Ich wollte es schmecken.
In seinen muskulösen Armen, auf denen die Muskelstränge deutlich hervortraten, fühlte ich mich klein und schwach und sehr, sehr feminin. Und als jemand, der selbst fast zwei Meter groß war, war ich das nicht gewohnt.
Vielleicht war es seine Größe, die mich in seinen Armen schmelzen ließ, aber noch wahrscheinlicher hatte meine neuartige Schwäche mit dem höschenschmelzenden Kuss zu tun.
Der Ausdruck in seinen Augen, als er den Kopf hob, sagte mir, dass er genausowenig wie ich wollte, dass dieser Kuss endete. Hier war aber nicht der Ort dafür, und als er sich umblickte und unsere Umgebung abschätzte, wurde ihm das klar.
Schon viel zu bald waren wir an seinem Auto angelangt. Er setzte mich auf dem Beifahrersitz der kleinen Limousine ab, gurtete mich an und machte ein Getue um mich, als wäre ich ein Kind und keine erwachsene Frau, die absolut in der Lage war, sich um sich selbst zu kümmern. Ich beschwerte mich nicht, als seine riesigen Hände beim Angurten über meinen Bauch und meine Hüften streiften. Die Hitze seiner Berührung reichte beinahe aus, um die Kälte zu verdrängen, die sich in meinen Gliedmaßen breitmachte.
Der Adrenalinrausch dessen, beinahe von Alien-Dingern umgebracht zu werden, verflüchtigte sich langsam, und ich wusste, dass ein Absturz folgen würde. Meine Wunden schmerzten, pochten mit jedem Herzschlag. Meine Muskeln fühlten sich schwach und zittrig an, und ich musste mich auf tiefe, gleichmäßige Atemzüge konzentrieren. Meine Hände bebten und ich zitterte. Mit einem Mal war mir eiskalt.
Er schloss die Tür und ging zur Fahrerseite des Wagens. Ich verbiss mir das Lachen, als er seinen riesigen Körper hinter das winzige Lenkrad zwängte. Das Auto war ganz eindeutig viel zu klein für seine Körpergröße. Lufterfrischer an den Lüftungsschlitzen verströmten einen blumigen Duft, ein Schutzengel-Anhänger hing vom Rückspiegel und das Auto roch nach Lavendel. „Wem gehört der Wagen?“
„Aufseherin Egara stellte uns nach unserer Ankunft ihr Fahrzeug zur Verfügung.“ Er ließ den Motor an und drehte die Heizung höher. Gott sei Dank. Meine Zähne hatten inzwischen zu klappern begonnen, nun da ich seine starken Arme und seine weiche Hitze nicht mehr um mich hatte.
„Hat sie euch auch die Telefone und Ohrhörer gegeben?“, fragte ich, während ich mich an die Kopfstütze lehnte und zu ihm blickte.
„Du bist aufmerksam, meine Braut. Und ja, sie hat mir dieses primitive Kommunikationsgerät überlassen.“
Er lächelte und setzte das Auto in Bewegung. Wir waren nicht weit vom Bräute-Abfertigungszentrum entfernt, falls er mich dorthin bringen wollte. Mir war es im Moment relativ egal, wohin wir fuhren. Er schien mir nichts tun zu wollen, was ich von den meisten Männern in dieser Stadt nicht behaupten konnte. Wenn Clyde über meine Nachforschungen Bescheid gewusst hatte, dann gab es auch noch andere. Niemand würde jedoch im Abfertigungszentrum nach mir suchen, da niemand wusste, dass ich schon einmal dort gewesen war. Also war es eine gute Wahl für ein Versteck. Nach meinen früheren Interaktionen mit Aufseherin Egara vertraute ich ihr genug, um mir zumindest meine Wunden ansehen zu lassen.
Ein Krankenhaus kam nicht in Frage. Ich würde tot sein, bevor sie meine Krankenversicherungs-Daten in den Computer eingegeben hätten. Das Kartell hatte überall Augen und Ohren. Jetzt, da Clyde tot war, brauchte ich mir zumindest keine Gedanken mehr zu machen, dass er seinen Kartell-Kumpeln erzählen würde, dass ich nach wie vor auf der Erde war. Aber sobald ich im Krankenhaus-System aufscheinen würde, wären sie sofort hinter mir her. Ich wusste zu viel.
Ich schloss die Augen und lehnte den Kopf an den Türrahmen, emotional zu ausgelaugt, um etwas anderes zu tun als die Augen zu schließen und darüber nachzudenken, was zur Hölle vor sich ging. Clydes Tod tat weh, aber nicht so sehr wie sein Verrat. Das musste ich erst noch verarbeiten, und dieser Schmerz, das Gefühl von verlorener Unschuld, brachte mich fast zum Weinen. Er war mir wie ein Vater gewesen, und ich hatte ihm restlos vertraut. Nun fühlte ich mich wie ein Narr, ein dummes kleines Mädchen, das ihren Papa mit blindem Vertrauen angehimmelt hatte, weil sie zu naiv war, zu jung und unerfahren, um zu erkennen, dass der Mann, der ihre Hand hielt, ein Monster war.
Clyde war zwei Jahre lang mein Kommandant gewesen. Er hatte mich unter seine Fittiche genommen, mich Schießen gelehrt und mir beigebracht, auf mich selbst aufzupassen. Er hatte mich immer dazu ermutigt, mich unbesiegbar zu fühlen, zu kämpfen. Er hatte mich glauben lassen, dass wir etwas Gutes und Rechtes in der Welt taten, dass wir etwas bewegten im Kampf zwischen Gut und Böse. Und die ganze Zeit über hatte er mich angelogen. Die ganze Zeit über war er der Teufel in Menschengestalt gewesen, und ich völlig verblendet.
Während dieser Gedanke langsam einsickerte, wurde der Schmerz immer größer, als würde ein Messer in meinem Bauch herumgedreht. Wie hatte er so grausam sein können? Warum hatte ich es nicht früher erkannt? Ich hätte es wissen sollen. Ich hätte zumindest Verdacht schöpfen sollen. Vielleicht hatte ich das ja, und wollte es nur nicht wahrhaben.
War ich so schwach gewesen, so zuwendungsbedürftig, dass ich die Hinweise übersehen hatte?
Ich hatte mich immer auf mein Bauchgefühl verlassen können, aber diesmal hatten mich meine Instinkte im Stich gelassen. Das wühlte mich mehr auf als alles andere. Ich fühlte mich auf unsicherem Boden, und das gefiel mir gar nicht. Kein bisschen.
Clyde war tot, vom Hive getötet. Ich war von meinem mir zugeordneten Gefährten gerettet worden, und seinem Sekundär Ander. Von meinen Gefährten! Seine Ankunft, die Gegenwart meines einen perfekten Gegenstücks im ganzen Universum, war nun ein wichtigeres Anliegen. Er fuhr mich in der Gegend herum, und ich war ihm völlig ausgeliefert.
Und wie er aussah! Er war größer als jeder Mensch, der mir je begegnet war, mit ausgeprägteren Zügen. Einfach... mehr. Er bemerkte meine Begutachtung und kniff seine Augen zusammen, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder auf die Straße richtete. „Mach dir keine Sorgen. Die Hive-Technologie wird dich nicht verseuchen.“
„Wie bitte?“ Mich verseuchen? War er verrückt? War es ein Fehler gewesen, zu ihm ins Auto zu steigen? Ich könnte bei der nächsten Stopptafel rausspringen, aber er würde mich einfangen. Es bestand kein Zweifel daran, dass er größer war, stärker, fitter und definitiv stärkstens auf mich fokussiert.
Er verzog das Gesicht, und seine Hände quetschten das Lenkrad, bis es aussah, als könnte es sich tatsächlich verbiegen. „Die Hive-Technologie, die du sehen kannst, wird dir keinen Schaden zufügen.“
„Wovon redest du? Das Silber?“
Sein Blick blitzte zu meinem, als würde ihn meine Antwort überraschen, aber ich hatte ernsthaft keine Ahnung, wovon zum Geier er redete. „Ja. Als ich vom Hive gefangengenommen wurde, wurde ich mehrere Stunden lang von ihren Implantaten gefoltert. Das Meiste, was mir zugefügt worden war, ist wieder entfernt worden. Was du nun siehst, ist bleibend. Ich trage ihre Spuren auch auf meiner Schulter, über meinem Rücken und am Bein entlang.“
Langsam tat er mir tatsächlich leid. Der Hive hatte ihm wirklich ordentlich zugesetzt. Ich hatte zu viele Geschichten gehört vom Foltern und Leiden der Soldaten in den Händen des Feindes. Und ich wusste aus erster Hand, dass manche Narben nicht von außen zu sehen waren. „Ist es gefährlich?“
„Nein.“
„Tut es weh?“
„Nein.“
„Na dann.“ Ich zuckte die Schultern und blickte wieder auf die Straße. „Was noch? Macht es dich superschnell oder unglaublich stark? Heilt es schneller, oder verschafft es dir irgendeinen Kampfvorteil?“ Ich zitterte bei dem Gedanken daran, was für wunderbare Sachen ich mit einem Cyborg-Implantat anstellen könnte. Ich wäre wie die Bionic Woman, hoch zehn. Ich könnte mir ein Kostüm kaufen und das ganze Superhelden-Ding auf echt abziehen. Das wäre verdammt cool. Ich würde das ganz in Schwarz machen und die Bösewichte in der Dunkelheit zur Strecke bringen.
Читать дальше