Einzelmaske – Konfusion
Weil er schon so lange draussen in der Welt als ehemaliger CEO und CFO und jetzt als Verwaltungsrat im Geschäft sei, müsse man ihm nicht sagen, ob ein Betrieb laufe oder nicht. Das rieche und lese er zwischen den Zeilen. Ganz wichtig sei jedoch, dass man den Leuten zu verstehen gebe, dass man als Verwaltungsratspräsident nicht eine operative Rolle habe, sondern Inputs und Probleme an den CEO weiterleite. Wenn man anfange drein zu pfuschen, komme es zu Konfusionen im ganzen Betrieb – da müsse man unheimlich aufpassen. Die Versuchung sei natürlich gross, ins Operative «hinein zu wurschteln», aber da müsse man sich zurückhalten.
Berührungsängste
In seinem Verwaltungsrat hätten sie auch einen Rechtsgelehrten, der mindestens vier Mal pro Jahr mit dem Rechtsdienst zusammensitze und offene Fragen diskutiere. Auch für den Technikbereich sitze jemand im Verwaltungsrat. Dieser gehe regelmässig in die Forschungs- und Entwicklungslaboratorien und zusätzlich auch Werke anschauen. Alle Verwaltungsräte seien regelmässig in der Kantine anzutreffen, sässen mit den Mitarbeitern ohne gegenseitige Berührungsängste an einem Tisch und sprächen mit ihnen. Man denke weniger in Hierarchien. Aus eigener Erfahrung wisse er, dass auch eine weltweit tätige Firma mit zigtausenden von Mitarbeitern eine Corporate Identity bis ganz nach unten verbreiten könne. Er kenne aber auch Verwaltungsratsgremien, in welchen die Beziehungen zu den Mitarbeitern nicht so direkt und intensiv gepflegt würden. Dort bestehe eine grössere Distanz zwischen dem Verwaltungsrat und der Konzernleitung. Schon gar nicht könne man schnell anrufen, weil man zufällig in einer Region sei, und fragen, ob man den Betrieb besuchen könne. In anderen Unternehmen wiederum sei dies überhaupt kein Problem.
Millionen für Mitarbeiterschulung
Ein gemeinsames Weltbild und Wertesystem zu haben sei ganz wichtig für eine Firma. Dazu diene eine interne Schulung, die alle Mitarbeiter in seinem Unternehmen genössen. Alle 18 Monate besuchten seine zigtausenden Angestellten ein Lager. Klar koste dies einen zweistelligen Millionenbetrag, aber das Payback sei gewaltig. Die Leute, die einen solchen Campus führten, seien selbst entsprechender Nationalität, beispielsweise Chinesen oder Japaner, damit man explizit auf die verschiedenen kulturellen Situationen eingehen könne. Die Leiter würden eng untereinander zusammenarbeiten. Jeder Mitarbeiter sollte in den Firmenrahmen und die Kultur hineinpassen, und wer ganz anders ticke, sollte gehen.
«Sauladen»
Beziehungen innerhalb des Unternehmens seien sehr wichtig. Natürlich käme es auch ein bisschen auf die Grösse der Gesellschaft an. Er habe eine Firma in den USA besucht, deren Hauptaktionär er sei; ein wahrer «Sauladen» sei das gewesen. Er habe direkt gesagt, dass in seinem Betrieb diese Leute «geschasst» worden wären. Seine direkte Art werde von den einen geschätzt, von anderen nicht so sehr.
Montagearbeit – neue Tendenz
Regelmässig esse er in der Firmenkantine. Ihm sei diese Kontaktpflege wichtiger als anderen Verwaltungsratskollegen. Er sei auch regelmässig auf Baustellen anzutreffen. In einem Audit-Komitee sehe man nur Zahlen, er möchte aber wissen, was in einem Industrieunternehmen hinter den Fragen der Technical Compliance und einem Audit Report stecke und wie dieser zu interpretieren sei. Wesentlich sei ihm, ob das Produkt sicher sei und was die Firma dafür tue. Deshalb habe er zwei Tage einem Monteur bei seiner Arbeit zugeschaut und auch aktiv geholfen. Er glaube, das sei die neue Tendenz, wie man die Arbeit und die Verantwortung in einem Verwaltungsrat angehen sollte. Er stelle fest, dass vor allem bei den jüngeren Verwaltungsratsmitgliedern ein Bedürfnis bestehe, zu erfahren, was im Betrieb passiere. Das sei aber in einem Industrieunternehmen einfacher als in einer Bank.
Preisvergaben – Extrameile
Sein Verwaltungsrat würde firmenintern verschiedene Preise ausschreiben, die immer mit einer Teamarbeit verbunden seien. So binde man die Angestellten zusammen, und es sei eine Form der Anerkennung und Wertschätzung für sie. Das Aufsichtsgremium sei in den ganzen Prozess involviert, sitze in der Jury und verteile auch die Preise. Die Preisvergabe trage sehr viel zur Firmenzufriedenheit bei und auch dazu, dass die Mitarbeiter gerne einmal eine Extrameile für das Unternehmen laufen. Nebenbei bemerkt sei, dass an Umfragen zur Personalzufriedenheit sich 93 Prozent der Angestellten beteiligten und 88 Prozent davon stolz seien, für diese Firma zu arbeiten. Aber die Extrameile müsse vom Verwaltungsrat und der Konzernleitung vorgelebt werden, sonst funktioniere es nicht. Dies würde man leider in vielen Verwaltungsräten nicht kapieren.
Fussballspiel
Selbstverständlich gehe er in der Firmenkantine essen, auch spiele er Fussball mit den Mitarbeitern. Meist komme er zu Fuss oder mit dem Velo in den Betrieb. Das seien kleine Sachen, die den Angestellten Eindruck machten.
Lachen
Als Verwaltungsratspräsident gehe er immer an Personalanlässe, weil er die Atmosphäre spüren möchte. Dort, in Diskussionen und daraus, ob es Fragen gebe oder nicht, ob die Leute lachten, zusammen sprächen, ob die Direktion in einer Ecke und das Personal in einer anderen sitze, nehme er die Beziehung zwischen der Direktion und dem Personal wahr. Es liege ihm viel daran, all dies mitzuerleben, denn sonst sei man völlig isoliert.
Ein Witz
Es gebe Generalversammlungen, die seien wie eine Landsgemeinde und nur die Hauptaktionäre seien anwesend, besonders bei Familienunternehmen. Aber wenn man an eine Generalversammlung eines Grosskonzerns gehe, wo vielleicht gerade mal fünf Prozent der Stimmen im Raum seien und die anderen elektronisch abgestimmt hätten, dann werde die Generalversammlung zu einem Witz, weil man die Resultate schon zuvor kenne. Dann könne man im Raum nichts mehr bewegen. Er sei überzeugt, dass die Generalversammlungen langsam verschwinden würden; eine Alternative sei aber leider noch nicht gefunden. Das Zählen der Stimmen der Kleinaktionäre sei heutzutage absurd. Aber trotzdem sollte man deren Voten ernst nehmen, weil gerade diese Stimmen eine wichtige politische Aussage seien.
Herumschwirren
Ein Verwaltungsrat sollte sich vom Tagesgeschäft abheben. Er empfinde es als heikel, wenn der sich in der Firma zeige. Schlussendlich habe er eine Aufsichtsfunktion wahrzunehmen. Als Verwaltungsratspräsident würde er es nicht zulassen, dass einzelne Mitglieder in der Firma herumschwirrten und dort ihre Gedanken, Überzeugungen und Strategien preisgeben; das habe er schon erlebt, und es sei gefährlich. Dabei würden die Verwaltungsräte vom lokalen Management absorbiert und mit allerlei Wünschen bombardiert, die sie nachher ins Gremium einbrächten. Es gehe nicht an, dass man hinten herum mit dem Management Sachen bespreche. Selbstverständlich hätten alle Verwaltungsratsmitglieder Anspruch auf sämtliche Informationen zum Unternehmen, aber nicht als Einzelmaske. Das müsse kontrolliert und mit Disziplin erfolgen, aber nicht, weil man etwas verheimlichen wolle. Es gehe vielmehr um die Glaubwürdigkeit des Verwaltungsrates als gesamtes Team.
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