Rolands Kehle war zu eng, um zu sprechen, er konnte kaum atmen und brachte nur ein festes, ruckartiges Nicken zustande.
„Ich habe gerade nachgeschaut, wie man es bindet“, erklärte Beau und kam näher. „Es war mir zu peinlich, im Geschäft zu sagen, dass ich keine Ahnung habe. Darf ich …?“
Roland nickte, hob die zitternden Hände, um die obersten Knöpfe seines Hemdes zu öffnen, und gab Beau so den Platz, den Kragen zu lösen und das weiche Tuch um seinen Hals zu legen.
„Da ist ein kleiner Fleck Rot wie bei deinem Schal darin“, murmelte Beau, seine Hände bewegten sich geschickt und zogen das Tuch an seinem Hals fest, streng, aber nicht abschnürend. „Aber hauptsächlich marine und weiß, das fand ich gut für den Sommer. Du kannst es bei lässigen Sachen wie einen Schal tragen – ich könnte noch weitere in anderen Farben besorgen, wenn es dir gefällt. Du kannst es zu deiner ganz persönlichen Stilsache machen.“
Beau fummelte an Rolands Kragen herum und ging dann einen halben Schritt zurück, damit Roland seine eigenen Hände heben und den einfachen Stoff um seinen Hals herum berühren konnte. Es verbarg definitiv die Verbrennungen und polsterte sie gegen sein Hemd ab, fühlte sich aber eher wie eine Krawatte als ein Schal an.
„Danke“, schaffte er zu flüstern.
Beau nickte nur und drückte Rolands Schulter mit seiner großen Hand. „Ich danke dir. Für alles. Weil du mir vertraut hast.“
Roland wandte den Blick ab, als ihm all die schrecklichen Dinge, die er über Beau gedacht hatte, durch den Kopf rauschten. Er hatte diesen Alpha nicht verdient und früher oder später würde Beau das realisieren. Ein guter Mann wie er wollte keinen Omega um sich haben, der ständig darauf wartete, dass er sich wie alle anderen benahm.
Aber noch wusste Beau das nicht.
Roland hatte es noch nicht versaut. Er zwang sich, Beau wieder in die Augen zu sehen, und lächelte leicht.
Beau lächelte zurück und zog ihn näher an sich, legte einen Arm um ihn, damit sich Roland an ihn lehnen konnte, eingehüllt in seinen starken Duft. Während Roland beschäftigt gewesen war, hatte er sich ein wenig ins Schwitzen gebracht – er war zu dem versnobten Laden gelaufen, wo man ihn in Verlegenheit gebracht hatte, nur um Roland etwas Seidenweiches zum Anziehen zu besorgen.
„Bereit?“, fragte Beau weich.
Roland nickte, und Beau begleitete ihn aus der Eingangstür zu Ms Dawsons wartendem Wagen.
***
Der Standesbeamte war menschlich und schien von der ganzen Sache fürchterlich gelangweilt zu sein, der schwierigste Teil war, als Roland ihm seine brandneue Geburtsurkunde präsentierte, zusammen mit einem Brief, den der Direktor des Asyls als Identifikationsmittel geschrieben hatte. Der Brief begann damit, dass das Asyl in loco gentits (anstelle der Familie; Anm. des Übers.) handelte und das Schreiben deshalb vergleichbar mit einem Dokument der Rudelzugehörigkeit war, was zur Identifikation genügte. Das erntete eine Menge Geblinzel und gebrummte Hmmms, danach verschwand der Standesbeamte für einige Minuten mit Rolands gesamten Papieren, ehe sie urplötzlich anerkannt wurden.
Erst ganz zum Schluss, nachdem er ein offiziell aussehendes Dokument über die Theke geschoben hatte, lächelte der Standesbeamte. „Gratulation, Gentlemen. Viel Glück bei der Hochzeit.“
Das war der Moment, als Roland dachte: Warte, was? Ich dachte, das war die Hochzeit.
Er konnte Beau an seiner Seite spüren, ebenso erstarrt, und dann lächelte der Alpha breit, legte einen Arm um Roland und schnappte sich mit der anderen Hand das Dokument. „Danke.“
Roland ließ sich zur Seite drehen und nach hinten schieben, wo Susan und Ms Dawson auf sie warteten. Erst als er hörte, wie der Beamte die nächste Person aus dem Wartebereich aufrief, wagte er zu Beau zu flüstern: „Aber wann sind wir verheiratet?“
„Bald“, erwiderte Beau eifrig und drückte Roland noch ein bisschen enger gegen sich. Roland berührte behutsam mit den Fingern sein Halstuch, dann gratulierten Susan und Ms Dawson ihnen dazu, ihre Heiratsgenehmigung erhalten zu haben – wie sich herausstellte –, aber tatsächlich noch … nicht verheiratet zu sein.
Erst als sie im Wagen saßen, sah er Beau auf sein Telefon tippen, und er fühlte ihn seufzen.
„Ich habe nicht daran gedacht, vorher darauf zu sehen“, murmelte Beau. „Ich habe es nicht kapiert. Die Genehmigung kann nicht vor morgen verwendet werden.“
Roland ballte die Hände zu Fäusten und drückte sie gegen seinen Magen. Noch ein Tag. Nur ein Tag mehr.
Ein Tag mehr, an dem er sich entscheiden musste, ob er Gift nehmen wollte oder sich nicht traute. Ein weiterer Tag ohne einen Alpha, der auf ihn aufpasste und beschützte. Ohne Beau.
„Ihr werdet feststellen“, sagte Susan vom Vordersitz aus, „dass wir eine sehr, sehr lange Strecke zurück zum Asyl nehmen. Das dauert vielleicht Stunden. Ich wäre nicht überrascht, wenn es bereits nach Mitternacht wäre, wenn wir dort eintreffen.“
Susan drehte sich um, um zu zwinkern, während Roland ein paar Sekunden gegen seine Schockstarre kämpfte und dann begriff. Er senkte den Kopf, um sein Grinsen zu verstecken. Natürlich hatten sie all das geplant. Sie wussten, dass ein Alpha nicht wie ein Mensch warten wollte, um seinen Anspruch auf den Omega, den er auserwählt hatte, geltend zu machen.
Sie wussten nicht, dass Roland derjenige war, der es nicht erwarten konnte, oder warum.
Beau drückte ihn an sich und murmelte: „Warum schließt du nicht einfach deine Augen? Du kannst dich genauso gut ausruhen, wenn es ohnehin eine derart lange Fahrt wird.“
Roland legte den Kopf nach hinten gegen Beaus Arm und kuschelte sich so eng an, wie er es wagte, ohne dabei Make-up auf Beaus Anzug zu verschmieren. Er schloss die Augen und atmete Beaus Duft ein, der schwer im geschlossenen Inneren des Wagens hing. Mein Alpha. Er wird mich nach Hause bringen, er wird mir helfen, gesund zu werden. Er hat es versprochen. Wirklich versprochen, auf Papier und alles.
Er schlief ein wenig, oder zumindest drifteten seine Gedanken für eine Weile durch eine stille Leere. Als die Vordertür des Wagens geschlossen wurde, kam er wieder zu sich. Nur er und Beau saßen noch im Auto. Roland öffnete die Augen und sah Beaus Gesicht näher bei sich, als er erwartet hatte.
Nahe genug für einen Kuss.
Sein Atem stockte, er spürte die gefährliche Spannung der Erwartung, obwohl er es besser wissen sollte, obwohl er sich alles andere als das lieber wünschen sollte.
Beau lächelte nur. „Bereit für deinen Hochzeitstag?“
Roland schaute aus dem Fenster zu der wenig mitteilsamen Front des Asyls. „Sie haben doch nicht … etwas geplant, oder? Es wird nicht so sein wie …“ Ein Durcheinander von Bildern ging ihm durch den Kopf, hauptsächlich menschliche Hochzeiten, die er im Fernsehen und in Filmen gesehen hatte, aufwendige, langwierige Ereignisse, bei denen immer jemand schrecklich gedemütigt oder enttäuscht oder auf andere Weise zum Weinen gebracht wurde.
„Ich denke, sie kennen dich gut genug, um zu wissen, dass du nichts Großes und Anstrengendes willst“, sagte Beau leise. „Ich vermute allerdings, dass es Kuchen geben wird. Glaubst du, du könntest vielleicht ein kleines Stück Kuchen essen?“
Roland biss sich auf die Lippe, sein Magen wand sich unruhig. „Hast du noch mehr von diesen Ingwerbonbons?“
Beau lächelte und holte eines aus seiner Tasche, wickelte es aus, bevor er es an Rolands Lippen hielt. Er schloss die Augen und öffnete den Mund, das erste scharfe Brennen des Ingwers ließ ihn schlucken und stach in seinen Augen. Beau blieb ruhig an seiner Seite und hielt ihn die ganze Zeit im Arm. Nach einem weiteren Augenblick sagte Roland: „Ich schätze, wir müssen irgendwann aus dem Auto steigen.“
„Nicht wirklich so, wie ich mir unser Zusammenleben die nächsten Jahre vorgestellt habe“, stimmte Beau zu, machte jedoch keine Anstalten, Roland aus dem Auto zu lassen, bis Roland den Kopf hob und sich zur Tür drehte.
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