Wir werden von zwei Kaperschoonern verfolgt, und da es uns nicht gelingt, ihnen zu entwischen, kommt es zu einem surchtbaren Kampf. — Drei Akte eines mörderischen See Dramas. — Wir ziehen den Kürzern. — Kapitän Weatherall fällt. — Ich werde geplündert und verwundet.
Ungefähr sechs Wochen nach der im vorigen Kapitel geschriebenen Unglücksgeschichte traf uns ein noch grösseres Missgeschick. Wir hatten vor dem spanischen Festland gekreuzt und mehrere Prisen genommen. Kurz nachdem wir die letzte derselben bemannt und fortgeschickt hatten, brach eine steife Bö los, und da die Rache damals gerade in Ufernähe lag, so sahen wir uns genöthigt, alles erforderliche Tuch auszuspannen, um vom Lande abzukommen. Wir mühten uns die ganze Nacht durch ab; als aber gegen Tagesanbruch der Sturm sich einigermassen legte, fanden wir, dass wir wegen der Strömung nicht viel hohe See gewonnen hatten. Noch wichtiger für uns war übrigens die Entdeckung des Auslugers auf der Stengenspitze, welcher zwei Segel ankündigte. Die Matrosen wurden unverweilt aufgeboten, um darauf Jagd zu machen; wir mussten aber bald finden, dass die beiden Fahrzeuge entschlossen auf uns abhielten, und als wir denselben näher kamen, stellte sich heraus, dass es zwei Kriegsschiffe waren. Eines davon kannten wir wohl — es war die Espérance, ein französischer Kaperschooner mit sechszehn Kanonen und 120 Mann; das andere erwies sich als einen spanischen Kaper, der in Gesellschaft mit dem Franzosen kreuzte und bei achtzehn Stück Geschütz eine volle Bemannung hatte.
Unsere ursprüngliche Anzahl hatte aus mehr als hundert Köpfen bestanden, die übrigens durch Todesfälle, schwere Verwundungen und Bemannung unserer Prisen auf fünfundfünfzig kampftüchtiger Leute zusammengeschmolzen waren. Einer so weit überlegenen Streitkraft gegenüber boten wir aller unserer Segel und Ruderkraft auf, um zu entwischen; da aber das Land leewärts von uns lag, und der Feind windwärts stand, so war dies unmöglich. Aus der Noth eine Tugend machend, nahmen wir also die Sache wie wir mussten, und schickten uns zu dem verzweifelt ungleichen Kampfe an.
Kapitän Weatherall, der das Leben und die Seele seiner Mannschaft war, liess es in solcher Bedrängniss an nichts fehlen. Mit der grössten Ruhe und Unerschrockenheit ertheilte er Befehl, alle kleinen Segel einzuziehen, und erwartete die Ankunft des Feindes. Sobald alles zum Gefecht bereit war, versammelte er die gesammte Mannschaft im Hinterschiff und gab sich Mühe, uns das gleiche Feuer einzuflössen, das ihn selbst beseelte. Er erinnerte uns daran, wie oft wir über viel stärkere Schiffe, als unser eigenes war, den Sieg davon getragen — dass wir den französischen Kaper bereits bei einer früheren Gelegenheit abgeschlagen, dass der Spanier durchaus nicht in Betracht komme, als wenn es gelte, die Verdienste des Doppelsiegs zu erhöhen, und dass unsere Stutzsäbel bald unsere Ueberlegenheit beweisen würden, wenn es einmal zum Handgemenge käme. Zugleich machte er uns darauf aufmerksam, dass unser Heil blos von unserer Mannhaftigkeit abhänge; denn wir hätten die Küste so schwer misshandelt und unser kürzlicher Angriff auf die Pflanzung werde in einem so gehässigen Lichte betrachtet, dass wir im Fall der Niederlage durchaus nicht auf Schonung zählen dürften. Dagegen könne er uns, wenn wir uns wacker hielten und wie Männer kämpften, einen sichern Sieg versprechen. Die Matrosen hatten so grosses Vertrauen in den Kapitän, dass seine Anrede mit drei Hurrah’s erwiedert wurde; dann kommandirte er uns auf unsere Posten, liess das St. Georgs-Wimpel nach der Stengenspitze des Hauptmastes aufziehen und legte für den Feind bei.
Der französische Schooner war der erste, der Seite gegen Seite neben uns auffuhr; er steuerte unter leichtem Winde nach uns herunter. Der Kapitän breiete uns zu, dass sein Schiff die Espérance sei, worauf unser Kapitän erwiederte, man melde ihm nichts Unbekanntes; auch ihnen werde bekannt sein, dass sein Schooner die Rache sei. Der französische Kapitän, welcher beigelegt hatte, antwortete sehr höflich, er wisse wohl mit welchem Schiff er zu thun habe; auch sei ihm die Tapferkeit und der ausgezeichnete Ruf des Kapitäns Weatherall nichts Neues. Unser Kapitän, der auf dem Schanddeck stand, nahm zu Anerkennung dieses Kompliments den Hut ab.
Kapitän Weatherall war also bekannt, und die beiden Schiffe konnten deshalb wohl wissen, dass sie einen scharfen Widerstand zu befahren hatten, den sie füglicherweise vermeiden konnten; denn wenn sie auch siegten, so konnten sie nichts als einen grossen Verlust an Mannschaft erholen. Der französische Kapitän redete daher Kapitän Weatherall abermals an und drückte seine Hoffnung aus, nun er einen so weit überlegenen Feind vor sich habe, werde er sich wohl auf keinen nutzlosen Widerstand einlassen wollen; unter obwaltenden Umständen könne ihm die Uebergabe nicht zur Schande gereichen, und da er dadurch das Leben vieler seiner tapferen Leute schone, so werde ihn seine bekannte Menschlichkeit wohl veranlassen, die Flagge zu streichen.
Dieses Ansinnen wies unser Befehlshaber mit ritterlicher Entschiedenheit zurück. Die Schiffe lagen jetzt so nahe beisammen, dass man einen Zwieback von einem Bord an den andern hätte werfen können. Es folgten nun noch weitere wohlgemeinte Vorstellungen, welche anhielten, bis das spanische Schiff in kurzer Entfernung von unserem Sterne stand.
„Ihr seht unsere Ueberlegenheit,“ sagte der französische Kapitän. „Versucht nicht den Kampf gegen das Unmögliche, sondern schont das Leben Eurer tapfern Leute, die Ihr andernfalls nutzlos in den Tod jagt.“
„Um Eure freundliche Gesinnung gegen mich zu erwidern,“ entgegnete der Kapitän Weatherall, „biete ich euch beiden Pardon an; auch will ich alles Privateigenthum respektiren, wenn Ihr unverweilt Eure Flagge streicht.
„Seid Ihr von Sinnen, Kapitän Weatherall?“ rief der französische Kapitän.
„Ihr gebt zu, dass ich mein Leben als ein Tapferer verbracht habe,“ versetzte Kapitän Weatherall, „und deshalb will ich Euch zeigen, dass ich Euch besiegen oder im Nothfalle auch als ein Tapferer sterben kann. Wohlan, zum Gefecht! Höflichkeitshalber biete ich Euch die erste Salve an.“
„Unmöglich,“ entgegnete der französische Kapitän, indem er seinen Hut abnahm.
Unser Kapitän erwiderte den Gruss, worauf er über das Schanddeck hinunterglitt und Befehl zu Füllung der Segel ertheilte. Nachdem er dem Franzosen eine Minute Zeit zur Vorbereitung gelassen, feuerte er das Gewehr, das er in der Hand hielt, in die Luft und gab damit das Zeichen zum Beginn des Gefechts. Wir eröffneten unverzüglich das Werk des Todes, indem wir eine Breitseite donnern liessen. Das Kompliment wurde in demselben Geiste erwidert, und mehrere Minuten lang dauerte die Kanonade wüthend fort; mittlerweile aber fuhr der Spanier, der sein Takelwerk voll Mannschaft hatte, an unserer Leevierung auf, um zu entern. Wir klappten unser Steuer luvwärts und holten unsere Fockschoten in den Wind, so dass wir quer von seiner Klüse abfielen und ihn vorn und hinten mit mehreren vollen Lagen bestreichen konnten. Unsere Kanonen waren mit Kartätschen und Bleikugeln geladen; da nun die Mannschaft des Spaniers vorn zu Hauf stand, um zu uns an Bord springen zu können, so gewann jetzt sein Deck ganz das Aussehen eines Schlachthauses. Die Offiziere bemühten sich vergeblich, ihre Leute zu ermuthigen; denn diese waren durch das Gemetzel so eingeschüchtert, dass sie, statt es auf unsere Decken abzuheben, sogar ihrer eigenen vergassen. Der Franzose bemerkte die Noth und Bestürzung seines Kameraden, weshalb er, um demselben Gelegenheit zu geben, sich aus seiner gefährlichen Lage zu winden, sein Steuer leewärts stellte, zu uns an Bord lief, und seine Leute über uns ausgoss; wir waren übrigens gut vorbereitet und hatten unsere Decken bald von den Eindringlingen gesäubert. Mittlerweile war der Spanier, dessen Bugspriet sich in unser Takelwerk verwirrt hatte, durch Kappen des letzteren wieder losgekommen, und fiel leewärts ab. Als der Franzose dies bemerkte, schor er ab, lief in den Wind und schoss uns voraus. Dies war der erste Akt dieses schrecklichen Drama’s. Bis jetzt hatten wir noch wenig Schaden erlitten, da wir durch die Ungeschicklichkeit des Feindes sowohl, als durch unser eigenes gutes Glück in die Lage gesetzt worden waren, die unvortheilhafte Lage unserer Gegner in bester Weise zu benützen.
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