Seine Augen sprühen Funken der Wut und er ballt die Hände fester zusammen. An seinem Hals kann ich seinen rasenden Puls erkennen. Er schlägt bestimmt genauso schnell wie meiner. Plötzlich lächelt er, was natürlich ein totaler Fake ist, und legt den Kopf schief. „Was ist, Habibti? Hast du Angst, ich könnte deinem Freund wehtun?“, raunt er.
Um ehrlich zu sein, so wie er aussieht … ja, die habe ich. Aber ich lasse mich von ihm nicht abschrecken, straffe die Schultern, recke mein Kinn und halte den Blickkontakt. „Warum lässt du deine schlechte Laune nicht an deiner Schmusekatze aus statt an einem unschuldigen Mann!“
Chris schnaubt. Macht er sich jetzt auch noch lustig über mich?
„Wenn wir schon gerade dabei sind, über Schmusekatzen zu reden …“ Seine Stimme ist sehr leise und er kommt noch einen Schritt näher. Sehr nah.
Sein Duft steigt in meine Nase, und wieder beginnt ein kleiner Teil in meinem Kopf, zu rebellieren. Dieser Teil bringt mein Blut zum Kochen, beschleunigt meinen Herzschlag und sorgt dafür, dass ich weiche Knie bekomme. Mayday! Mayday! Restliches Gehirn, übernimm die Kontrolle! Bitte übernimm sie, und zwar schnell! Überwältige diesen kleinen Teil.
„Für wie viele Kerle spielst du eigentlich das Betthäschen?“
WAS? Der große Teil des Gehirns übernimmt nun wieder die vollkommene Kontrolle, beendet die Meuterei und treibt meinen Blutdruck in die Höhe. Ich beiße kräftig die Zähne zusammen und hebe meine Hand, um ihm eine Ohrfeige zu verpassen. Aber er hat es wohl kommen sehen und packt mein Handgelenk, bevor ich seine Wange berühren kann. Seine Finger um mein Gelenk senden eine Hitze durch meinen Körper, die versucht, jede einzelne Zelle zu erreichen, um sie wieder mit dem Chris-Palmer-Virus zu infizieren. Oh nein! Nicht schon wieder.
„Verschwinde aus meinem Leben.“ Ich blecke die Zähne, sorge aber dafür, dass er genau das auch in meinem Blick sieht.
Für einen kurzen Moment schließt er die Augen und öffnet sie wieder. Ich denke, er tut es, um sich ein wenig zu beruhigen, da wir uns in der Öffentlichkeit befinden. Chris hält mein Handgelenk immer noch fest, und für ein paar Sekunden glaube ich, so etwas wie Verlangen in seinem Blick zu sehen. Natürlich. Anscheinend hat er erst mal genug von Kylie. Vielleicht kann sie seine Lust nicht mehr befriedigen oder er hat genug von ihr, und statt sich in der Houstoner Clubszene nach einer willigen Frau umzusehen, versucht er, die rumzukriegen, die sich von ihm hat weichklopfen lassen. Nämlich mich. Jedoch kenne ich diesmal seine Masche. Er spielt mal wieder den Eifersüchtigen, damit ich schwach werde und seinem Charme nicht widerstehen kann. Das zieht bei mir nicht mehr. Ich kenne seine Spielchen mittlerweile und kann mit Stolz verkünden, dass ich dagegen immun bin.
„Könntet ihr das bitte lassen?“ Jeremy erscheint neben Chris. „Wollt ihr, dass die Presse davon Wind bekommt und ihr durch den Dreck gezogen werdet?“
Chris lässt erst jetzt meine Hand los, aber ist immer noch außer sich vor Wut. Sein Blick wandert rüber zu Jeremy und wieder zurück zu mir. „Wir sind noch nicht fertig“, warnt er mich, indem er sich nach vorn lehnt und sein Gesicht ganz nah an meins bringt.
Ich spüre seinen Atem, sehe, wie seine Adern am Hals hervortreten. Unter anderen Umständen wäre ich ihm ganz sicher um den Hals gefallen, aber ich unterdrücke dieses Bedürfnis, indem ich mir Kylies Bild in seinem Penthouse ins Gedächtnis rufe.
„Und ob wir das sind.“ Ich recke erneut das Kinn.
Sofort wendet er sich ab und verlässt mit kräftigen und strammen Schritten das Restaurant, gefolgt von Jeremy, der mich mit einem „Tut mir leid“-Ausdruck ansieht. Nachdem beide durch die Tür verschwunden sind, atme ich erleichtert aus und setze mich langsam wieder auf den Stuhl.
„Alles okay?“, fragt Allan besorgt.
Ich kann ihm nicht antworten, da meine Kehle wie zugeschnürt ist, also nicke ich einfach. Hoffentlich stellt er jetzt keine Fragen. Braucht er auch eigentlich nicht. Er weiß über alles Bescheid und hat nun mit eigenen Augen erlebt, was ich ihm über Chris erzählt habe. Nach ein paar Minuten des Schweigens entschuldige ich mich und gehe auf die Toilette.
Als ich aus der Kabine herauskomme und in den Spiegel schaue, sehe ich Chris wieder vor mir. Seine wütenden Blicke, die angespannte Haltung, seine drohenden Worte und die Beleidigung, die er mir gegenüber geäußert hat. Betthäschen. Ich! Die gerade mal mit drei Männern was hatte. Daran erkennt man, dass er keine Gefühle für mich hatte. Ein Mann, der für eine Frau etwas empfindet, beleidigt sie nicht. Chris hat nur für Sex etwas übrig. Bei dem Gedanken daran wird mir wieder übel.
Ich gehe wieder zu Allan an den Tisch zurück und bitte ihn darum, das Restaurant mit mir zu verlassen. Chris hat es geschafft, mir den netten Abend mit meinem besten Freund zu vermasseln. Das Einzige, was ich nun will, ist, mich auf meine Couch zu legen und einzuschlafen. Zum Glück versucht er nicht, mich umzustimmen, sondern bezahlt die Rechnung und wir gehen hinaus.
Am Eingang ruft jemand meinen Namen. Es ist Mrs. Thomas, eine Klientin, die ich vor einem Jahr vertreten habe.
„Ich warte an deinem Wagen auf dich“, informiert mich Allan.
„Danke, ich mache es kurz.“ Er nickt mir zu, ich setze ein Lächeln auf und wirbele herum. „Mrs. Thomas, schön, Sie wiederzusehen. Wie geht es Ihnen?“ Ich bin nicht in der Stimmung für Small Talk, bleibe aber so nett ich kann.
„Sehr gut, Miss Elias. Ich habe gehört, Sie sind mit Christopher Palmer liiert?“ Meine Güte, die kommt aber direkt auf den Punkt.
„Nun ja, Sie kennen doch die Klatschblätter. Die schreiben, was ihnen Geld einbringt“, winke ich ab und hoffe, so dem Gespräch ein Ende zu bereiten.
„Sie wissen doch: Wo Rauch ist, ist auch Feuer.“
Ja, leider. Und an diesem Feuer habe ich mich verbrannt. Ich öffne meinen Mund, um ihr darauf zu antworten, aber ein lauter Knall hindert mich daran. Scheiben klirren, Menschen schreien. Ehe ich registrieren kann, was passiert ist, merke ich, wie ich durch die Luft fliege, gegen etwas pralle und der Parkettboden immer näher kommt. Ein höllischer Schmerz durchfährt meinen Kopf.
Christopher
Die ganze Fahrt nach Hause fluche ich vor mich hin und schlage immer wieder auf das Lenkrad ein. Sie war wieder voll in ihrem Element. Wütend, hat mir Kontra gegeben und das war … unheimlich heiß. Heißt es nicht, was sich liebt, das neckt sich? Oh ja, ich liebe sie und bin mir sicher, sie hegt die gleichen Gefühle für mich, versteckt sie aber gut, aus welchem Grund auch immer.
In meinem Penthouse gehe ich direkt zu meiner kleinen Bar und nehme eine Flasche Whiskey heraus. Ich gönne mir einen Schluck und will gerade raus auf den Balkon, da klingelt mein Handy. Auf dem Display erscheint Jeremys Name. Ich senke meine Hand, verdrehe die Augen und stöhne auf. Er will bestimmt nur checken, ob ich mich mittlerweile beruhigt habe. Die Antwort ist einfach: Nein, habe ich nicht.
„Was ist?“, knurre ich.
„Okay. Ich spare mir dann die Frage“, blafft er zurück. „Schalt Kanal 42 ein.“
„Wozu?“
„Schalt Kanal 42 ein!“
Ich nehme die Fernbedienung in die Hand und schalte den Sender, den Jeremy mir genannt hat, am Fernseher ein. Die Bilder, die ich sehe, sind von einer Livekamera. Meterhohe Flammen. Polizei und Feuerwehr befinden sich im Einsatz, und verletzte Menschen, die zu Krankenwagen geführt und verarztet werden, sind zu sehen. Doch was mein Herz zum Stillstand bringt, ist der Text, der eingeblendet wird: Explosion im La Table.
„Nein“, hauche ich.
Meine Beine geben nach und ich falle auf die Knie, als ich auf die Couch zugehen will, um mich zu setzen. Ich nehme das Telefon vom Ohr und mein Arm hängt schlaff an meiner Seite. Jeremys laute Stimme ertönt aus dem Handy, die aber Sekunden später nicht mehr zu hören ist. Mein ganzer Körper ist taub. Layla war da. Ein stechender Schmerz schießt in meine Brust und verteilt sich in meinem ganzen Körper.
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