Arthur Schnitzler - Gesammelte Werke von Arthur Schnitzler

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Arthur Schnitzler (1862-1931) war ein österreichischer Erzähler und Dramatiker. Er gilt als einer der bedeutendsten Vertreter der Wiener Moderne. Schnitzler schrieb Dramen und Prosa, in denen er das Augenmerk vor allem auf die psychischen Vorgänge seiner Figuren lenkt. Gleichzeitig mit dem Einblick in das Innenleben der Schnitzlerschen Figuren bekommt der Leser auch ein Bild von der Gesellschaft, die diese Gestalten und ihr Seelenleben prägt. Die Handlung der Werke Schnitzlers spielt meist im Wien der Jahrhundertwende.
Inhalt:
Der Ehrentag
Mein Freund Ypsilon
Frau Beate und ihr Sohn
Der Sohn
Der Witwer
Die dreifache Warnung
Die Frau des Richters
Die Fremde
Doktor Gräsler
Traumnovelle
Spiel im Morgengrauen
Flucht in die Finsternis
Frau Berta Garlan
Fräulein Else
Albine (Fragment)
Amerika
Casanovas Heimfahrt
Das neue Lied
Das Schicksal des Freiherrn von Leisenbohg
Der Andere
Der blinde Geronimo und sein Bruder
Der Fürst ist im Hause
Der Mörder
Die Braut
Die Frau des Weisen
Die griechische Tänzerin
Reichtum
Die Hirtenflöte
Die Toten schweigen
Die Weissagung
Er wartet auf den vazierenden Gott
Erbschaft
Frühlingsnacht im Seziersaal Phantasie
Gespräch in der Kaffeehausecke
Die drei Elixiere
Gespräch, welches in der Kaffeehausecke nach Vorlesung der ›Elixiere‹ geführt wird
Sterben
Welch eine Melodie
Leutnant Gustl
Die kleine Komödie
Komödiantinnen
Blumen
Ein Abschied
Der Empfindsame
Um eine Stunde
Die Nächste
Andreas Thameyers letzter Brief
Wohltaten Still und Rein gegeben
Ein Erfolg
Die grüne Krawatte
Exzentrik
Geschichte eines Genies
Der Tod des Junggesellen
Der tote Gabriel
Das Tagebuch der Redegonda
Der letzte Brief eines Literaten
Der Sekundant

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Und jetzt, da Beate in der Dämmerstille einer einsamen Stunde sich der wahren Stimme ihres Gatten erinnern wollte, gelang es ihr nicht. Immer wieder war es die Stimme jenes unwillkommenen Gastes, die in ihr erklang; und tiefer noch als bisher ward ihr bewußt, eine wie schwere Versündigung sie an dem Toten begangen, schlimmer als irgendeine, die er selbst bei Lebzeiten ihr zugefügt haben konnte; feiger und unsühnbarer als Untreue und Verrat. Er verweste in dunkler Erdentiefe, und seine Witwe ließ es geschehen, daß dumme Buben seiner spotteten, des wundervollen Mannes, der sie geliebt hatte, sie ganz allein, trotz allem, was sich ereignet haben mochte, sowie sie keinen andern geliebt hatte als ihn und keinen andern lieben würde. Jetzt wußte sie’s erst, seit sie einen Geliebten hatte. Einen Geliebten! … Oh, wenn er doch niemals wiederkehrte, der ihr Geliebter war! — Wenn er doch für immer fort wäre aus ihren Augen und aus ihrem Blut, und sie wohnte wieder allein mit ihrem Hugo in dem holden Sommerfrieden ihrer Villa wie früher. Wie früher? Und wenn Fritz nicht mehr da ist, wird sie denn darum ihren Sohn wieder haben? Hat sie überhaupt noch ein Recht, es zu erwarten? Hat sie sich denn in der letzten Zeit um ihn gekümmert? War sie nicht vielmehr froh gewesen, daß er seine eigenen Wege ging? Und es fiel ihr ein, wie sie neulich auf einem Spaziergange mit dem Ehepaar Arbesbacher ihren Sohn kaum hundert Schritte weit am Waldesrand in Gesellschaft von Fortunata, Wilhelmine Fallehn und einem fremden Herrn erblickt hatte; und sie — sie hatte sich kaum geschämt, nur angelegentlich mit ihren Begleitern weiter gesprochen, damit diese Hugo nicht bemerkten. Und am Abend desselben Tags, gestern — ja gewiß war es erst gestern gewesen, wie unbegreiflich dehnte sich doch die Zeit! — hatte sie am Seeufer Fräulein Fallehn und jenen fremden Herrn getroffen, der mit seinem schwarzen glänzenden Haar, den blitzend weißen Zähnen, dem englisch gestutzten Schnurrbart, seinem Rohseidenanzug und seinem knallroten Seidenhemd für sie wie ein Kunstreiter, ein Hochstapler oder ein mexikanischer Millionär aussah. Da Wilhelmine zum Gruß mit ihrem unerschütterlich tiefen Ernst den Kopf neigte, hatte auch er seinen Strohhut abgenommen, die Zähne blitzen lassen und Beate mit einem frechen lachenden Blick gemustert, der sie noch in der Erinnerung erröten machte. Welch ein Paar, diese beiden! Sie traute ihnen alle Laster und alle Verbrechen zu. Und das waren die Freunde der Fortunata, das die Leute, mit denen ihr Sohn jetzt spazieren ging und Verkehr pflegte. Beate schlug die Hände vors Gesicht, stöhnte leise und flüsterte vor sich hin: Fort, fort, fort! Sie sprach das Wort aus, ohne noch recht zu wissen, wohin es deutete. Erst allmählich fühlte sie seinen ganzen Sinn und ahnte, daß es vielleicht die Rettung für sie und Hugo in sich schloß. Ja, sie mußten fort, sie beide, Mutter und Sohn, und so rasch als möglich. Sie mußte ihn mit sich nehmen — oder er sie. Beide mußten sie den Ort verlassen, ehe sich irgend etwas ereignet, das nicht wieder gut zu machen war, ehe der Mutter Ruf vernichtet, ehe des Sohnes Jugend völlig verderbt, ehe das Schicksal über sie beide zusammengeschlagen war. Noch war es ja Zeit. Von ihrem eigenen Erlebnis wußte noch niemand; sie hätte es sonst irgendwie, zumindest am Benehmen des Baumeisters, merken müssen. Und auch das Abenteuer ihres Sohnes war gewiß noch nicht bekannt geworden. Und wenn, so würde man’s dem unerfahrenen Knaben nachsehen; und auch der bisher so sorglosen Mutter durfte man keinen Vorwurf machen, falls sie nur, als hätte sie’s eben erst entdeckt, mit dem Sohne die Flucht ergriffe. Also zu spät war es nicht. Die Schwierigkeit lag anderswo: darin, den Sohn zu einer so plötzlichen Abreise zu überreden. Beate ahnte ja nicht, wie weit die Macht der Baronin über Hugos Herz und Sinne reichen mochte. Sie wußte nichts, nichts von ihm, seit sie sich um ihre eigenen Liebschaften zu kümmern hatte. Aber daß sein Abenteuer mit Fortunata nicht zu ewiger Dauer bestimmt war, darüber konnte er sich doch nicht täuschen, klug wie er war, und so würde er wohl einsehen, daß es auf ein paar Tage mehr oder weniger nicht ankäme. Und sie richtete in Gedanken ihre Worte an ihn: Wir wollen ja nicht gleich nach Wien fahren! Oh, davon ist keine Rede, mein Bub. Wir reisen nach dem Süden, ja? Das haben wir ja schon lange vorgehabt. Nach Venedig, nach Florenz, nach Rom. Denk dir nur, die alten Kaiserpaläste wirst du sehen! Und die Peterskirche! … Hugo! Gleich morgen fahren wir fort. Du und ich ganz allein. Wieder so eine Reise, wie vor zwei Jahren im Frühling. Erinnerst du dich? Mit dem Wagen über Mürzsteg nach Mariazell. War das nicht schön? Und diesmal wird es noch viel schöner sein. Und wenn’s dir zuerst auch ein bißchen schwer wird, o Gott, ich weiß ja, ich frag dich ja nicht, und du mußt mir gar nichts erzählen. Aber wenn du so vieles Schöne und Neue siehst, so wirst du vergessen. Sehr schnell wirst du vergessen. Viel schneller, als du ahnst. — Und du, Mutter, du? — Es kam ganz tief aus ihr mit Hugos Stimme. Sie fuhr zusammen. Und sie nahm rasch die Hände von den Augen, wie um sich zu vergewissern, daß sie allein war. Ja, sie war es. Ganz allein im Haus, in dem dämmerigen Zimmer; draußen atmete schwer und schwül der Sommertag, niemand konnte sie stören. Sie hatte Ruhe und Zeit zu überlegen, was sie ihrem Sohne sagen sollte. Und das war gewiß: eine Erwiderung, wie ihre erregten Sinne sie ihr vorgetäuscht hatten, brauchte sie nicht zu fürchten. »Und du, Mutter?« Das konnte er sie nicht fragen. Denn er wußte nichts, er konnte ja nichts wissen. Und er wird auch niemals etwas wissen. Selbst wenn irgendeinmal ein dunkles Gerücht an sein Ohr dringt, er wird es nicht glauben. Nie wird er so etwas von seiner Mutter glauben. Darüber kann sie ganz beruhigt sein. Und sie sieht sich mit ihm wandeln in irgendeiner phantastischen Landschaft, wie sie sich ihrer wohl von einem Bild her erinnert, auf einer graugelben Straße — und in der Ferne ganz im Blau schwimmt eine Stadt mit vielen Türmen. Und dann wieder gehen sie auf einem großen Platz herum unter Bogengängen, unbekannte Menschen begegnen ihr und sehen sie an, sie und ihren Sohn. So merkwürdig sehen sie sie an, mit frechem, zähneblitzendem Lachen und denken sich: Ah, die hat sich da einen hübschen Burschen auf die Reise mitgenommen. Seine Mutter könnte sie sein. Wie? Die Leute halten sie für ein Liebespaar? Nun, warum nicht. Die können ja nicht wissen, daß der Bursch da ihr Sohn ist; — und ihr merken sie wohl an, daß sie eine von den überreifen Frauen ist, denen die Laune nach so jungem Blute steht. Und da gehen sie nun beide in einer fremden Stadt herum, unter unbekannten Leuten, und er denkt an seine Liebste mit dem Pierrotgesicht, und sie an ihren blonden süßen Buben. Sie stöhnt auf. Sie ringt die Hände. Wohin noch? Wohin? Nun war ihr gar das Kosewort verräterisch über die Lippen geglitten, mit dem sie ihn heute nacht erst zärtlich am Busen hielt. Ihn, von dem sie nun für immer Abschied nehmen und den sie niemals, niemals wiedersehen wird. Doch, einmal noch, heute, wenn er zurückkommt. Oder morgen früh. Aber ihre Türe heute nacht wird versperrt bleiben. Es ist aus für immer. Und sie will ihm zum Abschied sagen, daß sie ihn sehr geliebt hat, so sehr, wie es ihm sicher nie wieder begegnen wird. Und in diesem stolzen Gefühl wird er seiner ritterlichen Pflicht zu ewiger Verschwiegenheit um so tiefer sich bewußt werden. Und er wird es verstehen, daß geschieden sein muß, und er wird ihr die Hand noch einmal küssen und wird gehen. Wird gehen. Und was dann? Was dann? Und sie fühlt sich daliegen mit halbgeöffneten Lippen, ausgebreiteten Armen, bebendem Leib, und sie weiß es: träte er in diesem Augenblick durch die Türe, sehnsüchtig und jung, sie vermöchte ihm nicht zu widerstehen und würde ihm wieder gehören mit all der Inbrunst, die nun in ihr erwacht ist wie etwas jahrelang Vergessenes, ja, wie etwas, das sie vorher gar nicht gekannt hat. Und nun weiß sie auch, gequält und beseligt zugleich, daß der Jüngling, dem sie sich gegeben, nicht ihr letzter Geliebter sein wird. Aber schon regt es sich in ihr mit heißer Neugier: wer wird der nächste sein? Doktor Bertram? Ein Abend kommt ihr ins Gedächtnis — war es vor drei, vor acht Tagen? — sie weiß es nicht, die Zeit dehnt sich, verkürzt sich, die Stunden schwimmen ineinander und bedeuten nichts mehr — im Park bei Welponers war es gewesen, wo Bertram in einer dunklen Allee sie mit einemmal an sich gerissen, umschlungen und geküßt hatte. Und wenn sie ihn auch heftig von sich gestoßen, was konnte ihm das bedeuten, da er doch den gewährenden Druck ihrer kußgewohnten Lippen hatte fühlen müssen? Darum war er auch gleich so ruhig geworden und bescheiden, als wüßte er doch ganz genau, woran er wäre, und in seinem Blick stand zu lesen: Der Winter gehört mir, schöne Frau. Wir sind ja auch längst einverstanden. Wir wissen es beide, daß der Tod ein bittres Ding ist und Tugend nur ein leeres Wort, und daß man nichts versäumen soll. Aber es war ja gar nicht Bertram, der zu ihr sprach. Mit einemmal, während sie mit geschlossenen Augen dalag, hatte dem Antlitz Bertrams sich ein anderes untergeschoben, das jenes Kunstreiters oder Hochstaplers oder Mexikaners, der sie neulich so frech angestarrt hatte, ganz in der Art, wie es Doktor Bertram und alle möglichen anderen Leute taten. Sie hatten ja alle den gleichen Blick, alle, und immer dasselbe sagte und verlangte und wußte dieser Blick; und wenn man sich mit einem von ihnen einließ, so war man verloren. Sie nahmen die, die ihnen gerade gefiel und warfen sie wieder weg … Ja — wenn eine sich nehmen und wegwerfen ließ. Aber zu denen gehörte sie nicht. Nein, so weit war es mit ihr noch nicht gekommen. Flüchtige Abenteuer waren ihre Sache nicht. Wäre sie zu dergleichen geboren, wie könnte sie denn diese Geschichte mit Fritz so schwer nehmen? Und wenn sie nun leidet, bereut, sich abquält, so ist es nur, weil das, was sie getan hat, so völlig gegen ihre Art ist. Sie versteht es ja gar nicht recht, daß all das geschehen konnte. Es ist auch nicht anders zu erklären, als daß es in diesen unerträglich schwülen Sommertagen wie eine Krankheit über sie gefallen, sie wehrlos und wirr gemacht hat. Und wie die Krankheit gekommen ist, so wird sie auch wieder gehen. Bald, bald. Sie fühlt es ja in all ihren Pulsen, ihren Sinnen, in ihrem ganzen Leib, daß sie nicht dieselbe ist, die sie war. Kaum vermag sie ihre Gedanken zu sammeln. Wie fieberisch rasen sie durch ihr Hirn. Sie weiß nicht, was sie will, was sie wünscht, was sie bereut, kaum, ob sie glücklich oder unglücklich ist. Es kann nur eine Krankheit sein. Es gibt Frauen, bei denen solch ein Zustand lange dauert und gar nicht weichen will; so eine mag Fortunata sein, und jenes marmorblasse Fräulein Fallehn. Andere gibt es wieder, die überfällt es oder schleicht sich ein, und weicht bald von dannen. Und das ist ihr Fall. Ganz gewiß. Wie hat sie nur all die Jahre gelebt, seit Ferdinand dahingegangen ist! Keusch wie ein junges Mädchen, ja ohne Wunsch. Erst in diesem Sommer ist es über sie gekommen. Ob es nicht in der Luft liegen mag in diesem Jahr? Die Frauen alle sehen anders aus als sonst; die Mädchen auch, sie haben hellere, frechere Augen, und ihre Gebärden sind unbedenklich, lockend und voll Verführung. Man hört ja auch allerlei! Was war das nur für eine Geschichte von der jungen Arztesfrau, die nachts mit einem Ruderknecht auf den See hinausgefahren und erst am nächsten Morgen wieder heimgekommen sein sollte? Und die zwei jungen Mädchen, die drüben auf der Wiese, gerade als das kleine Dampfschiff vorbeifuhr, nackt gelegen, und plötzlich, ehe man sie zu erkennen vermochte, im Wald verschwunden waren? Gewiß, es liegt in der Luft in diesem Jahr. Die Sonne hat besondere Kraft, und die Wellen des Sees schmeicheln sich süßer um die Glieder als je. Und wenn der geheimnisvolle Bann sich löst, wird auch sie wieder werden wie sie war und durch das heiße Abenteuer dieser Tage und Nächte wie durch einen bald vergessenen Traum geglitten sein. Und wenn sie es wieder einmal nahen fühlt, wie sie es ja auch diesmal lang vorher nahen gefühlt, wenn die Sehnsucht ihres Blutes gefahrdrohend sich zu regen beginnt, so kann sie ja eine Rettung besserer und reinerer Art wählen als diesmal und, wie andere Frauen im gleichen Fall, eine zweite Ehe eingehen. Doch ein spöttisches wie von sich selbst überraschtes Lächeln stieg ihr nun auf die Lippen. Es fiel ihr jemand ein, der kürzlich dagewesen war und dem sie die redlichsten Absichten zutrauen durfte: der Advokat Doktor Teichmann. Sie sah ihn vor sich im funkelnagelneuen grünen, gelbgesprenkelten Touristenanzug, mit schottischer Krawatte, den grünen Hut mit dem Gamsbart verwegen auf dem Haupt, kurz in einem Aufzug, mit dem er ihr offenbar beweisen wollte, daß er sehr unternehmend auszusehen wußte, wenn er auch als ernster Mann unter gewöhnlichen Umständen auf derlei Äußerlichkeiten keinen Wert legte. Sie sah ihn dann, wie er beim Mittagessen auf der Veranda saß zwischen ihrem Sohn und ihrem Geliebten, bald an den einen, bald an den andern mit oberlehrerhafter Wichtigkeit das Wort richtend — und sah ihn in seiner ganzen lächerlichen Ahnungslosigkeit, die sie dazu gereizt hatte, in frecher Laune unterm Tisch mit ihrem Fritz zärtliche Händedrücke zu tauschen. Noch am selben Abend war er wieder abgereist, da er mit Freunden in Bozen zusammentreffen sollte; und obwohl Beate ihn zum Verweilen nicht aufgefordert hatte, schien er beim Abschied sehr aufgeräumt und hoffnungsvoll, denn in der übermütigen Stimmung jenes Sommertages hatte sie’s auch ihm gegenüber an aufmunternden und verheißenden Blicken nicht fehlen lassen. Nun tat ihr auch dies leid, wie so vieles andere, und sie sah der nächsten Unterredung mit ihm um so unsicherer entgegen, als ihr das allmähliche Schwinden ihrer Willenskraft in der tiefen Abspannung dieser Stunde besonders schmerzlich bewußt ward. Mit gleicher Beschämung erinnerte sie sich jenes Gefühls von Hilflosigkeit, das sie während ihrer letzten Gespräche mit Direktor Welponer manchmal überkommen hatte; und doch schien es ihr, daß sie, vor eine Wahl gestellt, sich eher als die Gattin des Direktors denken könnte, ja sie mußte sich gestehen, daß diese Vorstellung eines gewissen Reizes für sie nicht entbehrte. Heute war ihr sogar, als hätte dieser Mann sie seit jeher interessiert; und was der Baumeister in der letzten Zeit von großartigen Spekulationen und Kämpfen des Bankdirektors erzählt, in denen er gegen Minister und Mitglieder des Hofes den Sieg davongetragen hatte, war durchaus geeignet gewesen, Beatens Neugier und Bewunderung zu erregen. Übrigens hatte auch Doktor Teichmann ihn gesprächsweise ein Genie genannt und ihn in der Kühnheit seiner Unternehmungen, was für Teichmann jederzeit das Höchste bedeutete, mit einem todesmutigen Reitergeneral verglichen. So durfte es Beaten wohl ein wenig schmeicheln, wenn gerade dieser Mann sie zu begehren schien, ganz abgesehen von der Genugtuung, die es ihr bereiten würde, der Frau den Mann zu nehmen, die ihr einmal den ihren geraubt hatte. Mir den meinen? fragte sie sich mit verwirrtem Staunen. Was ist mir nur? Wo gerate ich hin? Glaube ich es denn? Es kann ja nicht wahr sein. Alles andere, aber nicht das. Davon hätte ich doch etwas merken müssen. Merken müssen? Warum? War Ferdinand nicht ein Schauspieler und ein großer dazu? Warum sollte es nicht geschehen sein, ohne daß ich es gemerkt habe? Ich war ja so vertrauensvoll, da ist’s wohl nicht schwer gewesen, mich zu betrügen. Nicht schwer … Aber darum muß es noch nicht geschehen sein. Fritz ist ein Schwätzer, ein Lügner, und auch die Gerüchte sind lügnerisch und dumm. Und wenn es doch geschehen ist, nun, so ist es lang vorbei. Und Ferdinand ist tot. Und die damals seine Geliebte war, ist eine alte Frau. Was geht mich all dies Vergangene an? Was jetzt zwischen dem Direktor und mir sich abspielt, ist eine ganz neue Geschichte, die mit jener vergangenen nichts mehr zu tun hat. Wahrhaftig, dachte sie weiter, es wäre so übel nicht, eines Tages dort oben einzuziehen in die fürstliche Villa mit dem großen Park. Welcher Reichtum, welcher Glanz! Und welche wunderbaren Aussichten für Hugos Zukunft! … Freilich, jung war er nicht mehr. Und das kam immerhin einigermaßen in Betracht, besonders wenn man so verwöhnt war wie sie in der letzten Zeit. Ja, gerade im Laufe dieses Sommers, im Laufe dieser letzten Wochen schien er sonderbar rasch zu altern. Ob daran nicht die Liebe zu ihr mit schuld war? Nun, was tut’s? Es gibt ja Jüngere auch, man wird ihn eben betrügen; es ist offenbar sein Los. Sie lachte kurz, es klang häßlich und bös, und sie fuhr auf wie aus einem wüsten Traum. Wo bin ich? Wo bin ich? flüsterte sie vor sich hin. Sie rang die Hände himmelwärts. Wie tief noch läßt du mich sinken! Gibt es denn keinen Halt mehr? Was ist’s denn, was mich so elend macht und so erbärmlich? Was macht, daß ich überallhin ins Leere greife und nicht besser bin als Fortunata und alle Weiber dieser Art? Und plötzlich mit versagendem Herzschlag wußte sie’s, was sie elend machte: der Boden, auf dem sie jahrelang in Sicherheit dahingewandelt, schwankte, und der Himmel dunkelte über ihr: der einzige Mann, den sie je geliebt, ihr Ferdinand, war ein Lügner gewesen. Ja … sie wußte es nun. Sein ganzes Leben mit ihr war Trug und Heuchelei gewesen; mit Frau Welponer hatte er sie betrogen und mit anderen Frauen, mit Komödiantinnen und Gräfinnen und Dirnen. Und wenn in schwülen Nächten der matte Zauber des Nebeneinanderseins ihn in Beatens Arme gedrängt hatte, so war es von allen Lügen die schlimmste und niedrigste gewesen, denn an ihrer Brust, sie wußte es, hatte er der andern, all der andern in lüsterner Tücke gedacht. Warum aber wußte sie es mit einemmal? Warum? Weil sie nicht anders, nicht besser gewesen war als er! War es denn Ferdinand gewesen, den sie in ihren Armen hielt, der Komödiant mit der roten Nelke, der oft genug erst um drei Uhr morgens, nach Weine riechend, aus der Kneipe nach Hause kam? Der großrednerisch mit trüben Augen leere und unsaubere Dinge schwatzte? Der als junger Mensch von Gnaden einer alternden Witwe seine vornehmen Passionen bestritten und in lustiger Gesellschaft zärtliche Briefchen vorgelesen hatte, die ihm verliebte Närrinnen in die Garderobe sandten? Nein, den hatte sie niemals geliebt. Dem wäre sie ja davongelaufen im ersten Monat ihrer Ehe. Der, den sie liebte, war nicht Ferdinand Heinold gewesen; Hamlet war es, und Cyrano und der königliche Richard und der und jener, Helden und Verbrecher, Sieger und Todgeweihte, Gesegnete und Gezeichnete. Und auch der unheimlich Glühende, der einst in verhangener Sommernacht aus dem verschwiegenen Dämmer des Ehgemachs sie mit sich in den Garten gelockt zu unsäglichen Wonnen, das war nicht er gewesen, sondern irgendein geheimnisvollgewaltiger Geist aus den Bergen, den er spielte, ohne es zu wissen — spielen mußte, weil er ohne Maske nicht zu leben vermochte, weil ihn davor geschauert hätte, im Spiegel ihres Auges je sein wahres Gesicht zu erblicken. So hatte sie ihn immer betrogen, wie er sie, — hatte stets, eine Verlorene von Anbeginn, ein Dasein phantastisch-wilder Lust geführt; nur daß es niemand hatte ahnen können, nicht einmal sie selbst. — Jetzt aber war es offenbar geworden. Immer tiefer zu gleiten war sie bestimmt, und eines Tages, wer weiß wie bald; wird es der ganzen Welt klar sein, daß ihre ganze bürgerliche Wohlanständigkeit eine Lüge war, daß sie um nichts besser ist als Fortunata, Wilhelmine Fallehn und all die andern, die sie bis heute verachtet hat. Und auch ihr Sohn wird es wissen; und wenn er die Sache mit Fritz nicht glaubt, so wird er eine nächste glauben und glauben müssen; — und plötzlich sieht sie ihn leibhaftig vor sich mit schmerzlichen, weit aufgerissenen Augen, die Arme abwehrend vor sich hingestreckt; und wie sie sich ihm nähern will, wendet er in Grauen sich ab und eilt davon mit traumhaft fliegenden Schritten. Und sie stöhnt auf, mit einem Male wieder völlig wach. Hugo verlieren?! Alles, — nur das nicht. Lieber sterben, als keinen Sohn mehr haben. Sterben, ja. Denn dann hat sie ihn wieder. Dann kommt er an das Grab der Mutter und kniet nieder und schmückt es mit Blumen und faltet die Hände und betet für sie. Rührung schleicht bei diesem Gedanken, süß und widerlich, trügerisch-friedvoll in ihre Seele. Doch tief in ihr raunt es: darf ich denn ruhen? Habe ich denn nicht noch über vieles nachzudenken? Gewiß … Morgen geht es ja auf die Reise. Morgen … Was ist da noch alles zu tun … So viel … so viel …

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