Christian war zunächst ein wenig unsicher, aber dann kam er doch zu dem Entschluss, dem Rat dieses Herrn zu folgen. Er dachte, wenn es wahr sei, was er sagte, könne er nichts Besseres tun.
»Welchen Weg muss ich zum Haus dieses Mannes gehen?«, fragte er.
»Siehst du jenen Hügel dort?«
»Ja, recht gut.«
»Du musst auf den Hügel zugehen. Das erste Haus, zu dem du kommst, gehört ihm.«
Die Pilgerreise, Seiten 21-24
Ein guter Freund von uns sagt immer wieder: »Die Gnade der Errettung ist absolut umsonst, aber die Nachfolge kostet dich alles!« Was sich wie eine fromme christliche Floskel anhört, steckt voller Wahrheit und bringt auf den Punkt, was Christian in diesem Abschnitt der Pilgerreise erlebt.
Christian ist müde. Seine Last, die er immer noch auf den Schultern trägt, wiegt schwer und wird auch nicht leichter, obwohl er doch jetzt ein Pilger ist. In dieser Verfassung kommt ihm Herr Weltlich – Achtung! Der Name verrät schon, dass er gefährlich ist – gerade recht. Und dieser berührt ihn auch gleich an seinem wunden Punkt und spricht ihn auf seine Last an. Was er Christian verspricht, klingt einfach wunderbar, denn er erklärt ihm, dass es einen Weg gebe, diese Last ganz ohne Gefahr loszuwerden und wieder mit seiner Familie vereint zu sein. Christian könne seine Liebsten einfach zu sich nachkommen lassen, wenn er sich im Dorf Sittenhaftigkeit niedergelassen habe. Ein ruhiges und zufriedenes Leben warte dort auf ihn. Es scheint so einfach, was Herr Weltlich ihm vor Augen malt. Ein Rundum-glücklich-Paket mit Unbeschwertheit, Familienfreude und Sicherheit im Eigenheim – es könnte einfach herrlich sein.
Christian zögert in dieser Situation zunächst. Und wir? Als Leser mit etwas Abstand runzeln wir natürlich die Stirn über all diese Versprechen von Herrn Weltlich, denn wir wissen, dass er Christian nur verführen will. Uns ist klar, dass er ihm mit der Autorität des Alters weismachen möchte, dass es einen einfacheren und leichteren Weg gibt. Uns ist klar, dass nur Jesus allein derjenige ist, der uns unsere Lasten abnehmen kann (Psalm 81,7), dass wir nur durch seinen Tod am Kreuz von der Sündenlast befreit werden. Uns ist klar, dass Jesus uns davor warnt, unsere Familie über ihn zu stellen (Matthäus 10,37), und dass er uns die Verheißung gibt, hundertfach zurückzubekommen, was wir verlassen haben (Matthäus 19,29). Uns ist klar, dass wir auf der Erde keine dauerhafte Bleibe haben (Hebräer 13,14) und Jesus uns zugesagt hat, uns eine Wohnung im Himmel zu bereiten (Johannes 14,2).
Das ist uns doch alles klar, oder? Uns könnte so ein Herr Weltlich niemals aus der Bahn werfen, weil wir ihn sehr schnell entlarvt hätten. Leider läuft die Verführung im echten Leben nicht mit einem Warnschild (Achtung! Herr Weltlich) durch die Gegend und ist wesentlich subtiler, bahnt sich schleichend an. Im Moment freuen wir uns noch über die Segnungen Gottes und im nächsten haben wir uns in der Welt eingerichtet und es uns bequem gemacht. Aber davor warnt uns Jesus. Er fordert uns auf, unser Kreuz auf uns zu nehmen und ihm nachzufolgen – mit allen Schwierigkeiten, die kommen werden, – statt der scheinbaren Einfachheit der Welt, die uns verführen will.
Christian für seinen Teil rennt den Versprechungen von Herrn Weltlich hinterher und muss auf die harte Tour erfahren, dass der einzige Weg der Erlösung der der Nachfolge Jesu Christi ist. Dieser Weg ist ein Kampf, in dem standhaftes Ausharren notwendig ist, weil die Welt uns immer wieder einen leichteren Weg vorgaukeln wird. Der wahre Weg der Nachfolge kostet dich alles. Aber er führt dich in die ewige Herrlichkeit.
Und als er die Volksmenge samt seinen Jüngern herzugerufen hatte, sprach er zu ihnen: Wenn jemand mir nachkommen will, verleugne er sich selbst und nehme sein Kreuz auf und folge mir nach! Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, wird es retten.
Markus 8,34-35
Herr Jesus Christus,
ich danke dir, dass du mir in deinem Wort immer wieder
vor Augen malst, was es bedeutet, dir nachzufolgen.
Vergib mir, dass die Welt mich so oft glauben machen kann, dass es einfacher ist ohne dich.
Hilf mir, täglich mein Kreuz auf mich zu nehmen und mein Leben um deinetwillen zu verlieren, auf dass ich es in
Ewigkeit rette.
Amen.
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5. ETAPPE:
Freiheit aus eigener Kraft?
So ging Christian von seinem Weg ab, um im Hause des Herrn Gesetzlich Hilfe zu suchen. Aber als er ganz nahe an den Hügel herangekommen war, erschien ihm dieser so hoch – auch hing eine Bergwand so drohend über seinem Weg –, dass er sich nicht weitertraute, weil er fürchtete, sie könne auf ihn herabstürzen. So stand er still und wusste nicht, was er tun sollte. Dabei schien ihm seine Last immer schwerer zu werden. Er sah feurige Blitze aus dem Hügel fahren, die ihm Angst einjagten. Er fürchtete sich und zitterte, und Reue stieg in ihm auf, weil er Herrn Weltlichs Rat befolgt hatte. Da sah er Evangelist auf sich zukommen und schämte sich sehr.
Evangelist sah ihn zornig an.
»Was tust du hier, Christian?«, fragte er.
Christian blieb stumm. Er wusste nicht, wie er antworten sollte. »Bist du nicht der Mann, den ich jammernd vor den Mauern der Stadt Verderben fand?«
»Ja, guter Herr, ich bin der Mann.«
»Habe ich dir nicht den Weg zur engen Pforte gewiesen?«
»Ja, guter Herr.«
»Wie kommt es dann, dass du so bald abgewichen bist?«
»Als ich aus dem Sumpf der Hoffnungslosigkeit herausgekommen war, traf ich mit einem Herrn zusammen, der mir sagte, ich würde in der Stadt dort vor mir einen Mann finden, der mir die Bürde abnähme. […]
Ich glaubte ihm das und ging seinen Weg. Aber als ich hierherkam und sah, wie die Dinge wirklich sind, bekam ich Angst, und nun weiß ich nicht, was ich tun soll.«
»Bleib einen Augenblick stehen!«, befahl Evangelist, »damit ich dir Gottes Wort sagen kann.«
Zitternd blieb Christian stehen und Evangelist sprach das Wort: »Seht zu, dass ihr nicht den abweist, der redet. Denn wenn jene nicht entronnen sind, die den abwiesen, der auf Erden redete, wie viel weniger werden wir entrinnen, wenn wir den abweisen, der vom Himmel redet.« Und dies noch: »Mein Gerechter wird aus Glauben leben. Wenn er aber zurückweicht, hat meine Seele kein Gefallen an ihm.« Dies übertrug er sofort auf Christian: »Du bist der Mann, der in dieses Elend hineinläuft. Du hast schon angefangen, den Rat des Allerhöchsten zu verwerfen und deinen Fuß vom Weg des Friedens zurückzuziehen, und hast dich der Gefahr deines eigenen Untergangs ausgesetzt.«
Christian fiel wie vernichtet zu seinen Füßen nieder und rief: »Oh nein, nun ist mein Leben vorbei.«
Aber als Evangelist das sah, ergriff er ihn bei seiner rechten Hand und sprach: »Alle Sünde und Lästerung wird den Menschen vergeben. Sei nicht ungläubig, sondern gläubig.«
Das tröstete Christian sehr. Zitternd richtete er sich auf, als Evangelist fortfuhr:
»Achte nun mit größerem Ernst auf das, was ich dir jetzt sage: Du sollst wissen, wer es war, der dich verführt hat, und zu wem er dich geschickt hat: Der dir begegnete, heißt Weltlich. […] Der Rat dieses Mannes enthält drei Ziele, die du verwerfen musst: Er will dich vom richtigen Weg abbringen, will dir das Kreuz verhasst machen und dich dem Tod ausliefern. Wenn du seinem Rat folgst, dann heißt das den Rat Gottes verwerfen und den Rat eines Weltlichen annehmen. Der Herr sagt aber: ›Ringt darum, dass ihr durch die enge Pforte hineingeht‹ – das ist die Pforte, zu der ich dich sende – ›denn eng ist die Pforte und schmal der Weg, der zum Leben führt, und es sind wenige, die ihn finden.‹ Von dieser engen Pforte und dem Weg, der dahin führt, hat dich dieser gottlose Mann weggelockt und dich fast dem Verderben ausgeliefert. Lass es dir leid sein, dass ihm das gelungen ist und dass du auf ihn gehört hast. Du musst diesen Mann auch deshalb verabscheuen, weil er versucht hat, dir das Kreuz verhasst zu machen, das dir doch größerer Reichtum ist als alle Schätze Ägyptens. […] Drittens musst du den Mann hassen, weil er deinen Fuß auf einen Weg lenkte, der zum Tod führt. Und schließlich musst du dir klarmachen, zu wem er dich geschickt hat und wie unfähig jener ist, dir deine Last abzunehmen. Jener Mann, der Gesetzlich heißt, ist Sohn einer Magd, einer Sklavin, und auf geheimnisvolle Weise des Berges Sinai, von dem du gefürchtet hast, er könne dir auf den Kopf fallen. Wie kannst du erwarten, durch sie, die in Gefangenschaft geboren sind, befreit zu werden? Dieser Gesetzlich kann dir deine Last nicht nehmen. Noch nie ist ein Mensch durch ihn befreit worden. Durch die Werke des Gesetzes kann keiner seine Last loswerden. Dieser Herr Weltlich ist also ein Lügner und Herr Gesetzlich ein Betrüger. […] Glaube mir, hinter aller Angeberei dieser dummen Leute steckt nichts als der Plan, dich um dein Heil zu bringen, indem sie dich von dem Weg, auf den ich dich geführt habe, weglocken.«
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