WiWo-Redakteur Martin Seiwert traf Vater und Sohn Stefan mehrmals zu stundenlangen Gesprächen – und kam so dem Hipp-Geist auf die Spur.
Beat Balzli
Claus Hipp ist für Millionen Menschen der Mann aus der Fernsehwerbung. Der, der in der blühenden Natur steht und sagt: »Dafür stehe ich mit meinem Namen.« Bei kaum einem anderen Produkt zählt Vertrauen in ein Unternehmen so sehr wie bei Babynahrung: Die Kleinsten sollen nur das Beste bekommen. Dass Claus Hipp dafür persönlich bürgt, ist cleveres Marketing – aber nicht nur: Hier verschmelzen für den Kunden ein Unternehmen, das als eines der ersten weltweit den Gedanken der ökologischen Verantwortung verinnerlichte, und ein Unternehmer, der keine Scheu hat, religiöse und ethische Überzeugungen zu vertreten und sich an diesen hohen Ansprüchen auch selbst messen zu lassen. So logisch diese einzigartige Verbindung von Hipp und Hipp-Gläschen heute auch erscheinen mag, der Weg dorthin war alles andere als vorgezeichnet. Er war kurvenreich, inspirierend und voller Überraschungen.
ERSTES KAPITEL
Herr Hipp, viele Deutsche kennen Ihr Gesicht aus der Werbung. Sonst weiß man aber nicht viel über Sie. Verraten Sie uns doch mal: Wie leben Sie?
Ganz einfach, wie ein Bauer. Ich habe meinen Hof und die Tiere; dort lebe ich mit meiner Frau, meiner Tochter und ihrem Mann. Mein Schwiegersohn ist Diplomlandwirt und leitet den Betrieb, der macht das alles sehr gut und professionell. Wenn Not am Mann ist, dann helfe ich auch mit. Seit über 60 Jahren wird auf unserem Hof biologischer Landbau betrieben. Heute kümmern wir uns besonders um den Erhalt der Artenvielfalt. Wir machen das aber nicht selbstgestrickt, sondern in engem Austausch mit Universitäten und Umweltorganisationen. Dabei haben wir beachtliche Erfolge.
Wie groß ist der Hof?
Wir bewirtschaften 180 Hektar. Unsere Rinder sind Original Braunvieh. Das ist eine Rasse, die ursprünglich aus der Schweiz und dem Allgäu kommt. Die ist schon so selten geworden, dass der Staat ihren Erhalt aus Artenschutzgründen unterstützt. Das ist eine Rinderrasse, die leichter ist als die heutigen Arten, sie ist robuster und nicht so krankheitsanfällig. Die Tiere können deshalb im Freien leben, im Wald oder auf der Wiese. Die Kälber kommen in der Natur zur Welt und bleiben bei der Mutter, bis sie groß genug sind.
Ein typischer Tag im Leben des Claus Hipp, wie muss man den sich vorstellen?
Ins Detail will ich eigentlich nicht gehen. Sonst hat die Polizei Sorge, dass ich möglichen Tätern in die Hände spiele.
Fürchten Sie eine Entführung?
Die Polizei rät zur Vorsicht, weil ich eben eine gewisse Bekanntheit habe. Aber ich kann Ihnen verraten, dass ich vor 5 Uhr aufstehe. Nach dem Frühstück fahre ich los und schließe eine Kirche auf, die ich vor über 40 Jahren einmal renoviert habe.
Warum haben Sie eine Kirche renoviert?
Es handelt sich um eine allein stehende Wallfahrtskirche auf einem kleinen Berg im Wald, sie war sehr verfallen. In den 1970er-Jahren habe ich mich dafür eingesetzt, dass sie renoviert wird. Das Ordinariat hat Material und Farbe zu Verfügung gestellt und ich habe mit freiwilligen Helfern die Arbeiten übernommen. Als der emeritierte Papst Joseph Ratzinger noch Kardinal in München war, hat er mich gebeten, mich um die Kapelle zu kümmern – und das mache ich auch.
Sie stehen so früh auf, um die Kirche zu öffnen? Das kann doch auch jemand anderes machen.
Bestimmt, aber ich mache das gern. Dort habe ich ein paar ruhige Minuten zu Tagesbeginn. Das verhindert, dass der Tag zu hektisch wird. Danach gehe ich in die Firma. Meine Sekretärin ist schon ab 6 Uhr hier. Dann kümmere ich mich um die Dinge, die man erledigen sollte, bevor der Geschäftsbetrieb so richtig losgeht, lese zum Beispiel meine Post.
»Meine Mutter hat mir die Beziehung zur Natur von klein auf beigebracht. Der biologische Landbau bei Hipp geht schlussendlich auf sie zurück.«
Claus Hipps Mutter Anny Hipp-Metzner mit dem Ökolandbau-Pionier Dr. Hans Müller und Alfred Kolb, dem damaligen Betriebsleiter des familieneigenen Landguts »Ehrensberger Hof«
Sie sind aber nicht nur in Pfaffenhofen, sondern auch oft in München.
Ja. Dort habe ich auch ein Büro. Ich bin Honorarkonsul von Georgien für den Amtsbezirk Bayern, Baden-Württemberg und Thüringen. Manche Leute, die mich treffen wollen, kommen lieber in das Konsulat nach München als an den Hauptsitz von Hipp in Pfaffenhofen, weil München besser zu erreichen ist.
Sie haben Ihre Firma mit rund 3500 Mitarbeitern, den eigenen Hof, die Verpflichtungen als Honorarkonsul, Sie halten Vorlesungen als Professor, Sie malen und musizieren in einem Orchester. Habe ich etwas vergessen?
Das war es im Wesentlichen, glaube ich.
Welchen Platz kann bei einem solchen Programm die Familie noch haben?
Die Familie ist mir das Wichtigste und hat immer Priorität. Sie kann jederzeit vorbeikommen. Wir sehen uns hier in der Firma, wir sehen uns zu Hause beim Essen. Wenn jemand mehr Zeit braucht, dann muss er sich nur melden, dann kriegt er sie. Das weiß jeder in der Familie.
Hätten Sie als junger Student gedacht, dass Sie einmal ein solches Leben führen würden?
Nein.
Kindheit im Krieg und in der Nachkriegszeit
Sie wurden 1938 geboren, kurz vor dem Beginn des Zweiten Weltkriegs. Was waren das für Verhältnisse, in die Sie hineingeboren wurden?
Ich wurde in München geboren. Das Unternehmen war dorthin umgezogen, weil mein Vater und die ganze Familie gegen die Nazis waren. Auf dem Land kannte jeder jeden, wusste, wie er eingestellt ist. In der Stadt war es anonymer.
Können Sie sich an den Krieg erinnern?
Ja, ich habe einige Erinnerungen an den Krieg. In München gab es natürlich Luftangriffe, die sich mir eingeprägt haben. Dann sind wir in den Luftschutzkeller gerannt, was ich als Kind sehr lustig fand. Das war für mich ein Spiel. Dort war es so eng, dass einmal einer stolperte und dann alle anderen umgefallen sind wie Dominosteine. In der Nachkriegszeit habe ich gesehen, wie die Flüchtlinge bei uns angekommen sind und dann einen sehr erheblichen Teil der Bevölkerung ausgemacht haben.
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