– Es war zu gut von Ihnen, daß Sie damals gekommen sind unter den fürchterlichen Umständen.
Er antwortete:
– Ich hätte alles gethan was Sie wollten.
Und sie setzten sich. Sie fragte genau nach Walters, nach den Redaktionskollegen, nach der Zeitung. Sie dachte noch oft an die Zeitung:
– Es fehlt mir doch viel in meiner Verlassenheit, ich bin wirklich ganz Journalist geworden, ich liebe nun mal diesen Beruf. – Dann schwieg sie.
Er glaubte zu verstehen. Er meinte aus diesem Lächeln, aus dem Ton ihrer Stimme etwas zu hören, wie eine Aufforderung. Und obgleich er sich vorgenommen hatte die Dinge nicht zu übereilen, stammelte er:
– Nun warum … warum sollten Sie … den Beruf nicht wieder ergreifen, unter … unter … dem Namen Duroy?
Sie wurde plötzlich wieder ernst, legte ihm die Hand auf den Arm und sagte:
– Wir wollen noch nicht davon sprechen.
Aber er erriet, daß sie annahm, fiel ihr zu Füßen und küßte leidenschaftlich ihre Hände, indem er stammelte:
– Dank, o Dank. Ich liebe Dich! Ich liebe Dich!
Sie stand auf. Er auch, und er merkte, daß sie sehr blaß war. Da begriff er, daß er ihr gefiel, vielleicht schon seit langem, und da sie einander gegenüber standen, schloß er sie in die Arme, küßte sie auf die Stirn mit langem, zärtlichem, innigem Kuß.
Als sie sich losgemacht, barg sie den Kopf an seiner Brust und sagte ernst:
– Lieber Freund, hören Sie einmal. Ich bin noch zu gar nichts entschieden, vielleicht sage ich allerdings ›ja,‹ aber Sie müssen mir versprechen, unbedingt zu schweigen, bis ich Sie von dem Versprechen entbinde.
Er schwur und ging glückselig davon.
Und von nun an war er sehr zurückhaltend mit seinen Besuchen und drängte sie nicht zur Entscheidung, denn sie hatte eine Art und Weise von der Zukunft zu sprechen, immer zu sagen ›nachher‹, Pläne zu machen für sie beide, die eine bessere und zartere Antwort waren, als eine förmliche Verlobung.
Duroy arbeitete viel, gab wenig aus, versuchte etwas zu sparen, um wenn er heiratete nicht ohne Mittel zu sein, und ward nun so geizig, wie er vorher verschwenderisch gewesen war.
Der Sommer verstrich, dann der Herbst ohne daß jemand etwas ahnte, denn sie sahen sich wenig und nur auf die unschuldigste Weise der Welt.
Eines Abends sagte Magdalene zu ihm und blickte ihm in die Augen:
– Haben Sie von unseren Absichten nie etwas an Frau von Marelle gesagt?
– Nein! Ich hatte Ihnen Verschwiegenheit gelobt und habe also keinem lebenden Wesen einen Ton gesagt.
– Nun, dann wäre es an der Zeit sie zu benachrichtigen. Ich werde es Walters sagen. Es geschieht diese Woche, nicht wahr?
Er war rot geworden:
– Ja, schon morgen.
Sie wandte langsam die Augen, als wollte sie seine Verlegenheit nicht bemerken und sprach:
– Wenn es Ihnen recht ist, können wir Anfang Mai heiraten, das würde sehr schön passen.
– Ich thue alles, was Sie wollen.
– Den zehnten Mai, er fällt auf einen Sonnabend, hätte ich gern, denn es ist mein Geburtstag.
– Gut, den zehnten Mai.
– Ihre Eltern wohnen doch bei Rouen. Sie sagten mir’s wenigstens.
– Ja in Canteleu bei Rouen.
– Was thun sie denn?
– Sie sind … sie sind … kleine Rentner.
– Ach, ich möchte sie gern kennen lernen.
Er war sehr erschrocken und zögerte:
– Sie sind nun mal … sie sind …
Dann faßte er einen mannhaften Entschluß und sagte:
– Liebe Freundin, sie sind einfache Bauern. Sie haben ein Wirtshaus und haben sich’s am Munde abgedarbt, mich etwas lernen zu lassen. Ich brauche nicht über sie zu erröten. Aber ihre … Einfachheit, ihre … Bauernart würde Ihnen vielleicht peinlich sein.
Sie lächelte reizend, und eine weiche Güte leuchtete aus ihren Augen:
– Nein, ich werde sie sehr lieb haben. Wir wollen sie besuchen, ich will es, wir werden darüber noch sprechen. Ich stamme auch von kleinen Leuten, aber ich habe meine Eltern verloren. Ich habe niemand auf der Welt …
Sie streckte ihm die Hände entgegen und fügte hinzu:
– … als Sie.
Er fühlte sich weich geworden, bewegt, überwunden, wie es ihm noch nie bei einer Frau geschehen.
– Ich habe an etwas gedacht, sagte sie, aber es ist nicht leicht zu erklären.
Er fragte:
– Was denn?
– Nun lieber Freund, ich bin wie alle Frauen, ich habe meine … Schwächen, meine Kleinlichkeiten. Ich liebe alles was glänzt, was gut klingt, ich wär’ zu gern adlig gewesen. Könnten Sie nicht bei Gelegenheit unsrer Heirat sich … sich nobilitieren?
Sie war nun ihrerseits rot geworden, als ob sie ihm etwas Taktloses vorgeschlagen hätte. Er antwortete ganz einfach:
– Daran habe ich schon öfters gedacht, aber ich glaube, das ist nicht so leicht.
– Warum denn?
– Ich fürchte, mich lächerlich zu machen.
Sie zuckte die Achseln:
– Aber warum, warum? Das thun sie doch alle und niemand findet etwas dabei. Sie trennen einfach Ihren Namen und schreiben: »Du Roy!« Das geht doch sehr gut.
Er antwortete sofort wie jemand, der die Sache bereits erwogen hat:
– Nein, das geht nicht. Das ist zu gewöhnlich, zu gemein, zu abgedroschen. Ich hatte gedacht ich könnte vielleicht den Namen meiner Heimat annehmen, etwa zuerst als litterarisches Pseudonym. Dann könnte ich ihm allmählich meinen Namen hinzufügen und ihn später vielleicht, wie Sie mir vorgeschlagen haben, trennen.
Sie fragte:
– Ihre Heimat ist Canteleu?
– Jawohl!
Sie zögerte:
– Nein die Endung liebe ich nicht. Wenn man aber das Wort Canteleu etwas änderte?
Sie hatte eine Feder vom Tisch genommen und warf nun ein paar Namen hin, um zu sehen wie sie aussähen. Plötzlich rief sie:
– Warten Sie, ich glaube, jetzt hab’ ich’s. Und sie hielt ihm ein Stück Papier hin, auf dem er las: ›Frau Duroy von Cantel‹.
Er dachte ein paar Augenblicke nach, dann erklärte er mit Entschiedenheit:
– Ja, das geht sehr gut!
Sie war entzückt und wiederholte:
– Duroy von Cantel, Duroy von Cantel! Frau von Cantel, Frau von Cantel! Das ist famos. Das ist famos!
Sie fügte mit überzeugter Miene hinzu:
– Und Sie werden sehen, wie leicht das die Menschen annehmen. Aber man muß die Gelegenheit beim Schopfe fassen. Später könnte es zu spät sein. Schon von morgen an müssen Sie Ihre Artikel unterzeichnen ›D. von Cantel‹, und die Lokalnachrichten einfach ›Duroy.‹ Das geschieht ja in der Presse immerfort und kein Mensch wird etwas dabei finden, wenn Sie einen Decknamen annehmen. Bei der Hochzeit können wir das dann noch ein wenig verändern, indem wir unseren Freunden sagen: Aus Bescheidenheit hätten Sie den Adel in Duroy wegen Ihrer Stellung unterdrückt, oder wir sagen überhaupt gar nichts. Wie heißt Ihr Vater mit Vornamen?
– Alexander.
Sie sagte zwei oder drei Mal hinter einander:
– Alexander Alexander … – dem Klang der Silben lauschend, und dann schrieb sie auf ein weißes Blatt:
Herr und Frau Alexander du Roy von Cantel haben die Ehre Ihnen die Vermählung ihres Sohnes, des Herrn Georg du Roy von Cantel mit Frau Magdalene Forestier anzuzeigen.
Sie hielt das Blatt ein Stück von den Augen, ganz entzückt von der Wirkung und sagte:
– Wenn man es nur ein bißchen zu drehen und zu wenden weiß, kriegt man alles fertig, was man will.
Als er auf der Straße stand und nun fest entschlossen war, sich von jetzt ab du Roy und sogar du Roy von Cantel zu nennen, war es ihm als hätte er nun wirklich eine besondere Wichtigkeit gewonnen. Er ging mit größerer Sicherheit dahin, den Kopf erhoben, stolzer den Schnurrbart gedreht, wie ein wahrer Edelmann, und es wandelte ihn die Lust an jedem Vorübergehenden zu sagen:
– Ich heiße du Roy von Cantel.
Читать дальше