Warum die jetzt für die Sprache benutzten Organe ursprünglich schon zu diesem Zweck vervollkommnet sein sollten, und zwar eher als irgend andere Organe, ist nicht schwer einzusehen. Ameisen haben ein ziemlich beträchtliches Vermögen, sich mit Hülfe ihrer Antennen unter einander verständlich zu machen, wie Huber gezeigt hat, welcher ein ganzes Capitel der Sprache der Ameisen widmet. Wir könnten auch unsere Finger als passende Hülfsmittel benutzt haben, denn eine hierin geübte Person kann einem Tauben jedes Wort einer in einer öffentlichen Versammlung schnell gehaltenen Rede auf diese Weise mittheilen; der Verlust unserer Hände würde aber bei einem solchen Gebrauche eine sehr bedenkliche Störung gewesen sein. Da alle höheren Säugethiere Stimmorgane besitzen, welche nach demselben allgemeinen Plan wie die unseren gebaut sind und welche als Mittel der Mittheilung benutzt werden, so war es offenbar wahrscheinlich, daß, wenn das Vermögen der Mittheilung weiter entwickelt werden sollte, diese selben Organe noch weiter entwickelt werden würden; und dies ist durch Zuhülfenahme der benachbarten und gut angepaßten Theile bewirkt worden, nämlich der Zunge und der Lippen. 219Die Thatsache, daß die höheren Affen ihre Stimmorgane nicht zur Sprache benutzen, erklärt sich ohne Zweifel dadurch, daß ihre Intelligenz nicht hinreichend entwickelt worden ist. Der Umstand, daß sie dieselben Organe besitzen, welche bei lange fortgesetzter Übung zur Sprache hätten benutzt werden können, obschon sie sie nicht in dieser Weise benutzen, ist dem Falle parallel, daß viele Vögel, welche Singorgane besitzen, trotzdem doch niemals singen. So haben die Nachtigall und die Krähe ähnlich gebaute Stimmorgane; die Erstere benutzt dieselben zu mannichfaltigem Gesänge, die Letztere nur zum Krächzen. 220Wenn man fragt, warum der Intellect der Affen nicht in demselben Grade entwickelt ist wie der des Menschen, so kann die Antwort nur die Bezeichnung allgemeiner Ursachen enthalten. Bedenkt man unsere Unwissenheit in Bezug auf die aufeinanderfolgenden Entwicklungsstufen, welche jedes Wesen durchlaufen hat, so ist es unverständig, irgend eine bestimmtere Antwort zu erwarten.
Die Bildung verschiedener Sprachen und verschiedener Species und die Beweise, daß beide durch einen stufenweise fortschreitenden Gang entwickelt worden sind, beruhen auf in merkwürdiger Weise gleichen Grundlagen. 221Wir können aber den Ursprung vieler Wörter weiter zurück verfolgen, als den Ursprung der Arten, denn wir können wahrnehmen, wie sie factisch aus der Nachahmung verschiedener Laute entstanden sind. In verschiedenen Sprachen finden wir auffallende Homologien, welche Folgen der Gemeinsamkeit der Abstammung sind, und Analogien, welche Folgen eines ähnlichen Bildungsprocesses sind. Die Art und Weise, in welcher gewisse Buchstaben oder Laute abändern, wenn andere abändern, erinnert sehr an Correlation des Wachsthums; wir finden in beiden Fällen Verdoppelung von Theilen, die Wirkung lange fortgesetzten Gebrauchs u. s. w. Das häufige Vorkommen von Rudimenten sowohl bei Sprachen als bei Species ist noch merkwürdiger. Der Buchstabe m in dem englischen Worte » am « bedeutete »ich«, so daß in dem Ausdruck I am ein überflüssiges und nutzloses Rudiment beibehalten worden ist. Auch beim Schreiben von Wörtern werden oft Buchstaben als Rudimente älterer Formen der Aussprache beibehalten. Sprachen können wie organische Wesen in Gruppen classificiert werden, die anderen Gruppen untergeordnet sind, und man kann sie entweder natürlich nach ihrer Abstammung oder künstlich nach anderen Charakteren classificieren. Herrschende Sprachen und Dialecte verbreiten sich weit und führen allmählich zur Ausrottung anderer Sprachen. Ist eine Sprache einmal ausgestorben, so erscheint sie, wie Sir. C. Lyell bemerkt, gleich einer Species niemals wieder. Ein und dieselbe Sprache hat nie zwei Geburtsstätten. Verschiedene Sprachen können sich kreuzen oder mit einander verschmelzen. 222Wir sehen in jeder Sprache Variabilität, und neue Wörter tauchen beständig auf; da es aber für das Erinnerungsvermögen eine Grenze giebt, so sterben einzelne Wörter, wie ganze Sprachen allmählich ganz aus. Max Müller 223hat sehr richtig bemerkt: »in jeder Sprache findet beständig ein Kampf um's Dasein zwischen den Wörtern und grammatischen Formen statt: die besseren, kürzeren, leichteren Formen erlangen beständig die Oberhand, und sie verdanken ihren Erfolg ihrer eigenen inhärenten Kraft«. Diesen wichtigeren Ursachen des Überlebens gewisser Wörter läßt sich auch noch die bloße Neuheit und Mode hinzufügen; denn in dem Geiste aller Menschen besteht eine starke Vorliebe für unbedeutende Veränderungen in allen Dingen. Das Überleben oder die Beibehaltung gewisser begünstigter Wörter in dem Kampfe um's Dasein ist natürliche Zuchtwahl.
Die vollkommen regelmäßige und wunderbar complexe Construction der Sprachen vieler barbarischer Nationen ist oft als ein Beweis entweder des göttlichen Ursprungs dieser Sprachen, oder des hohen Culturzustandes und der früheren Civilisation ihrer Begründer vorgebracht worden. So schreibt Friedrich von Schlegel : »wir beobachten häufig bei den Sprachen, welche auf der niedrigsten Stufe intellectueller Cultur zu stehen scheinen, einen sehr hohen und ausgebildeten Grad in der Kunst ihrer grammatischen Structur. Dies ist besonders der Fall bei dem Baskischen und Lappländischen und bei vielen der amerikanischen Sprachen«. 224Es ist aber zuverlässig ein Irrthum, von irgend einer Sprache als einer Kunst zu sprechen, in dem Sinne, als sei sie mit Mühe und Methode ausgearbeitet worden. Die Philologen geben jetzt zu, daß Conjugationen, Declinationen u. s. f. ursprünglich als verschiedene Wörter existierten, die später mit einander vereinigt wurden; und da solche Wörter die augenfälligsten Beziehungen zwischen Objecten und Personen ausdrückten, so ist nicht zu verwundern, daß sie von Menschen der meisten Rassen während der frühesten Zeit benutzt worden sind. Was die Vervollkommnung betrifft, so wird die folgende Erläuterung am besten zeigen, wie leicht man irren kann: Ein Crinoide besteht zuweilen aus nicht weniger als 150 000 Schalenstückchen, 225welche alle vollständig symmetrisch in strahlenförmigen Linien angeordnet sind; aber ein Naturforscher hält ein Thier dieser Art nicht für vollkommener als ein seitlich symmetrisches mit vergleichsweise wenigen Theilen, von denen keine einander gleichen mit Ausnahme der auf den entgegengesetzten Seiten des Körpers befindlichen. Er betrachtet mit Recht die Differenzierung und Specialisierung der Organe als den Prüfstein der Vervollkommnung. So sollte man, was die Sprachen betrifft, die am meisten symmetrischen und compliciertesten nicht über die unregelmäßigen, abgekürzten und verbastardierten Sprachen stellen, welche ausdrucksvolle Worte und zweckmäßige Formen der Construction von verschiedenen erobernden oder eroberten oder einwandernden Rassen sich angeeignet haben.
Aus diesen wenigen und unvollständigen Betrachtungen schließe ich, daß die äußerst complicierte und regelmäßige Construction vieler barbarischer Sprachen kein Beweis dafür ist, daß sie ihren Ursprung einem besonderen Schöpfungsacte 226verdanken. Auch bietet, wie wir gesehen haben, die Fähigkeit articulierter Sprache an sich kein unübersteigliches Hindernis für den Glauben dar, daß der Mensch sich aus irgendwelcher niederen Form entwickelt hat.
Fußnote
198Mr. Hookham in einem Briefe an Prof. Max Müller in den »Birmingham News«, May, 1873.
199Vorlesungen über die Darwin'sche Theorie, p. 190.
200The Rev. Dr. J. M'Cann , Anti-Darwinism. 1869, p. 13.
201Citiert in der Anthropological Review. 1864, p. 158.
202 Rengger a. a. O. p. 45.
203s. mein Buch »Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication«. 2. Aufl. Bd. I, p. 28.
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