Ilja Behnisch - Schick mich, ich bin schnell!

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Die skurrile Welt des Amateurfußballs: Warum riskieren wir auf ackergleichen Plätzen unsere Gesundheit, um Ball und Gegner hinterherzujagen? Warum lassen sich Schiedsrichter für ein paar lausige Euro jedes Wochenende beschimpfen? Warum ist der Platzwart der eigentliche Star des Vereins? Und warum haben die vier Ultras des Kreisligisten zwar einen mächtigen Hau, aber auch ein großes Herz? 11FREUNDE-Redakteur Ilja Behnisch kennt die Antworten: Er hat die witzigsten Anekdoten rund um den Fußball abseits der großen Stadien für dieses Werk zusammengetragen.

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Ilja Behnisch

Schick mich, ich bin schnell

Die besten Anekdoten aus dem Amateurfußball

VERLAG DIE WERKSTATT

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.deabrufbar.

Auch als E-Book erhältlich: ISBN 978-3-7307-0374-8

Copyright © 2017 Verlag Die Werkstatt GmbH

Lotzestraße 22a, D-37083 Göttingen

www.werkstatt-verlag.de

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlaggestaltung: Lukas Niehaus

Coverfoto: Theodor Barth

Satz und Gestaltung: Die Werkstatt Medien-Produktion GmbH

Der Autor Ilja Behnisch 1980 in Potsdam geboren hat Kunstgeschichte und - фото 1

Der Autor

Ilja Behnisch, 1980 in Potsdam geboren, hat Kunstgeschichte und Geschichte studiert und es trotzdem zum Redakteur der Magazine NoSports und 11FREUNDE gebracht. Für das Magazin für Fußballkultur hat er über Jahre die Rubrik „Helden der Unterklasse“ verfasst, die Woche für Woche den besten Anekdoten aus dem Amateurfußball nachspürte.

Inhalt

Auf dem Platz

Schiedsrichter

Trainer

Recht und Ordnung

Klubheim

Vorstand

Vereinsregister

Dem Finanzamt Berlin Pankow gewidmet

AUF DEM PLATZ

Es sind die unumstößlichen, selbstverständlichen Dinge, die uns am meisten beeindrucken, die wir am ehesten erinnern. Dinge, die einfach so sind, wie sie sind, die jeder kennt und erinnert, weil sie jeder selbst erlebt hat. Da sind die kleinen Dinge des Lebens. Als Kind: in Pfützen springen, die Einschulung, der Führerschein. Da sind die langweiligen Dinge des Lebens. Als Erwachsener: das Studium, der erste Job, der Renteneintritt. Und da sind die großen Dinge des Lebens: der erste Kuss, das erste Kind, der erste Ball.

Und wie zu allem, was das Leben, was den Menschen anbelangt, hat der Mensch sich unendlich schlaue Gedanken gemacht. Dann erklärt der Mensch dem Menschen, warum, weshalb, wieso die Dinge so sind, wie sie sind. Und erklärt zugleich auch, warum alle früheren Erklärungen nun nicht mehr stimmen und niemals stimmen konnten.

Wie langweilig. Wen interessiert schon, warum wir vom Ball so fasziniert sind? Wen interessiert schon, warum wir ganz instinktiv gegen ihn treten müssen? Nehmen wir es einfach hin und folgen den Geschichten, die daraus entstehen.

Da ist der Garten des Elternhauses, der Hinterhof der Mietwohnung oder der Spielplatz der Nachbarschaft. Da sind die zahllosen, die epischen Duelle gegen die Freunde, Klassenkameraden, die Jungs von der anderen Straßenseite und die älteren Brüder. Wenn mit einem körperlichen Einsatz gespielt wird, als wären das nicht die letzten Minuten, bis die Eltern zum Abendessen rufen, sondern die letzten Minuten eines Lebens. Als wäre dies eben nicht der Garten, der Hinterhof oder der Spielplatz, sondern das Kolosseum in Rom. Gladiatoren unter sich.

Und wenn mal niemand da ist, mit dem man sich messen kann, greift die unendliche Weite der eigenen Fantasie. Dann wird die Hollywoodschaukel, wird das Garagentor oder der zwischen Rucksack und Jacke abgesteckte Platz auf der nächstbesten Wiese zum Tor von Wembley, des Maracanãs oder im Olympiastadion. Dann werden in der letzten Minute der Nachspielzeit fantastische Freistöße in den Winkel gezaubert. Und wenn der erste Versuch nicht sitzt, ist jemand aus der fiktiven Mauer des Gegners zu früh herausgelaufen, klar.

Tag für Tag werden so Welt- und Europameister, Champions-League-Sieger und Weltfußballer geboren. Immer und immer wieder. Weiter und immer weiter. Millionenfach und zeitgleich, rund um den Erdball. Und wenn die Eltern dann aber mit wirklich letztem Nachdruck ermahnen, dass es jetzt endgültig genug sei, und wenn das Licht auch wirklich nicht mehr reicht, auch nur irgendwas zu erkennen, träumen sie sich weg, die Helden ihrer Tage, die vermeintlichen Volkshelden der Zukunft. Morgen ist ein neues Spiel, ein neues Finale, eine neue, letzte Minute der Nachspielzeit, in der der Zauber von Neuem die Welt erblickt.

So geht es weiter, immer weiter, über jede kindliche Begeisterung hinaus. Das mit dem Heldentum relativiert sich irgendwann von selbst. Helden werden trotzdem weiterhin geboren, ohne Unterlass, Wochenende für Wochenende. Dem Amateurfußball sei Dank.

Alles eine Frage der Perspektive. Das entscheidende Tor in der Nachspielzeit bleibt das entscheidende Tor in der Nachspielzeit. Ob nun im Kreisklassen-Derby gegen das so verhasste Nachbardorf oder im WM-Finale. Das Glück des Moments, das Glück des Helden ist dasselbe. Ob nun 700 Zuschauer live dabei sind, oder 700 Millionen – egal.

Es ist die Leidenschaft, die die Größe einer Geschichte bestimmt, nicht die Größe ihres Rahmens. Und während die, deren Kindheitstraum vom Profi tatsächlich in Erfüllung gegangen ist, ihre Leidenschaft immer mal wieder gekonnt kaschieren und von Zeit zu Zeit den faden Eindruck hinterlassen, das Spiel nur deshalb zu spielen, weil sie dafür bezahlt werden, ist sie bei denen, die dafür verdammt noch mal im Zweifel sogar noch draufzahlen, umso größer.

Und so sind auch ihre Geschichten ebenfalls umso größer, da sie die Dinge tun, weil sie sie für selbstverständlich halten. Weil sie nicht hinterfragen, warum sie etwas tun. Weil sie das Spiel aus den besten Gründen spielen – einfach nur so.

Schwein gehabt

Es ist doch so: Woche für Woche funktionieren wir brav. Wir lächeln nett und heucheln Verständnis, wenn uns der Chef mal wieder erklärt, warum wir etwas falsch gemacht hätten. Dabei versteht er nur nicht, dass die Dinge nicht unbedingt falsch sein müssen, nur weil man sie nicht so macht, wie er das will.

Wir machen den Abwasch und bringen den Müll raus, weil unsere Frauen das so wollen. Als würde sich Porzellan in Staub auflösen, wenn man es länger als zwei Stunden mit Speiseresten zugedeckt in der Spüle stehen lässt. Als würde aus Müll außerhalb des eigenen Haushalts irgendetwas anderes sein als – Müll.

Wir brodeln still in uns hinein, wenn der Typ an der Supermarktkasse mal wieder vollkommen überrascht davon zu sein scheint, dass er auch diesmal bezahlen muss. Dann kramt er eine halbe Ewigkeit durch seine tausend Sachen nach der Geldbörse, und dann reicht das Bargeld nicht und er bezahlt mit der EC-Karte, die er aber natürlich nicht in der Geldbörse hat, sondern in diesem Extrafach seines Rucksacks, wegen der Sicherheit und so, aber welches Extrafach der vielen Extrafächer das nun genau ist, das muss man auch erst mal herausfinden. Und statt dem Typen mal ordentlich die Meinung zu geigen, sagen wir »schon okay«, wenn er sich zu uns umdreht und einfach nur »sorry« sagt.

Beim Fußball ist das zum Glück alles anders. Denn der Fußball ist vieles, und vieles davon ist wunderbar, und unter anderem ist der Fußball auch zum Fluchen da. Dann öffnen wir die Druckventile, und alles entweicht, der ganze Stress, die ganze Wut der Woche. Ein Klassiker des Fußball-Fluchens ist der Ausflug ins Tierreich. Besonders beliebt dabei: So ziemlich jeder Verweis darauf, dass so quasi alle, die auch nur entfernt etwas mit dem gegnerischen Team zu tun haben, eine Verwandtschaft zum gemeinen Schwein besitzen.

Anders verhielt es sich einst im Thüringischen. Schließlich waren es da tatsächlich (Wild-)Schweine, die während der Partie des SV Diamantene Aue Ringleben gegen die SG Seehausen auf den Platz liefen und Leib und Leben in Gefahr zu bringen drohten. Auslöser der Aufregung war eine sogenannte »Drückjagd«, die die örtlichen Jäger zeitgleich zur Partie veranstalteten und in deren Folge vereinzelte Tiere in vollkommen unvorhergesehene Richtungen und eben auch auf den örtlichen Fußballplatz liefen. Kein Problem für die Jäger, dachten sich die Jäger, ballerten das Wildvieh gleich auf dem Platz über den Haufen und sprachen hinterher im heroischen Duktus ihrer Profession von »Gefahrenabwehr«. Die Jagdbehörde wiederum sprach von »äußerst unglücklichen Umständen«. Die Fanlager beider Seiten waren sich einig: Schwein gehabt.

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