Setzen Sie Signale in den Kontext
Ein einzelnes Signal reicht nicht aus, um den Menschen dahinter einzuschätzen – ebenso wenig, wie sich aus einem einzelnen Wort der Inhalt eines Satzes herauskristallisieren lässt. Signale müssen häufiger oder in Kombination mit anderen auftreten. Nur weil sich jemand einmal kurz mit der Hand vor den Mund fährt, heißt das nicht automatisch, dass er etwas verheimlichen möchte. Interesse zeigt sich beispielsweise darin, dass jemand beide Augenbrauen leicht nach oben zieht, Ihnen konstanten Blickkontakt schenkt, sich Ihnen mit dem ganzen Körper zuwendet und die Mimik dabei entspannt wirkt. Wer ab und zu nickt, den Gesprächspartner eventuell leicht berührt oder eine Berührung andeutet, verstärkt diesen interessierten Eindruck noch.
Beobachten Sie jedoch in einem Meeting, dass der Kunde häufig auf die Uhr oder zur Tür blickt, mehr auf der Stuhlkante als auf dem Stuhl sitzt, den Oberkörper von Ihnen abwendet und mit der Fußspitze schon Richtung Tür wippt, sind auch diese Signale relativ deutlich. Lassen Sie ihn gehen, er hat kein Interesse oder keine Zeit mehr.
Bei manchen Menschen zeigen sich besondere individuelle Merkmale, die sogenannten idiosynkratischen Signale. Spricht zum Beispiel jemand grundsätzlich mit abgespreizten Fingern oder zuckt beim Gespräch permanent mit den Schultern, dann ist das ein für diesen Menschen typisches Verhalten.
Zudem fällt Körpersprache in unterschiedlichen Situationen unterschiedlich aus, abhängig von gesellschaftlichen und beruflichen Normen, den kulturellen Gepflogenheiten, dem Geschlecht und den Erwartungen der Zuhörer, Mitarbeiter und Kollegen. So werden Sie sich als Führungskraft im eigenen Unternehmen anders verhalten und bewegen als in einem fremden. Mit einem gleichrangigen Kollegen werden Sie anders sprechen als mit einer Person, die einen untergeordneten Status hat. In der Kaffeeküche wird ein Gespräch eher im Plauderton ausfallen als am Besprechungstisch. Entsprechend locker wird auch die Körperhaltung sein.
Ein Seismograph für die Wahrheit
Wie können wir anhand nonverbaler Signale erkennen, dass der Gesprächspartner gerade nicht ganz ehrlich ist oder nicht zu dem steht, was er sagt? Ganz einfach: Gefühle wie Angst, Unsicherheit oder Nervosität offenbaren sich unbewusst in Gestik, Mimik und Körpersprache und lassen sich kaum kontrollieren. Besonders betroffen sind die distalen Bereiche. Das sind jene Teile des Körpers, die am weitesten vom Herzen entfernt sind, etwa Füße und Finger. Aber auch anhand von sogenannten Mikroausdrücken – kleinen schnellen Veränderungen im Gesicht – können wir wahrnehmen, was in unserem Gegenüber vorgeht. Beim Lügen oder Flunkern beispielsweise verändern sich Gesichtsausdruck und Körperhaltung – wenn auch nur für Bruchteile von Sekunden.
Viele Menschen nehmen diese Minisignale zwar nicht bewusst wahr, haben aber das untrügliche Gefühl, dass etwas nicht ganz stimmig ist. Psychologen haben herausgefunden, dass wir uns mit fünfmal größerer Wahrscheinlichkeit auf die Körpersprache verlassen, wenn bei einem Gesprächspartner ein Widerspruch zwischen dem gesprochenen Wort und seiner Körpersprache besteht. Trotzdem sollten Sie auch da nie vorschnelle Schlüsse ziehen. Hier sei noch einmal ausdrücklich erwähnt: Nur die Betrachtung des gesamten Körpers und der Gesamtsituation ermöglicht es uns, eine vermittelte Botschaft weitgehend zuverlässig einzuordnen.
Kennen Sie Ihre »ehrlichsten« Körperteile?
Das sind die Füße! Schuld daran ist das limbische System in unserem Gehirn. Es sorgt dafür, dass wir auf jene Körperteile, die am weitesten vom Gehirn entfernt sind, am wenigsten Einfluss haben. Wenn wir unser Gegenüber schnell einschätzen wollen, sollten wir also mit dem »Scan« unten beginnen und uns nach oben hocharbeiten. Wer zum Beispiel im Gespräch den Fuß in Richtung seines Gesprächspartners hält, ist mit dem, was er hört, einverstanden. Umgekehrt signalisiert ein abgewandter Fuß keine Übereinstimmung.
Mikroausdrücke – einen Lidschlag lang
»Man lügt wohl mit dem Munde; aber mit dem Maule, das man dabei macht, sagt man doch die Wahrheit.« Schon Friedrich Nietzsche, der Urheber dieses Zitats, erkannte die Existenz sogenannter mimischer Mikroausdrücke, die Auskunft über die wahren Gedanken und Gefühle eines Menschen geben können. Doch nicht nur Ihr Gesicht kann Bände sprechen, sondern natürlich auch das Ihres Gegenübers. Haben Sie sich nicht auch schon gefragt, was Ihr Gesprächspartner gerade wirklich fühlt oder denkt? Ob er die Wahrheit spricht? Wenn Sie daran zweifeln, achten Sie genau auf seine Mimik. Folgende Signale sprechen für die Unwahrheit:
Plötzliche Emotionen, die zu lange dauern oder zu spät kommen
Ein regloses Pokerface
Ein mimischer Ausdruck, der nicht mit der verbalen Aussage übereinstimmt
Ein auffällig kontrolliertes Verhalten
Wegwerfende oder wegwischende Bewegungen als Verlegenheitsgesten
Egal, ob bei Politikern, Entscheidungsträgern in der Wirtschaft oder Verhandlungspartnern im Berufsalltag: Das Gesicht ist dank der Mikroausdrücke ein offenes Buch. Diese Gesichtsregungen erscheinen schnell, sehr schnell sogar – zwischen 125 und 150 Millisekunden lang – und können vom Sender nicht kontrolliert werden. Es ist allerdings auch nicht einfach, sie wahrzunehmen. Nur ein winziger Prozentsatz der Menschen ist in der Lage, jede Emotion richtig zu beurteilen. Für den Laien heißt das: üben, üben und nochmals üben.
Eine Möglichkeit: Zeichnen Sie Talkshows auf und beobachten Sie die Gesprächsteilnehmer möglichst genau. Schauen Sie sich die Szenen immer wieder an und stoppen Sie an der Stelle, an der Sie einen »verdächtigen« mimischen Ausdruck wahrzunehmen glauben. Oder: Führen Sie ein Eigenstudium durch. Suchen Sie sich dazu typische Bilder der universellen Mikroausdrücke und versuchen Sie, diese vor dem Spiegel nachzustellen. Der Effekt dieses Selbststudiums: Durch das Aktivieren der Muskulatur verankert Ihr Gehirn die entsprechenden Emotionen. Nehmen Sie nun diese Muskelregungen im Gesicht eines anderen Menschen wahr, dann sorgen die Spiegelneuronen in Ihrem Gehirn dafür, dass die jeweilige Emotion sozusagen »abgerufen« wird.
Die acht universellen Gesichtsausdrücke
Jeder Mensch – unabhängig von Nation oder Kulturkreis – hat bei seiner Geburt acht universelle Gesichtsausdrücke im Repertoire. Die meisten dieser minimalen und blitzschnellen Regungen erkennen wir rund um die Augen und den Mund. Aber wie? Blicken Sie bei Ihren entscheidenden Fragen direkt in das Gesicht Ihres Gegenübers, nehmen Sie dort ein imaginäres Dreieck mit der Spitze nach unten ins Visier und richten Sie Ihren Fokus auf beide Augen und den Mund. Nun können Sie die folgenden wichtigsten Mikroausdrücke erkennen: Fröhlichkeit, Ekel, Verachtung und Zynismus, Angst, Überraschung, Traurigkeit, Sorge sowie Wut.
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