– Welch glücklicher Zufall führt Sie hierher?
– Kein Zufall, sondern der Wunsch Sie zu sehen. Ein unbestimmtes Gefühl treibt mich zu Ihnen, ich weiß selbst nicht warum. Ich wollte Ihnen nichts sagen. Ich bin gekommen und da bin ich! Entschuldigen Sie den frühen Besuch und daß ich das so offen sage.
Er hatte dabei einen schnarrenden, galanten Ton angeschlagen, ein Lächeln auf den Lippen und Ernst in der Stimme.
Sie war sehr erstaunt, errötete und stammelte:
– Ja .. ich begreife aber nicht! Ich .. bin sehr erstaunt!
Er fügte hinzu:
– Es ist eine ernste Erklärung, nur in heiterm Tone, damit Sie nicht erschrecken sollen.
Sie hatten sich neben einander gesetzt. Sie nahm die Sache von der scherzhaften Seite.
– Eine ernste Auseinandersetzung?
– Gewiß, ich wollte Ihnen das schon lange, sehr lange sogar schon sagen, aber ich wagte es nicht. Es heißt, Sie wären so ernst und streng.
Sie hatte ihre Sicherheit wieder gewonnen und antwortete:
– Warum sind Sie heute gekommen?
– Ich weiß nicht! – Dann senkte er die Stimme: – Oder vielmehr, weil ich seit gestern immer an Sie denken muß!
Sie stammelte und erblaßte dabei:
– Ach jetzt wollen wir nicht mehr scherzen, reden wir von etwas anderem.
Aber er war so plötzlich ihr zu Füßen gefallen, daß sie erschrak. Sie wollte aufstehen, doch er hielt sie mit beiden Armen, die er um ihre Taille geschlungen, auf dem Sitz zurück und wiederholte in leidenschaftlichem Tone:
– Ja, wahrhaftig ich liebe Sie, liebe Sie seit lange, rasend. Antworten Sie mir nicht. Ach es ist ja verrückt! Ich liebe Sie, wenn Sie wüßten, wie ich Sie liebe!
Sie rang nach Atem, versuchte zu sprechen, aber brachte kein Wort heraus. Mit beiden Händen stieß sie ihn zurück, indem sie ihn bei den Haaren packte, um die Annäherung seines Mundes, der, wie sie fühlte, sich dem ihrigen näherte, zu verhindern, und drehte den Kopf von rechts nach links, von links nach rechts, hastig hin und her mit geschlossenen Augen, um nichts zu sehen.
Er betastete sie durch das Kleid hindurch und befühlte sie; und sie ward schwach unter dieser rohen, aufdringlichen Liebkosung. Plötzlich stand er auf und wollte sie umarmen, aber einen Augenblick frei geworden, war sie sofort entflohen, indem sie sich zurückwarf und entwich von Stuhl zu Stuhl.
Er fand nun diese Verfolgung lächerlich und ließ sich in einen Stuhl fallen, das Gesicht in den Händen indem er wie im Krampf schluchzte.
Dann erhob er sich und rief:
– Leben Sie wohl, Leben Sie wohl! – Und er entfloh.
Im Flur nahm er ganz ruhig seinen Stock und sagte sich, indem er hinab ging: – Donnerwetter nochmal, ich glaube die habe ich!
Er ging auf das nächste Postamt, um Clotilde ein Stadttelegramm zu schicken, das sie für den folgenden Tag zum Stelldichein bestellte.
Als er zur gewöhnlichen Zeit heimkehrte, sagte er zu seiner Frau:
– Nun hast Du Dein Diner beisammen?
Sie antwortete:
– Nur Frau Walter weiß noch nicht bestimmt, ob sie kann, sie zögerte, sie hat mir von irgend was erzählt, von Verpflichtungen und Gewissen, sie machte einen sehr komischen Eindruck. Aber, ich denke sie kommt trotzdem.
Er zuckte die Achseln:
– Ach was, sie wird schon kommen. – Aber er war seiner Sache doch nicht sicher, und bis zum Tag des Diners war er sehr unruhig.
Magdalene erhielt am Morgen selbst noch ein Paar Zeilen von der Frau des Chefs:
»Ich habe mich mit vieler Mühe frei gemacht und komme, mein Mann ist aber leider verhindert.«
Du Roy dachte: »Das hab ich verflucht schlau gemacht, nicht wieder hinzugehen, jetzt ist sie beruhigt, nun aber die Ohren steif gehalten.«
Aber er war doch etwas unruhig, wie sie sein würde. Sie erschien, sehr ruhig, etwas kühl, von oben herab. Er kam ihr sehr ergeben und diskret entgegen.
Frau Laroche-Mathieu und Frau Rissolin begleiteten ihre Männer; die Vicomtesse von Percemur erzählte allerlei aus der großen Welt. Frau von Marelle sah reizend aus in einem seltsam fantastischen Kleid, schwarz und gelb, einem spanischen Kostüm, das ihre hübsche Figur, ihre Büste und ihre runden Arme vorteilhaft hob und ihrem Vogelköpfchen etwas Energisches verlieh.
Du Roy hatte Frau Walter rechts neben sich gesetzt und sprach während des Diners nur von ernsten Dingen mit übertriebenem Respekt. Ab und zu sah er Clotilde an. »Sie ist wirklich hübscher und frischer,« dachte er. Dann glitt sein Blick zu seiner Frau, die er auch nicht übel fand, obgleich er gegen sie eine stille hartnäckige, bösartige Wut behalten hatte.
Aber die Frau des Chefs regte ihn auf wegen der Schwierigkeit, sie zu erobern und weil sie etwas Neues war, und das lieben alle Männer.
Sie wollte zeitig heimkehren. – Ich werde Sie nach Hause bringen, sagte er.
Sie wünschte es nicht. Aber er bestand darauf:
– Warum wollen Sie nicht? Das verletzt mich wirklich, ich kann doch gar nicht glauben, daß Sie mir nicht verziehen hätten. Sie sehen, ich bin ganz ruhig.
– Sie können doch Ihre übrigen Gäste nicht im Stiche lassen.
Er lächelte:
– Ach was, zwanzig Minuten bleibe ich weg, das merkt kein Mensch. Wenn Sie mir das abschlagen, bin ich aufs Tiefste verletzt.
Sie flüsterte:
– Gut, ich nehme an.
Aber sobald sie im Wagen saßen, nahm er ihre Hand und küßte sie leidenschaftlich:
– Ich liebe Sie. Ich liebe Sie. Ich liebe Sie, das darf ich Ihnen doch sagen? Ich thue Ihnen nichts. Ich sage Ihnen nur, daß ich Sie liebe.
Sie stammelte:
– Aber, das ist schlecht, nach allem, was Sie mir versprochen haben.
Er that, als nähme er sich auf das Äußerste zusammen, dann begann er mit verhaltener Stimme:
– Sehen Sie, wie ich mich beherrsche und dennoch …. ich möchte Ihnen bloß eins sagen ….. ich liebe Sie, und das möchte ich Ihnen jeden Tag wiederholen …… lassen Sie mich bei Ihnen nur fünf Minuten Ihnen zu Füßen liegen und in Ihr geliebtes Antlitz blicken und immer nur die drei Worte wiederholen …..
Sie hatte ihm ihre Hand überlassen und antwortete stammelnd:
– Nein, ich kann nicht, ich will nicht. Denken Sie doch, was man reden würde. Denken Sie, meine Leute, meine Töchter, nein, das ist ganz unmöglich.
Er begann von neuem:
– Ich kann ohne Sie nicht mehr leben. Ob ich Sie in Ihrem Hause sehe oder wo anders ist mir gleich, ich muß Sie nur sehen und wär’s täglich bloß eine Minute. Ich muß Ihre Hand fühlen, ich muß sehen wie Sie atmen, die Linien Ihres Körpers betrachten und Ihre großen schönen Augen, die mich wahnsinnig machen.
Sie hörte zitternd diese banalen Liebesredensarten an und stammelte:
– Nein, nein, das ist unmöglich, schweigen Sie.
Ganz leise flüsterte er ihr ins Ohr. Er begriff, daß er diese Frau ganz allmählich einfangen mußte. Diese einfache Frau mußte er dahin bringen, ihm ein Stelldichein zu geben. Zuerst wo sie wollte, dann wo es ihm paßte:
– Hören Sie, es muß sein .. ich werde Sie sehen .. ich werde an Ihrer Thür auf Sie warten .. wie ein Bettler, und wenn Sie nicht zu mir herab kommen, komme ich zu Ihnen hinauf. Aber ich werde Sie sehen .. ich werde Sie sehen .. morgen.
Sie wiederholte:
– Nein, nein, kommen Sie nicht. Ich nehme Sie nicht an. Denken Sie an meine Töchter!
– Dann sagen Sie mir, wo ich Sie treffen kann, auf der Straße oder irgendwo, ganz gleich wo. Zu jeder Stunde, wenn Sie wollen. Ich muß Sie nur sehen, Sie grüßen, Ihnen sagen »ich liebe Sie« und dann gehe ich davon.
Sie zögerte, ganz hingerissen; und als der Wagen bei ihr vorfuhr, flüsterte sie schnell:
– Gut, morgen um halb vier gehe ich in die Dreifaltigkeitskirche.
Als sie dann ausgestiegen war, rief sie ihrem Kutscher zu:
– Fahren Sie Herrn Duroy zu seiner Wohnung. Als er zurückkam fragte ihn seine Frau:
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