Aus Angst vor Ablehnung und dem Drang nach Anerkennung habe ich die unterschiedlichsten Masken getragen und immer wieder versucht, es so vielen Menschen wie möglich recht zu machen. Ich muss wohl nicht erwähnen, dass ich mich dadurch immer weiter von mir selbst entfernt habe. Dabei ist die eigene Persönlichkeit der wichtigste Faktor für erfolgreiche Veränderung. Nur wer sich an seinen innersten Bedürfnissen orientiert, der kann auch in seinem Verhalten maximal flexibel sein. Oder noch deutlicher ausgedrückt: Eine einzigartige und stabile Persönlichkeit ist in Zeiten von komplexem und intensivem Wandel der beste Kompass, den Sie sich wünschen können. Wir müssen wir selbst bleiben, um uns verändern zu können.
Bleiben Sie Sie selbst, um sich verändern zu können.
Es lohnt sich also, einen genaueren Blick auf dieses wunderbare Konstrukt namens Persönlichkeit zu werfen. Denn wenn wir wissen, wie wir wirklich ticken, dann verstehen wir auch unser Verhalten und unsere grundsätzlichen Strategien im Leben viel besser. Dadurch wird jede Form von Kommunikation einfacher, was uns wiederum dabei hilft, in sämtlichen Lebensbereichen erfolgreicher zu sein. Doch ist es wirklich möglich, in Menschen hineinzublicken und herauszufinden, was ihre innersten Bedürfnisse sind? Die Antwort hierauf ist ein eindeutiges Ja. Dies gelingt aber nur, wenn Sie wissen, worauf Sie achten müssen. Denn unser äußeres Verhalten ist immer ein Spiegel unserer tiefsten Motive. Dieser Zusammenhang ist mir vor vielen Jahren zum ersten Mal so richtig bewusst geworden, als ich Tony Robbins in einem Ted Talk von den Six Human Needs sprechen hörte. 9Sofort war ich von dem Ansatz fasziniert und kombinierte die Grundidee mit weiteren Philosophien und Denkschulen, etwa der Maslow’schen Bedürfnispyramide, den Satir-Kategorien, dem DISG-Modell und weiteren Ansätzen der Persönlichkeitsanalyse. Herausgekommen ist nach vielen Jahren intensiven Studiums mein eigenes Modell der Kernbedürfnisse, welches mir seither als bevorzugtes Werkzeug dient, wenn ich mit Unternehmern an Veränderungen arbeite.
Das Modell der Kernbedürfnisse
Die grundlegende Idee hinter den Kernbedürfnissen ist folgende: Jeder Mensch wird von den gleichen Grundbedürfnissen angetrieben. Vier davon basieren auf Mangel. Sind diese erfüllt, dann gibt es noch zwei weitere, die persönliches Wachstum als Antrieb haben. Bevor wir uns die einzelnen Motive etwas genauer anschauen, möchte ich Ihnen zuerst das komplette Modell vorstellen, welches ich in der folgenden Abbildung zusammengefasst habe.
Das Modell der Kernbedürfnisse
Schauen wir uns nun die Kernbedürfnisse im Einzelnen an:
1. Kernbedürfnis Freiheit:Einer unserer stärksten inneren Antreiber ist die Freiheit. Wir alle brauchen Abwechslung in unserem Leben und genießen das Gefühl von Unabhängigkeit, Überraschungen und neuen Reizen. Typische Merkmale sind: Sprunghaftigkeit, regelmäßiger Job- oder Partnerwechsel, sich nicht festlegen wollen, Experimentierfreude und Umsetzungskompetenz. Das Kernbedürfnis in einem Satz lautet: Niemand schreibt mir vor, was ich zu tun oder zu lassen habe .
2. Kernbedürfnis Sicherheit:Genauso intensiv ist unser Sicherheitsbedürfnis, das Streben nach Kontinuität, Stabilität und Beständigkeit, mit dem wir Ruhe, Geborgenheit und Schutz sicherstellen wollen. Typische Merkmale: Routinen, Gewohnheiten, Zögern, Zaghaftigkeit, Verlässlichkeit und Risikoaversion. Das Kernbedürfnis in einem Satz: Alles soll so bleiben, wie es ist .
3. Kernbedürfnis Individualität:Hier geht es um das starke Bedürfnis nach Anerkennung, danach Bedeutung zu erlangen und unsere Einzigartigkeit herauszustellen. Egal, ob im Job oder zu Hause: Jeder von uns will sich einmalig fühlen, wichtig sein und das Gefühl haben, einen Unterschied zu machen. Typische Merkmale: auffällige Kleidung, Extravaganz, Selbstzweifel, Kreativität, im Mittelpunkt stehen wollen, laut sein und Extravertiertheit. Das Kernbedürfnis in einem Satz: Nimm mich wahr, denn ich bin besonders .
4. Kernbedürfnis Gemeinschaft:Genauso brauchen wir aber auch die Zugehörigkeit zu anderen Menschen. Wir streben nach Gemeinsamkeiten, Verbindungen und Beziehungen und sehnen uns nach Liebe, Respekt und Zuneigung. Typische Merkmale: Unterwürfigkeit, Drang nach Harmonie, Gerechtigkeitssinn, leise sein, der Wunsch, es allen recht machen zu wollen, die Bedürfnisse anderer Menschen stehen über den eigenen. Das Kernbedürfnis in einem Satz: Was kann ich für dich tun, damit du mich liebst?
Dies sind die vier grundlegenden Kernbedürfnisse eines jeden Menschen. Ja, wirklich von jedem. Wir alle streben nach Freiheit, Sicherheit, Individualität und Gemeinschaft und versuchen die einzelnen Bedürfnisse durch unsere Verhaltensweisen sicherzustellen. Selbstverständlich laufen auch diese Prozesse automatisiert ab, sodass wir uns unserer Kernbedürfnisse selten bewusst sind. Das klingt erst einmal alles ganz logisch, nicht wahr? Doch es gibt ein paar wichtige Punkte zu beachten:
Jeder Mensch wird von allen vier Kernbedürfnissen angetrieben. Diese vier Motive versuchen wir permanent und so gut wie immer unbewusst durch unser Handeln zu befriedigen.
Die beiden Paare »Freiheit und Sicherheit« sowie »Individualität und Gemeinschaft« stehen miteinander in Konflikt. Wir können keine Freiheit genießen, ohne dafür die Sicherheit aufzugeben. Und das Gefühl von Sicherheit gibt es nur, wenn wir dafür die Freiheit opfern.
Das Gleiche gilt für das nächste Bedürfnispaar. Um individuelle Anerkennung zu genießen, müssen wir uns von der Gemeinschaft lösen. Auf Gemeinsamkeit basierende Beziehungen funktionieren hingegen nur, wenn wir auf das Merkmal der Einzigartigkeit verzichten.
Alle vier Grundbedürfnisse befinden sich hierarchisch auf derselben Stufe, und keines ist besser, wichtiger oder erstrebenswerter als die anderen.
Gleichzeitig besitzt jeder Mensch ein dominantes Kernbedürfnis, das ihn mehr antreibt als der Rest. Diese Dominanz kann dabei sehr extrem oder auch nur in Nuancen vorhanden sein.
Es ist also sehr sinnvoll, das eigene dominierende Kernbedürfnis und auch das seiner Mitmenschen zu kennen. Warum? Ganz einfach. Wenn wir wissen, welches Motiv einen Menschen am stärksten antreibt, dann können wir ihn nicht nur besser verstehen, sondern auch viel besser mit ihm umgehen und kommunizieren. Stellen Sie sich nur einmal vor, Sie haben einen Mitarbeiter, dessen dominierendes Kernbedürfnis die Sicherheit ist. Wenn Sie diesem Menschen keine festen Rahmenbedingungen setzen, dann wird er schnell unzufrieden werden. Wäre hingegen die Freiheit das wichtigste Motiv, dann wären zu viele Routinen, Vorschriften oder Regeln kontraproduktiv. Sowohl für den Job als auch den persönlichen Alltag gilt darum:
Je besser Sie verstehen, was Sie und Ihre Mitmenschen antreibt, desto einfacher erreichen Sie Ihre Ziele.
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