Sie rief:
– Das ist aber stark!
Er antwortete:
– Aber so ist es. Ich kenne die Frauen nicht. Ich meine, ich …. na, also ….. Du aber kennst die Männer, da Du doch Witwe bist. Du wirst mich also in die Lehre nehmen … heute abend. Na, also! Und Du kannst sogar, wenn Du willst, gleich damit anfangen. Na also los!
Sie rief fröhlich:
– Na, höre mal, wenn Du Dich da auf mich verläßt …
Er antwortete im Ton eines Schülers, der seine Lektion hervorstottert:
– Natürlich verlaß ich mich auf Dich. Ich zähle sogar darauf, daß Du mir einen vorzüglichen Unterricht giebst …. in zwanzig Stunden ……. zehn Stunden für die Anfangsgründe, Lesen und Gramatik … zehn zur Vervollkommung und und für Rhetorik. Ich weiß gar nichts, also . . Na also!
Das machte ihr großen Spaß und sie rief:
– Du Dümmling!
Er antwortete:
– Na, da Du so zärtlich bist, will ich auch anfangen und Dir sagen, Liebchen, daß ich Dich immer lieber und lieber habe, von Sekunde zu Sekunde, und daß ich finde, Rouen ist noch verflucht weit.
Er redete jetzt im Ton eines Schauspielers mit den entsprechenden Gesten, was der jungen Frau, die an alle Manieren und Scherze des Zigeunertums der Literaten gewöhnt war; großen Spaß machte.
Sie blickte ihn von der Seite an, fand ihn wirklich reizend und kämpfte innerlich den Kampf um die Frucht, die man sich gern vom Baume pflückte, um doch der vernünftigen Überlegung nachzugeben, daß sie einem viel besser zum Dessert nach dem Diner munden wird.
Da sagte sie und errötete ein wenig bei den Gedanken, die sie bestürmten:
– Also mein kleiner Schüler, nun glaube meiner Erfahrung, meiner großen Erfahrung. Zärtlichkeiten auf der Eisenbahn haben keinen Zweck, davon kriegt man Magendrücken.
Dann ward sie noch röter und flüsterte:
– Man soll den Hafer nicht mähen, wenn er noch grün ist.
Er lachte, und die Zweideutigkeiten, die aus diesem Munde kamen, erregten ihn. Er schlug ein Kreuz, indem er die Lippen bewegte, als hätte er gebetet, und sagte:
– Der heilige Antonius schütze mich, der die Versuchung überwand. Ich bin von nun an aus Marmor.
Langsam kam die Nacht und sank mit durchsichtigem, leichtem Schleier über die weite Ebene, die sich rechts von ihnen erstreckte. Der Zug fuhr an der Seine hin, und das junge Paar blickte auf den Fluß, der wie ein breites glitzerndes Metallband, in dem sich rote Reflexe spiegelten, vom Himmel gefallene Lichter, die die untergehende Sonne in purpurner Lohe herabwarf, neben der Eisenbahn hinzog.
Allmählich erstarb dieser Schein, ward dunkel, und die Landschaft tauchte ins Schwarze hinab, mit jenem düsteren Schauer, jenem Schauer des Todes, den die Dämmerung immer auf die Erde wirft.
Die Melancholie der Abendstimmung, die durch das offene Fenster fiel, drang in ihre Seelen, und die beiden, die noch eben so lustig waren, schwiegen nun.
Sie hatten sich dicht aneinander gedrängt um das Sterben des schönen Maitages zu beobachten.
In Mantes wurden im Zug die Lampen angezündet, und das gelbe, zitternde Lampenlicht fiel auf die gelben Polster.
Duroy umarmte seine Frau und preßte sie an sich. Sein glühender Wunsch von vorhin wandelte sich in sanfte Zärtlichkeit, in eine erschlaffende Zärtlichkeit, die tröstende Liebkosungen begehrt, wie die, womit man ein Kind einschläfert.
Er flüsterte:
– Ich will Dich so lieb haben, meine kleine Magda.
Der süße Ton seiner Stimme bewegte die junge Frau, daß ihr ein plötzlicher Schauer über den Leib lief und sie ihm die Lippen darbot, indem sie sich zu ihm herabbeugte, denn er hatte seine Wange an ihre Brust gelehnt.
Sie fanden sich in einem langen stummen Kuß, fuhren dann auf, ein kurzer atemloser Kampf folgte, dann fanden sie sich, – überstürzt und unbequem.
Darauf blieben sie eng umschlungen liegen, beide etwas enttäuscht, müde und noch zärtlich, bis der Pfiff der Lokomotive eine nahe Station anzeigte.
Sie sagte, indem sie sich mit den Fingerspitzen die zerzausten Haare ordnete:
– Das ist zu dumm, wir benehmen uns wie die Kinder.
Aber er küßte ihre Hände abwechselnd, eine nach der andern mit fieberhafter Hast und sprach:
– Ich liebe Dich zum Wahnsinnigwerden, meine kleine Magda.
Bis Rouen blieben sie nun fast unbeweglich, Wange an Wange sitzen, durch das Fenster in die Nacht hinausstarrend in der ab und zu aus einem Haus ein Licht aufblitzte. Sie träumten, glücklich, einander so nahe zu sein und in steigender Erwartung einer zärtlicheren, freieren Liebe.
Sie stiegen in einem Hotel ab, dessen Fenster auf den Quai gingen und legten sich zu Bett, nachdem sie nur eine Kleinigkeit zu Abend gegessen.
Das Zimmermädchen weckte sie am andern Morgen, als es eben acht Uhr war. Nachdem sie eine Tasse Thee getrunken, die auf dem Nachttisch stand, blickte Duroy seine Frau an, dann packte er sie mit plötzlichem Ansturm, wie ein Glücklicher der einen Schatz gefunden hat, in die Arme und stammelte:
– Meine kleine Magda, ich habe Dich so lieb. Ich habe Dich so lieb, so lieb!
Sie lachte mit ihrem zutraulichen, zufriedenen Lächeln und flüsterte, indem sie ihm seine Küsse zurück gab:
– Vielleicht … ich Dich auch!
Aber ihn beunruhigte dieser Besuch bei seinen Eltern. Er hatte schon längst seine Frau vorbereitet und ihr Reden gehalten; aber er meinte, es wäre gut, wieder anzufangen:
– Du weißt, sie sind Bauern, einfache Landleute, wie sie wirklich sind, keine Theaterbauern.
Sie lachte:
– Das weiß ich. Du hast es mir doch oft genug gesagt! Aber nun steh mal auf, daß ich auch aufstehen kann.
Er sprang aus dem Bett und zog die Socken an.
– Weißt Du, bei meinen Eltern zu Haus ist es aber nicht elegant. In meinem Zimmer steht nur ein altes Bett mit Strohsack. Sprungfedermatrazen giebt es nicht in Canteleu.
Sie schien glückselig zu sein:
– Desto besser. Es ist reizend auch mal schlecht zu schlafen .. mit … mit Dir, und wenn einen dann die Hähne wecken.
Sie hatte einen Morgenrock übergeworfen, einen langen Rock aus weißem Flanell, den Duroy sofort wieder erkannte. Der Anblick berührte ihn peinlich. Warum? Seine Frau besaß, das wußte er ganz genau, wohl ein Dutzend Morgenkleider, da brauchte sie allerdings nicht ihre reiche Ausstattung fortzuwerfen, um ein neues zu kaufen. Aber trotzdem hätte er es gern gesehen, wenn ihre Wäsche, die sie am Tage und bei Nacht, in der Stunde der Liebe trug, nicht dieselbe gewesen wäre, die sie zu Lebzeiten des andern angehabt. Es war ihm, als ob der weiche, warme Stoff etwas von Forestiers Berührung behalten hätte.
Er trat ans Fenster und steckte sich eine Cigarette an. Der Anblick des Hafens, des breiten Flusses, der von Schiffen wimmelte, mit schlanken Masten, von dickbauchigen Dampfern, die mit großem Lärm an den Quais mittels der Schiffskrahne gelöscht wurden, packte ihn doch, obgleich es für ihn ein altgewohnter Anblick war, und er rief:
– Donnerwetter, ist das hübsch!
Magdalene lief herbei, lehnte sich auf ihres Mannes Schulter und blieb so, zu ihm gebeugt, ganz starr, entzückt und bewegt von dem Anblick, indem sie fortwährend sagte:
– Ach ist das hübsch, ist das hübsch! Ich habe ja gar nicht geahnt, daß es so viele Schiffe giebt!
Eine Stunde später fuhren sie davon, denn sie wollten bei den Eltern frühstücken, die sie schon seit ein paar Tagen benachrichtigt hatten. Ein offener Wagen, dessen rostige Federn einen Lärm verursachten, wie in einer Kesselschmiede, brachte sie hin. Sie fuhren zuerst durch eine ziemlich häßliche, breite Straße, dann kamen sie durch Wiesen, die ein Bächlein durchfloß und fingen darauf an, die Anhöhe hinan zu fahren.
Magdalene war müde. Sie war eingenickt bei den warmen Sonnenstrahlen, die sie so köstlich auf dem Sitz des alten Wagens wärmten, als läge sie ausgestreckt in einem lauen Bade von Licht und frischer Landluft.
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