Susans Lächeln verblasste langsam, aber sie fuhr fort. „Ms Dawson von der Agentur ist wegen Ihnen hier. Mit einem Alpha! Er freut sich schon sehr, Sie kennenzulernen; sie sagte, er kann es kaum erwarten. Ich weiß, das ist ziemlich ungewöhnlich, aber wenn Sie ihn treffen wollen, könnte das etwas wirklich Wundervolles für Sie werden.“
Roland wandte den Kopf ab und atmete ein paarmal schnell und scharf ein, ohne dass sie sein Gesicht sehen konnte.
Nun, er hatte gewusst, dass er einige Mal Nein sagen musste, und ein Alpha, der sich so freute, ihn kennenzulernen, war vermutlich jemand, zu dem er definitiv Nein sagen wollte.
Obwohl es wahrscheinlich niemand war, zu dem er leicht Nein sagen konnte.
„Werden Sie mich begleiten?“ Vorsichtig sah Roland zu Susan hinüber.
Susans Ausdruck schmolz dahin, nur für einen Moment, und sie streckte die Hand nach ihm aus, zog sie aber zurück, ohne ihn zu berühren. „Natürlich, Roland. Wir werden Sie nicht mit ihm verbinden, ohne ihn zuvor gesehen zu haben. Möchten Sie, dass Ms Dawson mit ihm hier herauskommt oder in eines der Wohnzimmer geht?“
„Hier“, sagte Roland sofort. Es musste nicht sein, dass Susan mitbekam, wie lange er brauchte, um hineinzukommen, und er musste sich nicht in einem engen Raum aufhalten, in dem der Geruch nicht verfliegen konnte. Mit einem Alpha, der ihn wollte.
„Dann warte kurz.“ Susan tippte auf etwas auf ihrem Telefon.
Roland atmete ein und aus und konzentrierte sich darauf, seinen Kopf genau gerade zu halten – weder seine Kehle noch seinen Nacken zu entblößen – während er den Weg beobachtete, auf dem Susan gekommen war. Es dauerte weniger als eine Minute, bis er zwei verschwommene Gestalten wahrnahm. Eine war schlank und mittelgroß, was mit seiner Erinnerung an Ms Dawson von der Agentur übereinstimmte; die andere, groß und breit, mit dunklem Haar, musste der Alpha sein. Es brauchte ein paar Sekunden mehr, bis er erkannte, dass der Alpha einen Anzug trug, was einige seiner halb ausgegorenen Erwartungen erschütterte. Er wusste nicht, ob er in den letzten acht Jahren von einem Alpha gefickt worden war, der sogar einen Anzug besaß.
Natürlich hatte er nicht sonderlich viel über die Alphas gewusst, die ihn in den vergangenen acht Jahren gefickt hatten. Eine schreckliche Sekunde lang fragte er sich, ob das einer von ihnen war, aber dann fing Roland seinen Geruch ein. Er war ihm völlig unbekannt, abgesehen von den Basisnoten aus Werwolf und männlich und Alpha. Er konnte nicht sagen, ob er diesen Geruch mochte oder hasste, aber er kannte ihn nicht.
Der Ausdruck des Alphas war, als er näherkam, ebenso unbekannt: Er wirkte entschlossen, beinahe beunruhigt, und sein Blick wich nicht von Rolands Gesicht.
Er blieb auf dem Weg stehen, weit genug entfernt, dass er nicht über Roland aufragte. Roland kam der Gedanke, dass er vielleicht aufstehen sollte oder so.
Er blieb sitzen.
„Roland, Sie erinnern sich an Ms Dawson“, sagte Susan, „und das ist Beau Jeffries, der Alpha, der sich unbedingt treffen wollte. Mr. Jeffries, Mr. Lea.“
Beau Jeffries verneigte sich tatsächlich leicht, wobei er die Hände an den Seiten behielt. Sein Blick war nach wie vor auf Roland gerichtet.
„Hallo, Mr. Lea. Ich freue mich, Sie kennenzulernen. Wie geht es Ihnen heute?“
Mr. Jeffries Stimme war tief und warm, angenehm zu hören, allerdings war die Frage nicht ganz so angenehm. Rolands Herz begann schneller zu schlagen.
Er weiß es.
Roland hatte der Agentur meistens die Wahrheit gesagt, und es war auch nicht so, als fühlte er sich nicht offensichtlich unwohl, von seinem rasierten Kopf bis hin zu der Tatsache, dass er sich in einem Omega-Refugium befand. Er konnte nicht anders, als nach oben zu fassen und seinen Schal fester um den Hals zu wickeln, während er Mr. Jeffries zunickte.
„Gut, danke. Ähm. Ihnen?“
Mr. Jeffries lächelte leicht, sein Blick wandte sich noch immer nicht von Roland ab, und etwas Warmes blühte in seiner Magengrube auf. Oh nein. Er sollte diesen Alpha nicht mögen. Er sollte es endlich besser wissen, als sich wieder in einen zu verlieben.
„Mir geht es gut“, sagte Mr. Jeffries. „Allerdings bin ich nervös, weil ich dabei bin, einem Fremden einen Heiratsantrag zu machen, und ich mir nicht sicher bin, ob er an dem, was ich bieten kann, interessiert sein wird. Und ich möchte wirklich sehr, dass er Ja sagt.“
Roland blinzelte und musterte Mr. Jeffries von oben bis unten. Er schien perfekt zu passen und ziemlich wohlhabend zu sein. Seine Hände sahen weich und sauber aus, passend zu dem schönen Anzug, und er hatte nicht die Härte, die Roland seit Langem bei Werwölfen kannte, die auf der Straße lebten oder arbeiteten. Wie konnte er daran zweifeln, dass irgendein Omega ihn haben wollte?
„Wissen Sie“, Mr. Jeffries kam einen Schritt näher und ging in die Hocke, sodass er zu Roland aufsah, der noch immer auf der Bank saß. „Ich habe gerade die Medizinschule abgeschlossen.“
Dann besaß er wohl mehr als einen Anzug und hatte absolut keinen Grund, sich mit einem gebrochenen Wesen wie Roland abzugeben.
Aber er hatte von Heirat gesprochen, und das vor Zeugen.
Heirat war menschlich, legal. Man bekam dabei ordentliche Papiere und alles. Roland wartete immer noch darauf, ob die Briefe, die die Unterkunft in seinem Namen abgeschickt hatte, seine Identität genügend bestätigten, um ihm eine Kopie seiner Geburtsurkunde zu verschaffen. In den letzten Jahren hatte niemand auch nur angeboten, ihn mit in den Mietvertrag aufzunehmen, wenn er an einem Ort lebte, der schön genug war, um Papierkram zu erfordern.
„Was, äh?“ Roland schluckte hart und versuchte zu überlegen, wie man mit jemandem wie Mr. Jeffries redete. Ein Arzt. „Welches … Spezialgebiet?“
Dr. Jeffries Lächeln wurde breiter. „Eigentlich ist das der schwierigste Teil. Ich möchte Menschen behandeln, keine Werwölfe. Ich denke, dass ich – natürlich mit der Erlaubnis der Patienten – als Diagnostiker viel Gutes tun kann.“
Er fragte Roland nicht, ob er verstand, was das Wort bedeutete. Er wartete auf Rolands Reaktion und Roland wusste, dass er sie nicht verstecken konnte.
Er weiß es, er weiß es, er weiß es.
Roland kämpfte darum, seine Sprache wiederzufinden. Er konnte den Blick nicht von Dr. Jeffries Augen nehmen. Sie waren fast schwarz, aber nicht vollkommen. Gerade noch war die kaffeebraune Iris um das dunkle Zentrum herum zu erkennen. „Und Sie glauben, sie erlauben das, wenn Sie verheiratet sind?“
Dr. Jeffries schüttelte den Kopf, bedacht und ernst. „Nun, nein, ich glaube nicht, dass mir das bei den Patienten helfen wird. Aber ich brauche noch drei Jahre Praxiserfahrung – mein Praktikum – und dieses Programm verlangt, dass ich verheiratet bin. Ich will mich nicht dazu zwingen lassen, aber Ms Dawson schlug vor, dass ich mir jemanden suche, dem ich helfen kann, während er mir ebenfalls hilft, jemand, der einen sicheren Platz zum Leben braucht und der bereit ist, von Chicago wegzuziehen. Es wäre nicht für immer. Ich würde einer Scheidung zustimmen, damit derjenige nach einer gewissen Zeit wieder gehen kann. Wir hätten einen Ehevertrag. Und als mir Ms Dawson Ihr Profil gezeigt hat, wusste ich, dass ich Sie kennenlernen muss.“
Rolands Herz schlug so schnell, dass es wehtat, und er konnte kaum sämtliche Konsequenzen von Dr. Jeffries Worten erfassen, da nur eine einzige durch seinen Kopf donnerte.
Er weiß es, er weiß es, er weiß es.
Roland stemmte sich auf die Füße, ohne darüber nachzudenken, was er tat. Dr. Jeffries stand ebenfalls auf und machte einen Schritt zurück, damit Roland ihm nicht zu nahe kommen musste, wenn er um die Bank herum und über den Rasen davongehen wollte. Er hielt seine Arme um seine Mitte herum geschlungen und den Blick zu Boden gerichtet und ging, so schnell er konnte. Für einen Moment konnte er nichts anderes, als die Leichtigkeit in seinem Kopf zu fühlen, konnte nichts anderes als den Donner seines Herzens hören.
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