Mein Vater, der schon einige Jahre vor meiner Mutter gestorben war, hatte viele kluge Sprüche auf Lager. Einer seiner Lieblingssätze war: »Nichts ist so schlecht, als dass nicht noch was Gutes dabei wäre.« Mein Kraftsatz »Nichts passiert ohne Grund« hat seine Wurzeln in dem Satz meines Vaters. Doch was soll an diesem 10. August gut gewesen sein? Was soll man Positives aus einem Tag wie diesem ziehen können? Welchen – guten – Grund gab es für diesen 10. August in meinem Leben?
Antworten auf diese Fragen bekommt man oft erst in der Nachbetrachtung. Und auch ich wusste erst Wochen später, was das Gute daran war und warum das alles passieren musste.
Drei Wochen durfte meine Mutter noch leben, erst im Krankenhaus, dann gepflegt von meiner Schwester in deren Wohnung. Einige Tage davon durfte ich sie noch füttern, sie auf die Toilette bringen – sie konnte aufgrund der Metastasen schon länger nicht mehr laufen – und ihr zuhören. Dann starb sie an einem Freitagmittag, und ich durfte neben ihr sitzen.
Kurz nachdem sie die Augen für immer geschlossen hatte, rief ich meinen Mann an, der mit unserer Tochter kam, um mich abzuholen. Und in den Wochen darauf dämmerte es mir, warum es das Schicksal an diesem 10. August doch recht gut mit mir gemeint hatte.
Wäre mir an diesem Tag nicht diese Sendung gekündigt worden, hätte ich die letzten drei Wochen, die meine Mutter noch lebte, pflichtbewusst meine Arbeit getan und meine Sendungen moderiert. Ich wäre nur am Wochenende zu ihr gefahren. So aber hatte ich zehn Tage mit ihr im Krankenhaus. Sie erzählte mir viele Geschichten aus ihrer Kindheit. Diese Zeit kann mir keiner mehr nehmen.
Drei Monate nach dem Tod meiner Mutter wurde ich schwanger. Für meinen Mann und mich war es durch die Ereignisse völlig klar, dass wir zusammengehören. Ich war damals schon 38 Jahre und wurde sehr schnell schwanger. Ich bin bis heute fest davon überzeugt, dass meine Mutter uns unseren Sohn geschickt hat. Er kam vier Tage vor ihrem ersten Todestag auf die Welt. Sie können sich vielleicht vorstellen, wie viele Tränen ich an diesen Tagen geweint habe. Vor Freude und vor Kummer.
Ein paar Wochen nach dem Gespräch mit meinem Chef bekam ich von ihm einen langen handgeschriebenen Brief, wie leid es ihm täte, dass er ausgerechnet an diesem Tage mit dieser Kündigung gekommen war. Diesen Brief habe ich aufgehoben. Er hat mich im Nachhinein sehr mit der Situation versöhnt. Doch eigentlich bin ich ihm bis heute – ganz im Stillen – sehr dankbar für diese Kündigung zur genau richtigen Zeit.
Vielleicht ist es Ihnen auch schon mal so ergangen, dass Sie dachten, das Schicksal meint es gerade besonders übel mit Ihnen. Es muss ja nicht immer gleich ein »10. August« sein. Da reichen viel geringere Anlässe. Ein Beinbruch am ersten Tag des Skiurlaubs oder eine Steuernachzahlung, die sich gewaschen hat. Manchen Frauen soll schon ein missglückter Haarschnitt ausreichen (habe ich tatsächlich schon mal bei einer Freundin erleben müssen!), um sich voll und ganz vom Schicksal bestraft zu fühlen. Wenn es Ihnen dann gelingt, sich mit dem Glauben, dass es für irgendetwas gut sei, auch wenn Sie im Moment noch keine Ahnung haben, wofür, verankern können, wird Ihnen der »Schicksalsschlag« schon gleich weniger heftig vorkommen.
Wer weiß, wofür es gut ist?
Folgende kleine Geschichte zeigt, wie viel Aufregung man sich im Leben erspart, wenn man nur fest an die Aussage »Nichts passiert ohne Grund« glaubt:
Ein alter Mann bearbeitete mit seinem einzigen Sohn einen kleinen Hof. Sie hatten nicht mehr als ein Stückchen Land und ein Pferd, das den Pflug zog. Eines Tages lief das Pferd davon. Da kamen die Menschen aus dem Dorf und bedauerten den armen Mann: »Armer Alter, jetzt müsst Ihr die ganze schwere Arbeit ohne Pferd machen. Oh weh, oh weh.« Doch der alte Mann sagte nur: »Wer weiß, wer weiß, wofür es gut ist.«
Wenige Tage später kehrte das Pferd auf den Hof zurück und führte eine Herde wunderschöner Wildpferde mit sich. Und wieder kamen die Dorfbewohner und jubelten diesmal: »Was für ein Glück ihr habt. Ihr seid wirklich zu beneiden.« Und wieder sagte der alte Mann nur: »Wer weiß, wer weiß, wofür es gut ist.«
Am nächsten Tag wollte der Sohn eines der Wildpferde zureiten, fiel dabei aus dem Sattel und brach sich ein Bein. Schnell kamen die Leute aus dem Dorf angerannt, um zu lamentieren. Denn nun musste der arme Mann die schwere Feldarbeit ohne Unterstützung seines kräftigen Sohnes schaffen. Doch wieder sagte der Alte nur: »Wer weiß, wer weiß, wofür es gut ist.«
Kurze Zeit später brach mit dem Nachbarland ein Krieg aus. Soldaten kamen in das kleine Dorf und nahmen alle jungen Männer mit, die an der Front dienen mussten. Viele von ihnen starben und kehrten nie zurück. Nur den Sohn des Alten konnte man mit seinem gebrochenen Bein für den Krieg nicht gebrauchen. »Wer weiß, wer weiß schon, wofür es gut ist?«
Beneidenswert, die Einstellung des Alten. Doch wie kommt man an den Punkt, dass man mit großer innerer Überzeugung gewisse Dinge annehmen kann mit dem »Wissen«, dass daraus auch etwas Gutes wachsen wird?
Menschen, die öfter »wer weiß, wer weiß, wofür es gut ist« denken, sind oft insgesamt positive »Denker«. Deren Gedankenautobahnen im Hirn sind nicht nur breite graue Streifen. Deren Hirnwindungen sind bepflanzt mit grünen Mittelstreifen und blühenden Randstreifen. Die Gründe, warum das bei den einen so ist und bei anderen nicht, sind ganz unterschiedlich. Da spielen vor allem unsere Vorbilder eine wichtige Rolle. Aber die gute Nachricht ist: Jeder kann positives Denken lernen. Das dauert eine Weile, bis die alte Autobahn gegen eine neue ersetzt ist, aber der Aufwand lohnt sich.
Umparken im Kopf mit Affirmationen
Nehmen Sie auch immer den gleichen Weg zur Arbeit oder in den Supermarkt? Vermutlich schon. Denn der Weg ist Ihnen vertraut. Sie müssen nicht darüber nachdenken, wie Sie dort hinkommen. Sie finden den Weg praktisch von alleine. So ergeht es Ihren Gedanken auch. Das, was Sie jahre- oder sogar jahrzehntelang gedacht haben, hat sich als sehr breiter Weg in Ihr Gehirn gegraben. Es ist leicht, immer dasselbe zu denken. Wer groß geworden ist mit Selbstvorwürfen, wird sich bei jeder Gelegenheit selbst anklagen. Darüber denkt man gar nicht mehr nach. Man geht diesen Weg gedanklich sozusagen von alleine. Um nun neue Wege zu gehen, müssen Sie üben. Zunächst einmal müssen Sie einen neuen Weg finden. Manchmal müssen Sie dabei auch Umwege nehmen (seien Sie geduldig mit sich, wenn Sie nicht gleich den richtigen Weg finden. Umwege sind oft besser als ihr Ruf, denn »Umwege erhöhen die Ortskenntnis«). Und wenn Sie den richtigen Weg für sich gefunden haben, ist das erst mal nur ein Trampelpfad. Sie müssen diesen neuen Weg oft, sehr oft gehen/denken, um aus dem Trampelpfad einen Weg, eine Straße, eine Autobahn zu machen.
Der Nachteil ist also, dass es Zeit kostet, diesen Weg zu gehen. Der Vorteil: Der Weg hat kaum Steigungen, er lässt sich also leicht gehen.
Das Vehikel, das Sie auf dieser Straße voranbringt, nennt sich Affirmation. Das sind positive, selbstbejahende Sätze, die man sehr häufig wiederholt. Dies ist eine sehr einfache Methode, um sein Denken und damit sein Verhalten und Handeln zu ändern. So wie negative Glaubenssätze aus der Kindheit beeinflussen, so können auch die neuen, positiven Affirmationen ins Unterbewusstsein eindringen und dort wirken.
Negative Affirmationen, die oft Begleiter seit Kindheitstagen sind, können lauten:
• Ich bin so blöd.
• Ich kann nichts richtig.
• Ich bin nicht liebenswert.
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