Ein letzter Hebelgriff am Apparat. Dessen Kräfte, frei werdend, begannen zu spielen. Hunderte Kilometer tief unter der Sohle des Kanals arbeiteten sie. Die trägen Simamassen gerieten in Bewegung. Sie pflanzten sich fort nach allen Seiten. Die Massen dehnten sich aus, wurden leichter in der Ausdehnung, strebten, Ausweg suchend, nach oben, hoben die Decke, sprengten sie. Sie barst. Die Sialmassen zerrissen, wichen dem Druck. Die Erdrinde kochte. Die eingesprengten Magmamassen, dem Druck folgend, öffneten ihre Arme dem einströmenden Wasser. Wasser und Feuer, sich verbindend zu unheilschwangerer Ehe. Hoch auf flog der dampfende Gischt. Die Erschütterungen der Explosion, kreisend, zitternd nach allen Seiten, stürzend das, was noch von früher her stand auf den Zungen des Isthmus.
Der Isthmus, mitgetroffen, mitgerissen von den unterirdischen Kräften, strebte zitternd, bebend zur Höhe. Berge taumelten, in sich zusammenstürzend. Das Bild des Isthmus, schon einmal durch die Eruption bei der Kanalsprengung verändert, zerstört, zeigte jetzt erneut ein Chaos.
Menschenleben – das Rad des Schicksals rollte darüber hinweg.
Menschenleben. Der, dessen Hand den Strahler lenkte, sah sie untergehen. Sah es, und die schmale Gestalt sank zusammen unter der Last des Unheils, des Schicksals. Die Hände ließen ab. Er sank auf einen Stuhl, barg sein Gesicht in den Händen. In seiner Seele schrie es:
»Zuviel! Du Schicksal!«
Und dann war es ihm, als stünde er neben ihm, der Alte. Er legte die Hände über seine Stirn, strich darüber. Dessen Mund flüsterte Worte in sein Ohr. Die Worte von einst, tausendmal hatte er sie gehört dort drüben. Er richtete sich auf und starrte um sich. Der Tokschor! Er war in seiner Hand, seine Finger hatten ihn umklammert.
Schicksal! Die Hände glitten wieder zum Strahler, bewegten seine Kräfte.
Der Kanal! Der Isthmus! Hoch … höher als je! Die Sohle des Kanals wasserlos! Ein steiniger Pfad von Norden nach Süden.
Er schreckte zusammen. Die Hände umklammerten den Strahler, die Augen bohrten sich in das energetische Bild. Zuviel?
Fieberhaft arbeiteten die schmalen Finger. Die Bewegungen in den unterirdischen Massen ließen nach. Der gehobene Isthmus sank, ein Ruck … er stand. Das Bett des Kanals, da lag es wieder, ein blaues Band, die Ozeane vereinend. Kleiner, schmaler, so wie es Menschengeist sich geträumt. Verbindungsweg für Osten und Westen, ungehinderter Pfad für die Weltwirtschaft. Die Wunden der Erde, von verbrecherischer Hand geschlagen, geheilt.
Das Bild glitt zurück. Einen Augenblick zitterte seine Hand. Der Freund! Der Golfstrom?
Ein wütendes Anprallen an der neuen Schranke. Die Wasser des Stromes tobten, wühlten an der Sperre. Die stillen Fluten der Karibischen See waren nun ein aufgewühltes, stürmisches Meer.
Neuer Tod, neue Vernichtung für das, was sich da befand. Der Freund … in Überwasserfahrt?
Wie im Fieber ging die Hand zum energetischen Fernseher. Die Oberfläche des kochenden, schäumenden Meeres. Darunter die Wogen des Golfstroms bis in ihre tiefsten Tiefen aufgewühlt. Ein Unterseeboot darin. Bald hoch, bald tief rissen es die Strudel. Mit starren Augen verfolgte er jede Bewegung des Bootes. Jetzt fast an der Oberfläche, jetzt hinab gerissen in Tiefen, deren Druck die Wände des Bootes unmöglich lange standhalten konnten. Seine Hand ging zum Strahler.
Dessen Kräfte wirkten in den Tiefen der aufgewühlten See, endigten die Wirbel, zähmten die Strudel.
Kurs Nord zu Nordost hätte er ihnen zuschreien mögen. Da glitt das Boot Nord zu Nordost heraus aus den Strudeln des Stromes, während diese, sich im wütenden Schwall an der Barre brechend, nach Norden umbiegend, den alten Weg nahmen … Weltwende!
Das Werk vollendet! Der Strom im alten Bett! Das Boot in glücklicher Fahrt auf ihn zu nach Saltadera. Kaum noch konnten seine Finger den Strahler und Fernseher zur Ruhe setzen. Mit Mühe schritt er ins Freie.
Am Stamme einer Pinie sank er um, fiel zu Boden.
Das Geschäft war geglückt. Zur Hälfte des Parikurses hatte Guy Rouse ein nominales Aktienkapital von zwei Milliarden Dollar unter schärfster Anspannung seines Kredits an sich gebracht. Die zweite Pressenotiz, verbunden mit seinem persönlichen Auftreten als Käufer, hatte Wunder gewirkt. Er überflog die Börsenberichte. Der Kurs mehr als sechzig.
Schon jetzt ein Gewinn, der, realisiert, zweihundert Millionen Dollar bedeutete. Ein unbestimmtes Gefühl riet ihm zum Verkauf. Er fühlte instinktiv etwas Drohendes, das ihm stärkstes Unbehagen verursachte.
Der Stift in seiner Hand fühlte immer wieder nach dem Papier, die Verkaufsaktion einzuleiten. Zweihundert Millionen Dollar … ein schöner Gewinn, sein Vermögen verdoppelt! Vierhundert Millionen Dollar! Zu wenig! Wie viele gab es in den Staaten, die mehr besaßen.
Heute Abend noch eine neue Bearbeitung der Presse. Vielleicht stand morgen der Kurs schon siebzig. Achthundert Millionen Dollar betrug dann sein Vermögen. Achthundert Millionen! Die Zahl tanzte vor seinen Blicken. Er wischte mit der Hand über die Augen, als wollte er sie verscheuchen.
Achthundert Millionen Dollar. Die Zahl lachte ihn an. Die Riesensumme als Grundstock zu neuer Arbeit. Andere, größere Zahlen tauchten auf, wurden größer, immer größer … ein wirrer Reigen.
Mit einem energischen Ruck machte er sich frei von dem Phantom, nahm ein beruhigendes Pulver. Er trat zum Fenster, riß es auf.
Der Sonnenball brach hinter einer dunklen Wolke hervor. Er nahm es als glückliches Zeichen.
»Morgen! Morgen!« murmelte er immer wieder. »Morgen, morgen beginne ich mit dem Verkauf. Achthundert Millionen Dollar!«
Der nächste Tag. Die Uhr von der Trinity Church schlug die erste Mittagsstunde. Beginn der Börse! Im schwarzen Schwall stürzten die Börsenbesucher in die weiten Säle. Die lange, hagere Gestalt des Präsidenten der New Canal Company ragte weit über die anderen hinaus. Er wollte, durch kleine Geschäfte da und dort, den Markt in Kanalaktien beleben.
Die Minuten vergingen. Die Märkte für die bevorzugten Aktien bildeten sich. Die Aktien der New Canal Company zogen an …
Achtundsechzig Prozent … Achtundsechzigeinhalb Prozent …
Achtundsechzigdreiviertel Prozent … Guy Rouse buchte jedes Prozent mit dem Betrage von zehn Millionen Dollar zu seinen Gunsten. Auf siebzig mußten sie kommen … auf siebzig! Dann realisieren … realisieren. Achthundert Millionen Dollar!
Da! Ein Schrei, der über das Summen der tausend Stimmen hinweggellte: »Riesenexplosion im Kanalbett! Stärkste Erdbebenstöße quer über den Isthmus … Kanalufer türmen sich in die Höhe!«
Ein unbeschreiblicher Tumult entstand. Man suchte den, der die Worte gerufen hatte. Es war ein amtlicher Funkfernschreiber.
Hunderte drängten sich um die hohe Gestalt von Guy Rouse. Nur mit Mühe bewahrte er das kühle, gleichmäßige Gesicht. Nur mit äußerster Willensanstrengung konnte er die Wirkung der Nachricht, die ihn wie ein Blitzstrahl traf, verbergen.
Gestern … hätte ich verkauft! Die Stimme im Innern sprach recht. Jetzt ist alles verloren … Ich fühle es.
Und dann sprach er laut: »Tatarennachricht! Börsenmanöver!«
Kalt und schneidend klang seine Stimme über die Köpfe der Umstehenden. »Meine Nachrichten von der Kanalverwaltung … Nichts deutete darauf hin …«
Noch ehe er den Satz vollendet, schrie es aus dem Nebensaal.
»Die Explosionen gehen weiter. Alle Aufnahmestationen für den Fernseher zerstört.«
Einen Augenblick Totenstille.
Die Aufnahmestationen standen auf den Uferhöhen. Das war gewiß.
Ohne sich noch um Rouse zu kümmern, stürmte man die Maklerbänke.
Kanalaktien abzugeben! Zu jedem Preis! Die Deroute brach los.
Rouse schritt dem Ausgang zu. Er mußte sich den Weg bahnen, wo man ihm früher achtungsvoll, fast ehrfürchtig ausgewichen war.
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