Doch welcher Stangeneishersteller ist zum Kühlschrankproduzenten geworden?
Welcher Kerzenhersteller ist Glühbirnenproduzent geworden?
In beiden Beispielen hat man es aus einer Position der Stärke nicht geschafft, sich zu transformieren und auf die Veränderungen im Markt- und Kundenverhalten im richtigen Maße zu reagieren. Erfolg macht satt und müde. Man befindet sich in der Erfolgsfalle.
Blickt man in die Gegenwart, so ist diese Fähigkeit, sich immer wieder neu anzupassen, wichtiger denn je. Viele Unternehmen sind nach zehn Jahren Hochkonjunktur verwöhnt vom laufenden Erfolg. Sie sind genauso satt und müde geworden wie die Stangeneis- und Kerzenhersteller. Dazu kommt noch, dass sie die Folgen der Digitalisierung nur unzureichend verstehen. Durch neue Technologien, Geschäftsmodelle und Plattform-Ökonomie werden traditionelle Industrien in einem noch nie gekannten Ausmaß verändert. So besitzt Airbnb mehr Bettenkapazität als die größte Hotelkette der Welt – ohne eine einzige Immobilie zu besitzen. Uber ist das größte Taxiunternehmen geworden, ohne ein einziges Fahrzeug zu besitzen. Eine Entwicklung, die vor zehn Jahren nie jemand vorausgeahnt hätte.
Noch nie war es wichtiger, sich an verändernde Umweltbedingungen schnellstens anzupassen und nicht in die Erfolgsfalle zu tappen oder dort zu verharren.
Auch Coca-Cola schwamm auf einer sehr langen Erfolgswelle. Dies änderte sich im Jahr 2003 radikal. Es folgte ein beispielloser Turnaround des gesamten Unternehmens und der Unternehmenskultur. Ein wahrer Kraftakt, der Coca-Cola aus einer existenzbedrohenden Schieflage zu einem leuchtenden Beispiel der Digitalisierung in der Branche geführt hat.
Die Autoren Thorsten Jekel und Hubertus Kuhnt haben beide zum Erfolg dieser Transformation beigetragen und schildern dies in anschaulicher Art und Weise. Dabei bleibt es nicht bei theoretischen Analysen. Sie erläutern Konzepte und Werkzeuge, welche praxiserprobt sind und somit einen echten Mehrwert für jeden Unternehmer und für jede Führungskraft bieten. Die aufgeführten Konzepte kann jeder für sich im betrieblichen Alltag sofort nutzen und umsetzen. Ein Buch aus der Praxis für die Praxis.
Lassen Sie sich von diesem Buch inspirieren, damit auch Sie zur rechten Zeit Holz nachlegen können, um Ihr Feuer langfristig am Brennen zu halten.
Herzlichst
Ihr Ralph Winterhalter
Weitgehend unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit erlebte Coca-Cola Deutschland ab Januar 2003 die größte Herausforderung seiner Geschichte – und münzte sie bis 2015 in einen geradezu sensationellen Erfolg um: Das Unternehmen wandelte sich von Grund auf und ist heute ein Leuchtturm der Digitalisierung. Es ist agil aufgestellt, die Mitarbeiter ziehen an einem Strang und setzen neueste digitale und mobile Technologien effektiv ein. Der Vertrieb wurde um 20 Prozent produktiver.
Was war geschehen? Die Einführung des Einwegpfands Anfang 2003 in Deutschland ließ den Umsatz massiv einbrechen – und erwischte das erfolgsverwöhnte Unternehmen kalt. Zunächst wurde versucht, die Verluste mit herkömmlichen Mitteln zu kompensieren. Doch nach einigen Jahren merkte das Topmanagement, dass nur ein radikaler Umbau aller Führungs-, Vertriebssteuerungs- und IT-Prozesse den Turnaround bringen könnte.
Es folgten ein beispielloser Umbau der Strukturen und ein radikaler Wandel der Unternehmenskultur. Diesen Turnaround haben wir in unterschiedlichen Rollen mitgestaltet. In diesem Buch erzählen wir Ihnen die Geschichten hinter dem Veränderungsprozess und geben Ihnen eine Fülle von Praxistipps. Sie richten sich an Führungskräfte jeder Branche – denn Schnelligkeit und Agilität sind die Basis für den dauerhaften Erfolg in jedem Unternehmen. Es geht um Exzellenz im Management und in der Kommunikation, um Exzellenz im Vertrieb sowie um Exzellenz im Einsatz von digitalen Technologien.
Aus Gründen der Lesbarkeit haben wir uns entschieden, die genauen Unternehmensbezeichnungen der unterschiedlichen Coca-Cola-Organisationen vereinfacht darzustellen. Wann immer wir von »Coca-Cola« oder »den deutschen Coca-Cola-Unternehmen« schreiben, verbergen sich dahinter eine oder mehrere der folgenden Gesellschaften:
• The Coca-Cola Company (TCCC): Markeninhaber, Rechteinhaber, Franchisegeber
• Coca-Cola GmbH (CC GmbH): 100-prozentige Tochter der TCCC, für Marken, Rechte und Franchise in Deutschland verantwortlich
• Coca-Cola Deutschland Verkauf (CCDV): Key-Account-Organisation zu Zeiten des Konzessionärswesens mit dem Auftrag, nationale Kunden zu betreuen
• CCEAG: Coca-Cola Erfrischungsgetränke Aktiengesellschaft (Konzessionär mit dem Recht, Marken der CC GmbH in Deutschland zu produzieren und zu vertreiben)
• CCEP: Coca-Cola European Partners Deutschland GmbH (Konzessionär in Deutschland ab 2016, Nachfolger der CCEAG und Teil der Coca-Cola European Partners, London)
Übrigens: In unserem Buch werden wir die Geschehnisse immer wieder aus der Sicht von Coca-Cola erzählen, auch weil wir daran beteiligt waren. Andererseits verbirgt sich hinter dem Pronomen »wir« hin und wieder das Autoren-Duo Jekel / Kuhnt. Wir sind sicher, Sie werden die richtige Zuordnung vornehmen! Und ganz am Schluss wartet diesbezüglich auch noch eine Überraschung auf Sie.
Wir wünschen Ihnen viel Freude und wertvolle Erkenntnisse bei der Lektüre!
Ihr Thorsten Jekel und Ihr Hubertus Kuhnt
PS: Aktualisierungen und Bonusmaterial zum Buch finden Sie auf https://www.fuer-die-umsetzung.de .
Sie erhalten dort auch den Zugriff auf weitere Videos zum Buch.
Kapitel 1
Life tastes good: Als die Welt noch in Ordnung war
Die gute alte Zeit. Für Tom, Verkaufsfahrer für Getränke bei der Fichthoff & Co. KG im münsterländischen Greventrop, sah sie so aus: Unter der Woche stand er morgens um sechs Uhr auf. Nach dem Rasieren rauchte er eine erste Zigarette auf dem Balkon, verließ dann das Haus und schwang sich in seinen roten Golf I GTI – das war der mit dem Golfball als Schaltknauf –, um über schnurgerade Landstraßen zur Arbeit zu fahren. Dort kam er meist gegen sieben Uhr an und parkte sein Auto auf dem Mitarbeiterparkplatz vor dem roten Backsteinbau mit weißen Fenstern .
Fichthoff war ein Familienunternehmen. Schon seit mehreren Generationen gehörte es einer alteingesessenen westfälischen Familie. Jede Generation hatte mindestens einen neuen Geschäftszweig hinzugefügt, und so bestand die Firma mittlerweile aus den unterschiedlichsten Handels- und Handwerksbetrieben. Auch ein Getränkevertrieb gehörte dazu: Die Familie Fichthoff war stolzer Coca-Cola-Konzessionär. Für diesen Getränkevertrieb arbeitete Tom. Wenn er morgens auf den Hof gefahren kam, standen in der Regel schon zehn bis 15 Lkw bereit. Es waren 20 Jahre alte MAN-Tieflader, deren Motorsound in Richtung Schiffsdiesel ging. Die Lastwagen hatten bereits Dutzende Paletten voller Coca-Cola, Fanta, Sprite und anderer Getränke an Bord. Die Verkaufsfahrer kannten sich alle untereinander gut und standen immer noch zehn Minuten zusammen und unterhielten sich, bevor sie mit ihren Lkw vom Hof rollten .
Sobald Tom auf seinem Fahrersitz Platz genommen hatte, fühlte er sich zu Hause. Als Erstes schaute er immer auf die Liste, die Sylvie – Mitarbeiterin aus dem Verkaufsbüro – für ihn in seinen Lkw gelegt hatte. Darauf standen die Kunden, die er am jeweiligen Tag anfahren sollte. Dann wusste er genau: »Ah, heute ist der ›Goldene Ochse‹ in Steinfurt dran – da habe ich die Kellerschlüssel, damit ich die Kisten direkt runterbringen kann. Und anschließend warten im ›Grünen Baum‹ in Horstmar wie immer belegte Brötchen und Kaffee auf mich – denn der Wirt dort freut sich, dass er mit mir einen kleinen Schwatz halten kann, sobald ich die bestellten Getränke abgeladen habe.« Zu Toms Arbeitsausstattung gehörte ein Schlüsselbund mit ungefähr 40 Schlüsseln. So kam er jederzeit in die Keller und Lagerräume seiner Kunden, auch wenn diese einmal nicht da sein sollten .
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