Mit ihren großen süßen Augen sah sie ihn an und bat nochmals:
– Ach bitte, bleiben Sie doch .. Herr .. Herr .. Liebling, wir brauchen Sie.
Er antwortete:
– Gnädige Frau, ich gehorche Ihnen mit Vergnügen!
Von allen Seiten hörte man:
– Nein, das ist komisch, dieser Keller, das ist reizend!
Georg kannte den Ort wohl. Er erinnerte sich des Morgens, wo er hier am Tage vor seinem Duell ganz allein vor einer bemalten Figur-Scheibe zugebracht, die ihn wie ein riesiges, drohendes Auge aus dem Kellerraum drüben angestarrt hatte.
Jacques Rivals Stimme klang von der Treppe her
– Meine Damen, es geht los!
Die sechs Herren in möglichst engem Kostüm, damit man den Brustkasten besser sähe, stiegen auf die Estrade und setzten sich auf die für die Preisrichter reservierten Stühle.
Man flüsterte sich ihre Namen zu. General von Raynaldi als Präsident, ein kleiner Herr mit mächtigem Schnurrbart, dann der Maler Joseph Roudet, ein großer Mann mit kahlem Kopf und langem Bart, Matteo von Ujar, Simon Ramoncel, Peter von Carvin, drei junge, elegante Herren, und Kaspar Merleron ein Fechtmeister.
Zwei große Plakate wurden rechts und links aufgehangen, auf dem rechten stand: Herr Crèvecoeur und links: Herr Plumeau.
Es waren zwei Fechtmeister, gute Lehrer zweiten Ranges. Sie erschienen, beide hager, mit militärischem Äußern und ein wenig steifen Bewegungen. Wie Gliederpuppen machten sie die Fechterbegrüßung, dann begannen sie sich anzugreifen und sahen dabei in ihren leinenen Anzügen mit weißem Leder aus, wie zwei Kasperlefiguren, die sich aus Ulk schlugen.
Ab und zu hörte man das Wort: »Getroffen!«
Und die sechs Preisrichter neigten die Köpfe vor mit Kennerblick. Das Publikum sah nur zwei lebendige Marionetten, die dort mit ausgestreckten Armen gestikulierten, begriff nichts davon, war aber sehr befriedigt. Die beiden guten Leute erschienen jedoch wenig graziös und etwas lächerlich. Man mußte unwillkürlich an die kleinen hölzernen Ringer denken die zu Neujahr die Straßenhändler feilbieten.
Nach den beiden ersten Kämpfern traten die Herren Planton und Carapin ein Civil-und ein Militärfechtmeister auf. Herr Planton war ganz klein und Carapin sehr dick, man hätte glauben sollen der erste Stich müßte diesen Ballon zum Platzen bringen. Herr Planton sprang wie ein Affe umher; Herr Carapin bewegte nur den Arm, sein übriger Körper blieb durch seine Wohlbeleibtheit unbeweglich und alle fünf Minuten fiel er mit solcher Schwerfälligkeit und mit solcher Anstrengung aus, als hätte er den schwersten Entschluß seines Lebens auszuführen; nachher konnte er sich kaum wieder aufrichten.
Die Kenner erklärten, sein Fechten für sehr kräftig und scharf, und das Publikum glaubte ihnen und fand es auch.
Dann erschienen die Herren Porion und Lapalme, ein Fechtmeister und ein Amateur, die wütend einer auf den andern losstürzten und die Preisrichter zwangen, unter Mitnahme ihrer Stühle, auszureißen. Sie rasten von einem Ende der Estrade zum andern; mit mächtigen, komischen Sätzen sprang der eine vor und der andere zurück. Manchmal machten sie kleine Sätze rückwärts, über die die Damen lachten, und dann Sätze vorwärts, die die Zuschauer doch etwas in Aufregung versetzten. Dieser Kampf im Laufschritt wurde durch den Ruf aus dem Publikum charakterisiert:
– Reißt euch man bloß kein Bein aus!
Durch diese Geschmacklosigkeit verletzt, rief man: – Pst!
Das Urteil der Sachkundigen machte die Runde. Die Fechter hatten große Kraft gezeigt und nur ab und zu es an Exaktheit fehlen lassen.
Der erste Teil wurde geschlossen durch einen schönen Waffengang zwischen Jacques Rival und dem ausgezeichneten belgischen Professor Lebègue.
Rival fand bei den Damen großen Beifall. Er war wirklich ein schöner Kerl, gut gebaut, beweglich und graziöser als alle vorhergegangenen. Er hatte bei seiner Art zu parieren und auszufallen eine gewisse, gesellschaftliche Eleganz, die gefiel und von der energischen, aber gewöhnlichen Art seines Gegners vorteilhaft abstach. Man fühlt den gebildeten Mann, hieß es.
Er siegte, man klatschte Beifall.
Aber seit ein paar Minuten beunruhigte ein sonderbarer, immer stärker werdender Lärm über ihnen die Zuschauer. Es war ein mächtiges Getrappel, von tosendem Gelächter begleitet. Die zweihundert Eingeladenen, die nicht mehr in den Keller herunter gekonnt hatten, unterhielten sich jedenfalls auf ihre Weise. Auf der kleinen Wendeltreppe waren gegen fünfzig Menschen eingepfercht. Die Hitze wurde unten fürchterlich, man schrie: – Luft! – Zu trinken!
Der Witzbold von vorhin kreischte hoch und spitz, daß es die Unterhaltung übertönte: Mandelmilch! Limonade! Bier!
Rival erschien feuerrot, er hatte seinen Fechteranzug anbehalten. – Ich werde Erfrischungen bringen lassen, sagte er und lief zur Treppe. Aber alle Verbindung zum Erdgeschoß hinauf war unterbrochen, man hätte eben so gut ein Loch durch die Decke bohren können, als die Menschenmauer durchbrechen, die sich auf den Stufen drängte.
Rival rief:
– Eis für die Damen! Weitergeben!
Fünfzig Stimmen wiederholten:
– Eis!
Dann erschien ein mächtiges Tablett, aber es standen nur leere Gläser darauf, da die Erfrischungen unterwegs verzehrt worden waren.
Jemand rief laut:
– Hier erstickt man ja! Schluß! Schluß! Wir wollen fort!
Eine andere Stimme brüllte: – Die Kollekte! Und das ganze Publikum rief atemlos, aber doch vergnügt:
– Die Kollekte! Die Kollekte!
Dann begannen sechs Damen zwischen den Bänken hin und her zu gehen, und man hörte das Geld klimpern, das in die Beutel fiel.
Du Roy zeigte Frau Walter die bekannten Persönlichkeiten: Leute aus der Gesellschaft, Journalisten von den großen Blättern, von den alten Zeitungen, die nach gemachten Erfahrungen die ‘Vie française’ mit einer gewissen Zurückhaltung betrachteten. Sie hatten so viele dieser politisch-finanziellen Blätter eingehen sehen, Produkte unsauberer Verbindungen, die der Sturz eines Ministeriums mitgerissen. Dann waren Maler da und Bildhauer, die gewöhnlich Sportsmen sind. Man zeigte sich einen Dichter, ein Mitglied der Akademie, dann zwei Musiker und viele vornehme Fremde, deren Namen du Roy ein ‘Par.’ folgen ließ, (was Parvenu heißen sollte) um, wie er sagte, die englische Manier nachzuahmen, auf den Visitenkarten ein ‘Esqu.’ hinzuzufügen.
Jemend rief ihm zu:
– Guten Morgen, lieber Freund!
Es war der Graf Vaudrec. Du Roy entschuldigte sich bei den Damen und ging hinüber, ihm die Hand zu schütteln. Als er zurückkehrte erklärte er:
– Vaudrec ist reizend, er hat so etwas Rassiges.
Frau Walter antwortete nichts. Sie war etwas abgespannt, und bei jedem Atemzuge hob sich ihr Busen, was du Roys Blicke hinlenkte. Ab und zu begegnete er ihrem Blick, der etwas verwirrt und zögernd auf ihm ruhte und sich sofort wegwandte, und er fagte sich: »Potz tausend, sollte ich die etwa auch glücklich eingefangen haben?«
Die Damen mit der Kollekte kamen vorüber. Die Beutel waren mit Silber und Gold gefüllt. Eine neue Tafel ward auf der Estrade aufgezogen: » Große Überraschung!« Die Preisrichter nahmen wieder ihre Plätze ein. Man wartete.
Zwei Damen erschienen, das Florett in der Hand, im Fechteranzug, in dunklem Trikot, einem sehr kurzen Rock, der nur bis auf die Hälfte der Oberschenkel fiel und einem so dick gepolsterten Plastron auf der Brust, daß sie den Kopf hochhalten mußten. Sie waren jung und hübsch, lächelten als sie das Publikum begrüßten und erhielten lang andauernden Beifall.
Und sie begannen unter gellenden Zurufen und unter geflüsterten Späßen. Ein liebenswürdiges Lächeln ruhte auf den Lippen der Preisrichter, die jeden Stich mit einem kleinen Bravo begrüßten.
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