Das Weib lief in die Hütte, und kam bald mit einem brennenden Buchenspan zurück. Sie ging mit dem Span durch das Tor ein, der Reiter mit dem Pferde folgte ihr, und hinter ihm gingen der Mann und die Kinder. Sie kamen in einen Stall. Zwei Kühe hingen in einer Ecke dicht bei einander, und für das Pferd hatte man einen freien Platz gemacht. Es wurde dort angebunden, und der Reiter und der Mann befreiten es von Zaum und Sattel. Der Reiter deckte seinen Mantel über dessen Rücken. Die Kinder schauten zu. Dann ging man von dem Stalle durch eine kleine Tür in die Stube. In der Stube stand ein hoher Pflock, der mehrere eiserne Schleifen hatte. In zweien dieser Schleifen staken brennende Buchenspäne. Die Frau steckte ihren Span in eine dritte Schleife. Der Reiter setzte sich auf einen hölzernen Stuhl. Die Frau deckte ein Linnen auf einen Tisch von weichem Holze und stellte dann eine Schüssel mit Suppe auf den Tisch. Der Reiter, der Mann, die Frau und die Kinder aßen von der Suppe. Dann sagte der Mann: »Ich werde Euch Euer Pferd besorgen, da Ihr müde sein mögt.«
»Wir werden es beide besorgen«, antwortete der Reiter.
Der Mann nahm einen Span, ging dem Reiter voran in den Stall, und dieser folgte ihm. In dem Stalle gab der Reiter dem Pferde von dem Futter, das schon vorgerichtet war. Dann ging man wieder in die Stube. Als dieses so oft geschehen war, als sich nötig zeigte, bis das Pferd seine völlige Pflege erhalten hatte, sagte der Mann: »Jetzt begeben wir uns zur Ruhe, und ruhet Euch recht gut.«
»Ihr auch«, sagte der Reiter.
Die Frau brachte die Kinder in ein Seitenkämmerlein der Stube, und der Mann folgte der Frau und den Kindern.
Der Reiter schnallte sein Schwert ab, nahm seine Haube von dem Kopfe, löschte die Späne aus, legte sich angekleidet auf ein Bett, das in einer Ecke der Stube stand, legte sein Schwert neben sich, und bereitete sich zum Schlummer.
Als des andern Tages die Sonne über den Wald empor ging, stand der Reiter wieder mit seiner Haube auf dem Kopfe und mit dem Schwerte an der Lende vor der Hütte. Es war ein Stückchen Feld und Wiese um diese wie um die anderen Hütten. Die schwarzen Erhöhungen, welche Kohlenmeiler waren, brannten und rauchten wie gestern.
Aus der Hütte kam die Frau mit den Kindern, die heute morgens schöner angekleidet waren, und sagte: »Kommt zur Suppe, lieber Herr.«
Der Reiter ging in die Stube, und alle zusammen verzehrten eine Schüssel voll warmer Milch mit Roggenbrot.
Der Reiter ging dann in den Stall, und vollendete die Morgenpflege seines Pferdes.
Als dieses vorüber war, sagte er: »Weil heute Sonntag ist, soll das Pferd ruhen. Ich werde in den Wald hinauf und zu dem Fels der drei Sessel gehen. Ich habe ihn gestern von dem Rande des breiten Berges aus betrachtet. Am Nachmittage werde ich wieder zurückkehren. Du, Mathias, besorge die Mittagpflege des Pferdes, wie du schon weißt.«
»Ich werde es betreuen, wie das schöne milchweiße Pferd in Plan, welches Ihr gehabt habt«, sagte der Mann.
»Das weiße Pferd wäre mir zu dem, was ich jetzt vorhabe, doch zu schwach«, entgegnete der Reiter.
»So steckt doch wenigstens ein Stück Brot zu Euch«, sagte die Frau.
Der Reiter nahm das dargereichte Stück Brot, und barg es in seinem Wamse.
Dann ging er gegen das Wasser, welches in der Nähe der Hütte vorüber floß. Die Bewohner der Hütte begleiteten ihn bis an das Wasser.
»Euer Mihelbach fließt recht schön an deiner Hütte vorüber«, sagte der Reiter.
»Ja«, erwiderte der Mann, »zuweilen aber nicht oft auch in dieselbe hinein.«
»Nun gehabe dich wohl, Mathias, und Ihr auch, Frau, mit Euern Kindlein«, sagte der Reiter.
»Gehabt Euch wohl, junger Herr«, antwortete der Mann.
»Erhitzt Euch nicht zu sehr, und kommt gesund wieder zurück«, sagte die Frau.
»Es wird schon so geschehen«, erwiderte der Reiter.
Dann ging er auf dem flachen Holzstege über das Wasser, die andern gingen gegen die Hütte zurück.
Jenseits des Wassers ging er in dem Walde empor. Der Himmel war ganz blau, und man konnte die Waldglocken von Rindern und manchen Schrei eines Vogels hören. Der Reiter wich zuweilen von dem Pfade ab, und ging auf eine Waldblöße hinaus.
Auf einer solchen Waldblöße, auf welcher kurzes Gras und kleine weiße Blümchen waren, und an deren Rande große Ahorne standen, lag, als die Ahorne endeten, ein sehr großer Stein, fast so groß als ein Haus, als wäre er von Menschenhänden hingelegt worden, und an dem Steine stand eine ungemein hohe Tanne. Der Reiter kniete an der Tanne nieder, und verrichtete ein Gebet. Als er gebetet hatte, stand er wieder auf, und ging am Rande der Blöße weiter. Er kam wieder zu Ahornen, unter denen abermals Steine lagen, aber kleine, als wären sie zum Sitzen hergelegt worden. Der Reiter versuchte die Steine als Sitze, und sie taugten. Da er wieder aufgestanden war, und weiter gehen wollte, hörte er plötzlich Stimmen. Es war ein Gesang so klar und schmetternd wie von Lerchen. Es waren aber nicht Lerchenstimmen, sondern Menschenstimmen, Mädchenstimmen. Sie sangen jenes Lied ohne Worte, in welchem im Walde und in Bergen das Herz sich in allerlei Schwingungen der Stimme, im Stürzen und Heben derselben, im Wandeln und Bleiben ausspricht. Es waren zwei Stimmen, die im Vereine und in Verschlingungen klangen. Sie erklangen, hoben sich, senkten sich, trugen sich, trennten sich, neckten sich, schmollten und jubelten. Es war die Lust und Freude, die sie tönten. Der Gesang schien näher zu kommen. Mit einem Male traten zwei Gestalten aus den Tannen hervor, und standen am Rande derselben Blöße wie der Reiter und in nicht großer Entfernung von ihm. Sie hielten sich mit zwei Armen die Nacken umschlungen, die anderen zwei Arme hatten sie frei. Es waren junge Mädchen mit bloßen Köpfen, von deren jedem zwei Zöpfe niedergingen. An den Armen war weißes Linnen, von den Brustlatzen, die rot waren, fiel der starkfaltige schwarze Rock hinab. Eines der Mädchen trug wilde rote Rosen, neben einander stehend, um das Haupt. Das andere hatte keine Zierde. Da sie auf die Wiese getreten waren, und den Mann sahen, hörte ihr Gesang auf. Sie blieben stehen, sahen auf ihn hin, und er stand gleichfalls, und sah auf sie. Dann begann er langsam gegen sie hin zu gehen. Sogleich trat das Mädchen, welches keine Rosen hatte, in den Wald zurück, das andere blieb stehen. Der Reiter ging zu demselben hin. Da er bei ihm angekommen war, sagte er: »Was stehst du mit deinen Rosen hier da?«
»Ich stehe hier in meiner Heimat da«, antwortete das Mädchen; »stehst du auch in derselben, daß du frägst, oder kamst du wo anders her?«
»Ich komme anders woher«, sagte der Reiter.
»Wie kannst du dann fragen?« entgegnete das Mädchen.
»Weil ich es wissen möchte«, antwortete der Reiter.
»Und wenn ich wissen möchte, was du willst«, sagte das Mädchen.
»So würde ich es dir vielleicht sagen«, antwortete der Reiter.
»Und ich würde dir vielleicht sagen, warum ich mit den Rosen hier stehe«, entgegnete das Mädchen.
»Nun, warum stehst du da?« fragte der Reiter.
»Sage zuerst, was du willst«, erwiderte das Mädchen.
»Ich weiß nicht, warum ich es nicht sagen sollte«, erwiderte der Reiter, »ich suche mein Glück.«
»Dein Glück? hast du das verloren?« sagte das Mädchen, »oder suchst du ein anderes Glück, als man zu Hause hat?«
»Ja«, antwortete der Reiter, »ich gehe nach einem großen Schicksale, das dem rechten Manne ziemt.«
»Kennst du dieses Schicksal schon, und weißt du, wo es liegt?« fragte das Mädchen.
»Nein«, sagte der Reiter, »das wäre ja nichts Rechtes, wenn man schon wüßte, wo das Glück liegt, und nur hingehen dürfte, es aufzuheben. Ich werde mir mein Geschick erst machen.«
»Und bis du der rechte Mann, wie du sagst?« fragte das Mädchen.
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