Die über mehrere Medopflaster injizierten Arzneimittel hielten seinen Organismus in Gang, aber er blieb weiter spürbar geschwächt. Mit jedem Tag blieb er länger wach und brauchte weniger Schlaf, aber trotzdem bestand sein körperliches Training immer noch hauptsächlich aus dem Weg zum Badezimmer. Den MedTechs zufolge würde es noch Wochen dauern, bis er fit genug war, um in den aktiven Dienst zurückzukehren.
Wenn er nicht daran arbeitete, sich für die Rückkehr in die Ränge der Kriegerkaste fit zu machen, studierte Trent die Dateien in einem an das Bett montierten Computerterminal. Er suchte nach Informationen über die gefallenen Blutnamensträger des Clans, um festzustellen, welche Blutrechte verfügbar waren. Es war enttäuschend, dass die Dateien zu wenig Informationen über die Folgen Tukayyids enthielten, um ihm ein sicheres Bild der Lage zu liefern.
Zumindest hatte er seine Befehle. Er war zu den 3. Parder-Kavalieren in Galaxis Delta versetzt worden, den ›Sturmreitern‹. Da diese Einheit im Gefolge der generellen Umorganisation der Nebelparder nach den schweren Verlusten auf Tukayyid jedoch neu aufgebaut wurde, war es nur schwer möglich, Näheres über sie herauszufinden.
Als das Licht der aufgehenden Spätwintersonne auf die Wände des Krankenzimmers traf, sah Trent einen Mann in einer makellos gestärkten grauen Uniform eintreten. Er erkannte Sterncolonel Benjamin Howell sofort. Howell kam an die Seite des Betts und sah zu Trent herab. Seine Miene wirkte matter und mitgenommener, als der sie in Erinnerung hatte.
»Sterncolonel«, sagte er und schwang die Beine aus dem Bett, als wollte er Haltung annehmen. Ein Winken Howells ließ ihn zurücksinken.
»Zwischen uns ist eine solche Formalität überflüssig, Trent.« Howell setzte sich neben das Bett. »Ich habe gesehen, dass du auch hierher versetzt worden bist, und dachte mir, ein Besuch wäre angebracht.«
»Ich fühle mich von deinem Besuch geehrt, Sterncolonel«, stellte Trent fest. »Aber ich fürchte, mein Gepäck, einschließlich meines Schachsets, ist noch irgendwo unterwegs.« Trent kannte Benjamin Howell seit drei Jahren, und die beiden waren Freunde geworden. Ihre Schachpartien waren unter den Kriegern des Sternhaufens Legende. Was noch wichtiger war: Benjamin Howell hatte sich bereit erklärt, Trent für etwaige Blutrechtstests vorzuschlagen.
Die Erwähnung des Schachsets zauberte ein kurzes Lächeln auf das Gesicht des Sterncolonels. Aber er wurde schnell wieder ernst. »Heutzutage habe ich keine Zeit für solche Freizeitvergnügen, Trent. In den Reihen der Nebelparder geht einiges vor. Wie sieht es bei dir aus?«
Fast automatisch griff Trent sich an den Kopf und berührte das vernarbte Gesicht und den Fleischklumpen, der einmal ein Ohr gewesen war. »Mir ging es schon besser. Aber ich werde bald kampfbereit sein. Mein Arm ist stärker als je zuvor, und meine Narben sehen weit schlimmer aus, als sie sich anfühlen. Man hat mir eine Maske angeboten, aber ich habe abgelehnt.«
Howell schüttelte den Kopf. Dann sprach er sehr viel leiser weiter. »Um die Wahrheit zu sagen, ich weiß nicht, was schlimmer wäre: Nach Tukayyid geflogen und dort gefallen zu sein oder jetzt den Waffenstillstand einhalten zu müssen.«
»Werden wir ihn einhalten?«
»Pos. Aber wie jede Vereinbarung besitzt auch er Schlupflöcher. Stellen, an denen wir die Bedingungen dehnen können. Unsere Führer werden genau das tun. So war es schon immer es ist das Wesen des Nebelparders.«
»Vielleicht werden wir zwei doch noch Seite an Seite für den Clan kämpfen«, meinte Trent. »Wir werden noch auf dem Boden Terras stehen, frapos?«
Benjamin Howell schien von den Worten nicht ermutigt. Im Gegenteil, seine Schultern sackten leicht ab. »Neg. Die Clans führen zwei Arten von Krieg. Einer davon ist der eigentliche Kampf die Schlacht auf dem Feld. Die andere ist der Krieg der Worte, der Politik. Wir sind in beiden Versionen skrupellos. Aber während ich mich nach dem Kampf im Feld sehne, bin ich in den politischen Schlachten innerhalb unseres Clans der Verlierer.«
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