Nun lächelte sie im stillen über ihren Plan, den sie nicht verraten wollte und hatte tausend Liebesworte und Scherze.
Aber sie war sehr erregt, als sie die Treppe wieder hinunterging und stützte sich mit aller Kraft auf den Arm ihres Geliebten, so zitterten ihr die Kniee.
Doch sie begegneten niemandem.
Am andern Tage um elf Uhr, als der Briefträger ihm den versprochenen Rohrpostbrief brachte, lag er noch im Bett, da er spät aufzustehen pflegte.
Duroy öffnete und las:
»Stelldichein fünf Uhr Rue de Constantinople 127. Laß Dich in die Wohnung führen, die Frau Duroy gemietet hat. Es küßt Dich
Clo.«
Punkt fünf Uhr trat er beim Portier eines großen Hauses, in dem möblierte Wohnungen zu vermieten waren, ein und fragte:
– Hat Frau Duroy hier eine Wohnung gemietet?
– Jawohl.
– Bitte, führen Sie mich hin.
Der Mann, der wohl an heikle Lagen, bei denen Vorsicht von Nöten, gewohnt war, blickte ihn scharf an, dann suchte er den Schlüssel im großen Schlüsselbunde und fragte:
– Sie sind doch Herr Duroy?
– Gewiß.
Und er öffnete eine kleine Wohnung, die aus zwei Zimmern bestand, der Portiersloge gegenüber im Erdgeschoß.
Der Salon, dessen großblumige Tapete ziemlich neu war, enthielt Mahagonimöbel mit grünlichem, gelbgemusterten Rips überzogen. Den Boden deckte ein bescheidener, geblümter Teppich, der so dünn war, daß man den Fußboden darunter fühlen konnte.
Das Schlafzimmer war so klein, daß das Bett drei viertel des Raumes füllte; es stand im Hintergrund und reichte von einer Wand bis zur andern, ein großes Bett, wie man es in den möblierten Wohnungen findet, mit schweren, blauen Rips-Vorhängen und einem Federbett mit rotem Seidenüberzug, der einige verdächtige Flecken zeigte. Duroy blickte sich beunruhigt und mißvergnügt um, indem er bei sich dachte: die Wohnung wird mich ein Heidengeld kosten. Da muß ich schon wieder pumpen. Das ist wirklich ein verrückter Gedanke!
Die Thür ging auf und Clotilde stürmte wie ein Wirbelwind herein, mit rauschenden Röcken. Sie öffnete die Arme und rief glückselig:
– Ist das nicht nett! Nu sag mal, ist es nicht nett? Und keine Treppe! Gleich unten im Parterre! Man kann zum Fenster heraus und herein, ohne daß der Portier einen sieht. O, hier werden wir uns lieb haben!
Er küßte sie kalt, er wagte nicht, die Frage, die ihm auf den Lippen brannte, zu thun.
Sie hatte auf das runde Tischchen, das in der Mitte des Zimmers stand, ein Paket gelegt. Sie öffnete es und zog daraus Seife, eine Flasche Eau de Lubin, einen Schwamm, eine Schachtel mit Haarnadeln, einen Stiefelknöpfer und ein Brenneisen hervor, um die Spitzen ihrer Haare wieder zu kräuseln, die immer aufgingen.
Und es machte ihr einen Riesen-Spaß, einzurichten und für jeden Gegenstand seinen Platz zu suchen.
Sie sagte, während sie die Fächer aufzog:
– Ich muß ein bißchen Wäsche mitbringen, um im Notfall wechseln zu können; das wird sehr angenehm sein. Wenn ich zum Beispiel Besorgungen mache und regne dabei in der Stadt ein, dann komme ich her, um mich zu trocknen. Wir müssen jeder einen Schlüssel haben und einer muß in der Portierloge bleiben, falls wir unseren vergessen. Ich habe auf ein viertel Jahr gemietet, natürlich auf Deinen Namen, denn ich konnte doch meinen nicht angeben.
Da fragte er:
– Nicht wahr, Du sagst mir’s, wann ich zahlen muß.
Sie antwortete ganz einfach:
– Ja – aber es ist ja bezahlt!
Er sagte:
– Da bin ich’s also Dir schuldig?
– Nein Liebchen, das geht Dich nichts an, den kleinen Scherz erlaube ich mir!
Er that, als wäre er böse:
– Nein, nein, das gebe ich nicht zu!
Sie kam zu ihm, flehte und legte ihm die Hände auf die Schultern:
– Ich bitte Dich, Georg, es macht mir ja soviel Spaß, soviel Spaß! Gerade, daß es mir gehört, unser kleines Nest, nur mir! Das kann Dich doch nicht kränken? Weshalb denn? Ich möchte das zu unserer Liebe beitragen. Sag ja, bitte, sag ja!
Und sie flehte ihn mit Blicken, mit Worten und ihrem ganzen Wesen an.
Er ließ sich bitten und lehnte mit erregtem Ausdruck ab. Endlich gab er nach und fand es im stillen eigentlich ganz richtig.
Und als sie gegangen war, brummte er, indem er sich die Hände rieb und sich nicht weiter fragte, woher ihm gerade heute diese Meinung käme:
– Sie ist doch riesig nett!
Ein Paar Tage später bekam er wieder einen Rohrpostbrief des Inhalts:
»Mein Mann kommt heute abend von der sechswöchentlichen Dienstreise zurück. Wir müssen also acht Tage Pause machen. Ich bin trostlos, mein Liebling!
Deine Clo.«
Duroy war ganz erstaunt, er dachte wirklich gar nicht mehr daran, daß sie verheiratet sei. Den Mann hätte er gern mal gesehen, nur einmal, um zu wissen wie er wäre.
Indessen wartete er geduldig die Abreise des Mannes ab, besuchte aber inzwischen zweimal die Folies-Bergère und beschloß die betreffenden Abende bei Rahel.
Dann kam eines Morgens ein neues Telegramm mit den vier Worten:
»Heute fünf Uhr Clo.«
Beide erschienen etwas früher zum Stelldichein. Sie fiel ihm mit großem Liebesungestüm um den Hals und küßte ihn leidenschaftlich, dann sagte sie:
– Wenn Du’s willst, kannst Du mich nachher, nachdem wir uns ordentlich geliebt haben, in irgend ein Restaurant zum Essen führen. Ich habe mich frei gemacht.
Es war gerade in den ersten Tagen des Monats, und obgleich sein Gehalt längst vorgegessenes Brot war und er Von einem Tage zum andern von dem Gelde lebte, das er sich hier und da verschaffen konnte, hatte Duroy doch zufällig etwas bei sich. Und es war ihm angenehm, daß sich die Gelegenheit fand, mal etwas für sie auszugeben. Er sagte:
– Natürlich, Liebchen, wohin Du willst.
Gegen sieben Uhr gingen sie also nach dem äußeren Boulevard. Sie lehnte sich auf seinen Arm und flüsterte ihm ins Ohr:
– Wenn Du wüßtest, wie glücklich ich bin, mit Dir auszugehen, ich fühle Dich so gern an meiner Seite!
Er fragte:
– Willst Du zum alten Lathuile?
Sie antwortete:
– Nein, das ist zu gut. Ich möchte mich amüsieren! Es kann ein bißchen gewöhnlich sein, weißt Du – so ein Restaurant, wo kleine Commis und Arbeiterinnen verkehren. Ich habe die Kneipen so gern. Ach wenn wir doch aufs Land gekonnt hätten!
Da er aber ein Lokal dieser Art in der Gegend nicht kannte, so irrten sie auf den Boulevards herum und traten endlich in eine Weinstube, wo man in einem Extrazimmer etwas zu essen bekommen konnte. Durch die Fensterscheiben hatte sie zwei kleine Mädchen ohne Hut gesehen; ein paar Soldaten ihnen gegenüber.
Im Hintergrunde des engen, langen Zimmers saßen drei Droschkenkutscher beim Essen, und ein Mensch, dessen Beruf man nicht recht angeben konnte, rauchte seine Pfeife, während er, die Hände im Gürtel seiner Hose, sich auf einen Stuhl flezte, den Kopf hintenüber gegen die Stuhllehne gelegt. Sein Rock sah aus wie eine ganze Fleckensammlung, und in den bauchartig angeschwollenen Taschen sah man einen Flaschenhals, ein Stück Brot, irgend etwas in eine Zeitung gewickelt und ein Bindfadenende, das heraushing. Er hatte dichtes, gekräuseltes Haar, das ganz grau war vor Schmutz. Seine Mütze lag an der Erde unter dem Stuhl.
Clotildes Eintritt erregte, wegen ihres eleganten Äußeren, Aufsehen. Die beiden Paare hörten auf zu flüstern, die drei Kutscher zu diskutieren, und der Raucher nahm die Pfeife aus dem Mund, spuckte und blickte sie an, indem er ein wenig den Kopf zu ihnen wandte.
Frau von Marelle flüsterte:
– Das ist sehr nett hier, hier befinden wir uns Wohl. Ein anderes Mal verkleide ich mich als Arbeiterin.
Und ohne Verlegenheit, ohne Ekel, setzte sie sich an den Holztisch, der glänzte von Fettflecken und auf dem man noch die Spuren verschütteter Getränke sah, weil er nur durch den Kellner einmal flüchtig mit der Serviette abgewedelt ward. Duroy genierte sich ein wenig. Er schämte sich etwas und suchte einen Haken, um seinen Zylinder daran zu hängen. Da er keinen fand, stellte er ihn auf einen Stuhl.
Читать дальше