Roland leckte gehorsam daran und der scharf-süße Geschmack hielt ihn fast davon ab zu bemerken, dass er dabei auch Beaus Fingerspitzen ableckte. Der Geschmack schien die kranke und schale Panik aus seinem Mund zu spülen, er nickte und öffnete den Mund, damit Beau das Bonbon hineinwerfen konnte.
„Es wird auch deinen Geruch verändern, wenn ein Wolf in deiner Nähe unhöflich ist und an dir schnuppert, um festzustellen, was mit dir los ist.“
Roland bog den Kopf leicht zurück, um Beau in die Augen sehen zu können, und Beau zwinkerte.
Rolands Mund bog sich nach oben zu einem Lächeln, sein Inneres fühlte sich auf eine völlig neue Art lustig an. Es war eine gute Sache, dass er diesen Fehler bereits gemacht hatte, denn es wäre umso peinlicher, wenn man sich lediglich durch ein Bonbon und eine kleine zärtliche Berührung in die Falle locken ließ.
Er schloss die Augen und konzentrierte sich auf das Bonbon in seinem Mund, ließ alle Sinne von dem leicht scharfen Brennen, dem Hauch von Süße vereinnahmen. Er konnte nichts anderes mehr hören, konnte kaum etwas anderes riechen. Er fragte sich, ob Beau diese Bonbons mochte, weil sie seinen Geruch verschleierten, oder weil sie ihm halfen, jeden anderen Geruch zu ignorieren. Oder hatte er einfach vergessen zu essen und nun Magenschmerzen? Das Medizinstudium war hart und anspruchsvoll, so viel wusste Roland.
„Da kommen die Anstandswauwaus“, murmelte Beau, und Roland öffnete die Augen, damit er Umrisse, die schätzungsweise Susan und Ms Dawson waren, über den Rasen kommen sehen konnte. „Ich wette, sie wollen mit dir allein reden, also werde ich dir etwas Warmes zu trinken suchen und danach können wir ins Büro gehen.“
Beaus Griff festigte sich noch einmal für einige Sekunden, dann stand Beau auf und ließ Roland sich anlehnen, bis er sicher auf den eigenen Füßen stand. Umsichtig behielt Beau eine Hand an Rolands Ellbogen, während er sich bückte und mit der anderen die Papiere aufhob, die er Roland übergab, als die anderen Omegas zu ihnen stießen. „Roland hat eingewilligt, mich zu heiraten, aber ich bin sicher, Sie wollen den vorläufigen Ehevertrag mit ihm durchgehen? Bitte reden Sie mit ihm über jeden Punkt, ob es etwas gibt, was er geändert haben möchte. Ich glaube, er ist dabei, mir zu sehr zu vertrauen. Ich bin mit jeder Änderung einverstanden.“
Susan nahm die Dokumente an sich, doch Beau zog das oberste Blatt zurück und steckte die Geburtsurkunde vorsichtig in den Umschlag zurück, ehe er ihn Roland in die Hand drückte. „Das kannst du halten, das ist kein Teil der Verhandlungen.“
Roland nickte, drückte Beaus Arm an der Stelle, an der er ihn immer noch hielt, und ließ ihn dann los.
***
Als sie damit fertig waren, die Dokumente durchzugehen, war sich Roland ziemlich sicher, dass sie trotz Beaus Bemühungen realisiert hatten, dass er nicht lesen konnte. Aber sie sagten nichts deswegen, sondern redeten über den Wortlaut jeder einzelnen Zeile mit ihm, damit er alles einwandfrei verstand.
Tatsächlich war es gar nicht kompliziert. Roland wurde gestattet, zu jeder Zeit die Scheidung einzureichen, und würde automatisch Geld von Beau bekommen, wenn sie geschieden waren. Geschah das nach mehr als einem Jahr Ehe, bekäme er mehr Geld, und doppelt so viel, wenn sie drei Jahre verheiratet blieben. Beau erklärte sich schriftlich damit einverstanden, vielleicht nie Sex zu haben, und dass das kein Grund für Beau war, die Scheidung einzureichen oder einen Teil ihrer Vereinbarung zu ändern.
Beau sagte zu, ihn zu nichts zu zwingen, und versprach, dass Roland, wenn er Hitzen hatte, sie weder mit Beau noch sonst wem verbringen musste. Beau wusste, dass er gebrochen war, wenn er auch keine Ahnung hatte, wie es dazu gekommen war; Beau hatte die Narben seines Halsbandes gesehen. Und Beau gab ihm trotzdem das alles, und Ingwerbonbons, und eine Tasse mit süßem heißem Pfefferminztee, die er neben Rolands Ellbogen abstellte, ehe er leise wieder davonging.
Als Susan Roland noch einmal fragte, ob er sich absolut sicher sei, dass er das alles wollte, lachte er, nickte und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. Er würde kein besseres Angebot als das bekommen, und egal, wie es zwischen ihnen wurde, es war auf jeden Fall besser, als hier allein kränker und kränker zu werden.
„Nun denn“, sagte Susan. „Wir sollten zusehen, dass wir dich für den Standesbeamten schick machen, nicht wahr?“
Roland stimmte vorsichtig zu und fand sich bald darauf unter der Dusche wieder, danach wurde er mehr gestylt, als er jemals in seinem Leben erlebt hatte. An seinem Haar gab es nichts zu tun, aber er war damit einverstanden, drei verschiedene Augentropfen, Make-up und mehr Aufmerksamkeit auf seine Fingernägel zu bekommen, als er ihnen je zuvor geschenkt hatte. Susan und Ms Dawson brachten ihm saubere, neue Kleider, die er anziehen konnte.
„Wage es nicht zu weinen“, sagte Susan und tupfte dabei ihre eigenen Augen mit ihren Fingerknöcheln ab, als sich Roland im Spiegel anstarrte. „Wenn du das Make-up verschmierst, brauchen wir zwanzig Minuten, um das wieder zu richten.“
Er sah … lebendig aus. Gesund, verglichen mit dem, was er in den letzten Monaten oder Jahren im Spiegel gesehen hatte. Es fühlte sich wie eine Maske an, oder wie ein flüchtiger Blick auf eine alternative Version seiner selbst, und völlig fremd, da er sicher war, dass sein Geruch ihn nach wie vor verriet und sein Körper in den feinen neuen Kleidern genauso schmerzte und unsicher wie immer war. Er wusste, dass selbst das Make-up für einen gesunden Werwolf nicht so überzeugend aussah wie für ihn – aber für einen Menschen reichte es, vermutete er. Der Beamte war wahrscheinlich ein Mensch.
Er zog nervös am Kragen des weißen Hemdes mit den schmalen Streifen in rosa und lila. Es verdeckte die meisten Verbrennungen um seinen Halsansatz, aber wenn es aufklaffte oder wenn einer der Striemen durch den steifen Stoff gereizt wurde und zu nässen begann …
„Kann ich nicht meinen Schal tragen?“ Sehnsüchtig warf er einen Blick darauf, obwohl selbst er sehen konnte, dass die dunklen Cranberry- und Navystreifen in der dicken Wolle nicht zu seinem schicken neuen Outfit passten. Der Schal sah eintönig und leicht schmutzig aus, trotz der satten Farbe, die ihn dazu getrieben hatte, ihn aus dem Gebrauchtkleidercontainer einer menschlichen Unterkunft zu fischen, in der er vor dem Asyl geblieben war. Er hatte ihn monatelang ohne Unterbrechung getragen, daher war das keine Überraschung.
„Es ist Juni, Schatz“, sagte Susan und legte ihm sanft eine Hand auf die Schulter. „Sie können im Juni keinen Schal tragen. Halten Sie einfach Ihren Kragen gerade – Sie werden sowieso nicht lange vor dem Standesbeamten stehen.“
Roland ballte die Hände zu Fäusten, er wollte den Schal einfach nur aufheben und mitnehmen. „Er ist … er gehört immer noch mir, oder? Sie werden ihn niemandem anderen geben?“
Susan schüttelte den Kopf, faltete den Schal zusammen und legte ihn energisch auf seinen Spind. „Er gehört Ihnen, Mr Lea. Er wird hier auf Sie warten, wenn wir vom Standesamt zurückkommen. Jetzt lassen Sie uns Ihren Alpha finden.“
Roland nickte und ließ sich von ihnen aus seinem kleinen Einzelzimmer zurück in die öffentlichen Bereiche des Asyls führen. Er wusste nicht, was Beau von ihm halten würde. Vielleicht gefiel es ihm nicht. Vielleicht gefiel es ihm zu gut und wollte, dass Roland diese Maske die ganze Zeit trug, die Narben und den kahlen Kopf bedeckte und hübsch für ihn war, obwohl sie beide wussten, dass es eine Lüge war.
Dann trat Roland durch eine Tür und Beau stand da, ein Stück dunkelblau-weiß gestreiftes Tuch in der einen Hand, sein Telefon in der anderen. Er musterte Roland von oben bis unten, nickte und lächelte ihn schief an.
„Vielleicht brauchst du das dann überhaupt nicht. Ich dachte, du hättest gern ein Halstuch zu deinem Hemd? Es befindet sich in deinem Kragen, nicht wie eine Krawatte, also läge es weich auf deiner Haut …“
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