Der ganze Hergang jener bedeutungsvollsten Verrichtung, der Fortpflanzung der Art, ist bei den Säugethieren in auffallender Weise derselbe, von dem ersten Acte der Werbung des Männchens an 13bis zu der Geburt und der Ernährung der Jungen. Die Affen werden in einem fast genau so hülflosen Zustande geboren wie unsere eigenen Kinder; und in gewissen Gattungen weichen die Jungen in ihrem Aussehen von den Erwachsenen genau so viel ab, wie menschliche Kinder von ihren erwachsenen Eltern. 14Einige Schriftsteller haben als einen wichtigen Unterschied hervorgehoben, daß beim Menschen die Jungen in einem viel späteren Alter zur Reife gelangen, als bei irgend einem anderen Thiere. Wenn wir aber einen Blick auf die Menschenrassen werfen, welche tropische Länder bewohnen, so ist der Unterschied nicht groß. Denn der Orang wird, wie man annimmt, nicht vor einem Alter von 10 bis 15 Jahren reif. 15Der Mann weicht von der Frau in der großen Körperkraft, in dem Behaartsein u. s. w., ebenso wie in Bezug auf den Geist, in derselben Weise ab, wie die beiden Geschlechter vieler Säugethiere von einander abweichen. Es ist überhaupt die Übereinstimmung im allgemeinen Bau, in der feinen Structur der Gewebe, in der chemischen Zusammensetzung und in der Constitution zwischen dem Menschen und den höheren Thieren. besonders den anthropomorphen Affen eine äußerst enge.
Embryonale Entwicklung . – Der Mensch entwickelt sich aus einem Eichen von ungefähr 1/125 Zoll (0,2 mm) im Durchmesser, welches in keiner Hinsicht von den Eichen anderer Thiere abweicht. Der Embryo selbst kann auf einer frühen Stufe kaum von dem anderer Glieder des Wirbelthierreichs unterschieden werden. Auf dieser Periode verlaufen die Halsarterien in bogenförmigen Ästen, als wenn sie das Blut zu Kiemen brächten, welche bei den höheren Wirbelthieren nicht vorhanden sind; doch sind die Spalten an den Seiten des Halses noch vorhanden (Fig. I, f. g. ) und geben die frühere Stellung jener an. Auf einer etwas späteren Periode, wenn sich die Gliedmaßen entwickeln, entstehen, wie der berühmte v. Baer bemerkt, die Füße von Eidechsen und Säugethieren, die Flügel und Füße der Vögel und ebenso die Hände und Füße des Menschen sämmtlich aus derselben Grundform. »Erst auf späteren Entwicklungsstufen«, sagt Professor Huxley , 16»bietet das junge menschliche Wesen deutliche Verschiedenheiten von dem jungen Affen dar, welcher letztere ebenso weit vom Hunde in seiner Entwicklung abweicht, wie es der Mensch thut. So auffallend diese letztere Behauptung zu sein scheint, so ist sie doch nachweisbar richtig.«
Da manche meiner Leser vielleicht noch niemals die Abbildung eines Embryo gesehen haben, habe ich umstehend eine solche von einem Menschen und eine andere vom Hunde von ungefähr derselben Entwicklungsstufe gegeben, beide Copien nach zwei Werken von zweifelloser Genauigkeit.
Fig. 1. Die obere Figur ist ein menschlicher Embryo nach Ecker , die untere der eines Hundes nach Bischoff . a) Vorderhirn, Großhirnhemisphaeren etc. b) Mittelhirn, Vierhügel. c) Hinterhirn, Kleinhirn, verlängertes Mark. d) Auge. e) Ohr. f) Erster Visceralbogen. g) Zweiter Visceralbogen. H) Wirbelsäule und Muskelmasse. i) Vordere Gliedmaßen. K) Hintere Gliedmaßen. L) Schwanz oder Coccyx. 17
Nach den vorstehenden, auf Grund so bedeutender Autoritäten mitgetheilten Angaben würde es meinerseits überflüssig sein, noch eine Anzahl weiterer entlehnter Einzelnheiten zu geben, um zu zeigen, daß der Embryo des Menschen streng dem anderer Säugethiere gleicht. Es mag indeß noch hinzugefügt werden, daß der menschliche Embryo in verschiedenen Punkten seiner Bildung gleichfalls gewissen niederen Formen in deren erwachsenem Zustande ähnlich ist. So ist z. B. das Herz zuerst einfach ein pulsierendes Gefäß, die Excremente werden durch eine Kloake entleert, und das Schwanzbein springt wie ein wahrer Schwanz vor, indem es sich beträchtlich »jenseits der rudimentären Beine« verlängert. 18Bei den Embryonen aller luftathmenden Wirbelthiere entsprechen gewisse Drüsen, die sogenannten Wolffschen Körper, den Nieren erwachsener Fische und fungieren auch wie diese. 19Selbst in einer späteren embryonalen Periode lassen sich einige auffallende Übereinstimmungen zwischen dem Menschen und den niederen Thieren beobachten. Bischoff sagt, daß die Gehirnwindungen eines menschlichen Foetus vom Ende des siebenten Monats ungefähr die Entwicklungsstufe erreichen, welche ein erwachsener Pavian zeigt. 20Wie Professor Owen bemerkt, 21»ist die große Zehe, welche beim Stehen oder Gehen den Stützpunkt bildet, vielleicht die charakteristischste Eigenthümlichkeit des menschlichen Bau's«. Aber bei einem Embryo von ungefähr einem Zoll Länge fand Professor Wymanen , 22»daß die große Zehe kürzer als die anderen und, statt dies parallel zu sein, unter einem Winkel von dem Fußrande vorsprang und daher mit dem bleibenden Zustande dieses Theils bei den Affen übereinstimmte.« Ich will mit der Anführung einer Stelle von Huxley schließen, 23welcher fragt, ob der Mensch in einer vom Hund, Vogel, Frosch oder Fisch verschiedenen Weise entstehe, und dann sagt: »die Antwort kann nicht einen Augenblick zweifelhaft sein, die Ursprungsweise und die frühen Entwicklungsstufen des Menschen sind mit denen der in dem Thierreiche unmittelbar unter ihm stehenden Formen identisch. Ohne allen Zweifel steht er in diesen Beziehungen den Affen viel näher, als die Affen dem Hunde stehen.«
Rudimente . – Obgleich dieser Gegenstand nicht von wesentlich größerer Bedeutung ist als die beiden letzterwähnten, so soll er doch aus mehreren Gründen hier mit größerer Ausführlichkeit behandelt werden. 24Es läßt sich nicht eines der höheren Thiere anführen, welches nicht irgend einen Theil in einem rudimentären Zustande besäße, und der Mensch bietet keine Ausnahme von dieser Regel dar. Rudimentäre Organe müssen von solchen unterschieden werden, welche auf dem Wege der Bildung sind, obschon in manchen Fällen die Unterscheidung nicht leicht ist. Die ersteren sind entweder absolut nutzlos, wie die Zitzen der männlichen Säugethiere oder die oberen Schneidezähne von Wiederkäuern, welche niemals das Zahnfleisch durchschneiden, oder sie sind von so untergeordnetem Nutzen für ihren jetzigen Besitzer, daß wir nicht annehmen können, sie hätten sich unter den jetzt existierenden Bedingungen entwickelt. Organe in diesem letzteren Zustand sind nicht streng genommen rudimentär, sie neigen aber nach dieser Richtung hin. Andererseits sind in der Bildung begriffene Organe, wenn auch noch nicht völlig entwickelt, für ihre Besitzer von großem Nutzen und weiterer Entwicklung fähig. Rudimentäre Organe sind äußerst variabel, und dies läßt sich zum Theil daraus verstehen, daß sie nutzlos oder nahezu nutzlos sind und in Folge dessen nicht länger mehr der natürlichen Zuchtwahl unterliegen. Sie werden oft vollständig unterdrückt. Wenn dies eintritt, können sie nichtsdestoweniger gelegentlich durch Rückschlag wiedererscheinen, und dies ist ein der Aufmerksamkeit wohl werther Umstand.
Nichtgebrauch während derjenigen Lebensperiode, in welcher ein Organ sonst hauptsächlich gebraucht wird, und dies ist meist während der Reifezeit der Fall, in Verbindung mit Vererbung auf einem entsprechenden Lebensalter scheinen die hauptsächlichsten Ursachen gewesen zu sein, welche das Rudimentärwerden der Organe veranlaßten. Der Ausdruck »Nichtgebrauch« bezieht sich nicht bloß auf die verringerte Thätigkeit der Muskeln, sondern umfaßt auch einen verminderten Zufluß von Blut nach einem Theile oder Organe hin; entweder weil dasselbe weniger Änderungen des Druckes ausgesetzt ist, oder weil es in irgendwelcher Weise weniger gewohnheitsgemäß thätig ist. Es können indessen Rudimente von Theilen in dem einen Geschlecht auftreten, welche im anderen Geschlecht normal vorhanden sind; und solche Rudimente sind, wie wir später sehen werden, oft in einer von der oben erwähnten verschiedenen Art entstanden. In manchen Fällen sind Organe durch natürliche Zuchtwahl verkümmert, weil sie der Art unter einer veränderten Lebensweise nachtheilig geworden sind. Der Prozeß der Verkümmerung wird wahrscheinlich oft durch die beiden Principe der Compensation und Ökonomie des Wachsthums unterstützt; aber die letzten Stufen der Verkümmerung. – wenn nämlich der Nichtgebrauch Alles, was ihm einigermaßen zugeschrieben werden kann, vollbracht hat. und sobald die durch die Ökonomie des Wachsthums bewirkte Ersparnis sehr klein sein würde 25–, sind nur schwer zu erklären. Die endliche und vollständige Unterdrückung eines Theils, welcher bereits nutzlos und in der Größe sehr verkümmert ist, in welchem Falle weder Compensation noch Ökonomie des Wachsthums in's Spiel kommen können, läßt sich vielleicht mit Hülfe der Hypothese der Pangenesis verstehen und, wie es scheint, auf keine andere Weise. Da indeß der ganze Gegenstand der rudimentären Organe in meinen früheren Werken 26ausführlich erläutert und erörtert worden ist, brauche ich hier über dieses Capitel nichts mehr zu sagen.
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