Was uns den Senderwechsel schwer macht, ist die Tatsache, dass wir tief in Zeit und Leistung verstrickt sind. Angebote des Senders N°2 mit dem Namen Reduktion. Weitere Resultate dieser Senderwahl sind, dass wir unsere Ursprünge verneinen; unsere Empfangsbereitschaft für Sender N°1 mit Namen Ausdehnung abgelegt haben. Dass wir unsere Denkfähigkeit – genauer gesagt: unseren Intellekt – als einzige wahre Instanz anerkennen; dass wir das Denken über unsere Körperintelligenz, unser von Innen geleitetes Wissen – letztlich die Fähigkeit zu fühlen gestellt haben.
Wenn ich von Fühlen spreche, meine ich nicht reaktionsgeladene Emotionen. Da möchte ich gerne einen feinen Unterschied zu den Gefühlen machen, die vom Körper kommen. Die aus der Stille, dem Empfangen geboren sind. Die eine Beobachtung sind – Impulse aus dem Zusammenhang des großen Ganzen. Aus der einen Wahrheit, die das vereinte Wissen unserer Seelen repräsentiert. Das ist für mich wahre Intelligenz. Oder welche Worte würden Sie wählen für Dinge, die Sie »erahnt« haben? Was ist eine Ahnung, die sich nicht auf anerzogenes Wissen berufen kann, anderes, als ein Wissen ohne vorherige Bildung durch das Außen? Im Gegensatz zu Emotionen, die sich als Reaktionen auf Verletzungen, Erregungen oder Überschätzung durch Dritte aus dem Individuum ergießen, und sich nicht frei vom Außen entwickeln.
Kennen Sie das: Da rasten Sie in einem Moment vollkommen aus, und im nächsten fragen Sie sich: »Was war das denn«? Woher, glauben Sie, kommt das? Einfach aus dem Nichts? Oder wäre es möglich, dass Ihnen dieser Ausraster gegeben werden konnte, weil Sie an einer ungeheilten Verletzung oder ungestillten Erwartung festgehalten haben und damit Tür und Tor aufgerissen, Sie zu einem Berserker werden zu lassen? Das Abgeben Ihrer Verantwortung in allen Situationen ist eine Einladung an das Chaos und die Bequemlichkeit. Alles Angebote des Senders N°2. Warum ich die Sender mit N°1 und N°2 bezeichne? Simpel: zuerst waren wir eins. Das ist Programm auf dem Sender N°1. Dann kam die Trennung und damit die Sendung auf Kanal N°2.
Nur weil wir Erwachsenen schon »groß« sind, maßen wir uns an zu glauben, dass wir alles wissen, das Leben im Griff haben. Und dass die Kleinen nichts mitbekommen. Ein Glaubenssatz. Das Gegenteil ist der Fall. Das macht vielleicht die Angst aus, die uns immer wieder an der gemeinsamen Wahrheit zweifeln lässt. Die Kleinen sind die Kolumbusse und wir die Zweifler. Wir wollen alles erklärbar haben. Damit wir das Gefühl von Kontrolle und »Steuerbarkeit« oder wenigstens Kalkulierbarkeit aufrecht erhalten können. Die Angst davor, in unserer Reduktion auf das Erklärbare, Beweisbare, Nachvollziehbare entlarvt zu werden, ist zu groß. Wir wollen nicht dastehen und sagen müssen »Ich weiß es nicht. Da müsste ich mich mal zurücklehnen und zuhören, welche Antwort kommt.« Diese Blöße würden wir nicht verkraften. Die Blöße: das nackte Ehrlichsein, ist uns unangenehm, weil wir mit allem identifiziert sind. Mit unserem Wissen, unseren Emotionen, dem Ich. Dem identifizierten Geist, der seine Verantwortung innerhalb des großen Zusammenhangs ablehnt. Der manchmal eben schlicht keinen Bock hat. Der würde das nicht verkraften: das Zugeständnis, dass es da vielleicht mehr gibt, als der Verstand berechnen und erfassen kann. Nein! Wir haben doch schon so viel in diese Fähigkeit des Denkens investiert! Das würde sich nicht rechnen. Dann müssten wir ja mal anhalten und uns öffnen. Uns auf Empfangsbereitschaft für die Frequenz N° 1 bringen, statt immer nur selbst zu senden oder sich berieseln lassen zu wollen. Das ist nämlich das Versprechen, mit dem die meist gehörte Radiostation N°2 lockt: der Ruhm und die Identifikation. Auf dieser Frequenz bekommen wir das Gefühl vermittelt, dass wir selbst die Sender sind. Und das liebt der Geist. Die Seele hingegen ist losgelöst von alldem. Die braucht das nicht. Die weiß: Es gibt nur uns alle als großes Ganzes. Und bietet also ihren Beitrag dazu an.
»Kindermund tut Weisheit kund.« Das ist ein Spruch, den wir nicht ernst nehmen. Nicht, weil wir nicht können, sondern weil wir nicht wollen. Denn diese Sensibilität, die Welt auf einer anderen als der rationalisierten Ebene zu sehen zu wollen, haben wir kollektiv als wenigstens »zweitrangig«, wenn nicht gar als »nicht wert« abgeschüttelt. Wir setzen stattdessen lieber auf studiertes Wissen und verdrängen, was uns einst gewahr war. Was hier sichtbar wird ist, dass das Leistungsprinzip als oberstes Gebot akzeptiert wurde. Genau da liegt der Finger auf einer der Wunden unseres Miteinanders: Wir identifizieren uns über das Tun, nicht das Sein. Denn: etwas wissen, ohne zuvor etwas dafür getan zu haben?! Eine Unmöglichkeit in unserer durch schulische und hierarchische Strukturen geprägten Pyramide an Wichtigkeit. Kein Zeugnis = kein Können. Eine Mühle, die wir alle durchlaufen mussten. »Beweis erstmal, dass du was gelernt hast!«
Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich liebe das Leben. Und ich scheue keine Taten. Mein Tagesablauf ist prall gefüllt. Und es liegt mir fern, hier irgendwas oder irgendwen zu verurteilen oder das Leben schlecht zu reden. Im Gegenteil. Ich frage nur nach den Motivationen. Ich spreche aus der Perspektive der Wertschätzung und vor allem einem tiefen Verständnis für all das im Leben, was auch ich erfahrbar machen konnte. Ja, auch für die scheinbar unschönen Dinge. Es ist der Respekt vor dem freien Willen eines jeden Menschen. Die Perspektive der Akzeptanz einer Ordnung, die mir zu durchdringen mit dem Verstand definitiv nicht möglich ist. Aber spürbar ist sie. Es gibt tausend Ereignisse, die ich nicht gut finde, die wehtun, die erschrecken und verletzen. Sollen sie ja auch. Damit wir ihn ja nicht machen: den ersten Schritt …
Und auch das ist Teil von allem. Meine Aufgabe – oder unsere, wenn Sie sich schon jetzt anschließen möchten –, ist es, in dieser Ordnung unseren Platz zu finden. Immer wieder aufs Neue. Und dabei für die Werte einzustehen, die uns gewahr sind. So geht es mir eben auch schon in meinem winzig kleinen Leichtbau am 22. 02. 1979, als ich gegen 19 Uhr meinen ersten Schritt in dieses Leben gewagt habe. Mit all dem Wissen. Mit all der Verbundenheit. Und mit meiner Wahl der beiden Menschen, die ich mir für dieses Leben als Eltern ausgesucht habe. Ohne vorher jemanden dazu befragt zu haben, ohne Schulbildung, ohne Beweise, ohne Wissenschaft. Also ich jetzt. Zu diesem Zeitpunkt meiner Inkarnation. Meines Lebensbeginns als Christina Hecke. Einfach nur, weil ich bin. Und das für den Moment auch erstmal total erschöpft. Weil mir das alles um mich herum eben nicht entgangen ist. In diesem Gefühl bade ich, während ich mit meinen paartausend Gramm eingewickelt drauf warte, was meine nächsten Schritte – damals vielmehr noch Atemzüge – wohl bringen würden …
Kindertage:
Mädchen – joah.
Bübchen – boah!
Den ersten Schritt habe ich – so befinde ich – also zunächst ganz gut gemeistert. Aber einmal begonnen zu gehen, hört es ja nicht auf. Jedem Schritt folgt ein nächster. Einmal eingeatmet, geht das beständig weiter. Einatmen, Ausatmen, Einatmen, Ausatmen. Und mit jedem Atemzug werden wir aufgefordert zu entscheiden, welche Frequenz uns leiten soll. Dur oder Moll. Coole Hits oder konsequente Wahrheit. Und darunter schlägt unser Herz. Beständig und im Takt der Qualität unseres Lebens. Unserer Entscheidungen. Des Einatmens, also dem Tanken von Qualität, und dem Ausatmen, also dementsprechenden Handeln. Damit gehen wir unsere Schritte. Das ist das beständige Workout unseres freien Willens. Grundsätzlich verwenden wir den Begriff Workout für eine auf ein Ziel ausgerichtete Maßnahme. Also: was ist das Ziel dieses Trainings? Vielmehr die Frage: Wohin gehen wir denn? Das ist eine ziemlich gute Frage …
Читать дальше