Beispiel
Beispiel: Eine Frage, vier verschiedene Reaktionen
Ein Vorgesetzter fragt eine Mitarbeiterin: „Haben Sie diesen Brief geschrieben? Er ist voller Fehler.“
Hört die Mitarbeiterin diese Frage mit dem Sach-Ohr, dann nimmt sie den Sachverhalt zur Kenntnis und sagt ja oder nein.
Hört sie mit dem Selbstoffenbarungs-Ohr, stellt die Mitarbeiterin fest, dass sich der Chef ärgert.
Hört die Mitarbeiterin die Frage mit dem Beziehungs-Ohr und hat sie den Brief geschrieben, dann wird sie eine Kritik an ihrer Arbeitsweise bzw. an ihrer Person aus der Frage hören.
Hört die Mitarbeiterin bevorzugt mit dem Appell-Ohr, registriert sie die Botschaft: Schreib den Brief nochmals, aber bitte fehlerfrei.
Schulz von Thun, Friedemann: Miteinander reden. Störungen und Klärungen; Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung; Das „innere Team“ und situationsgerechte Kommunikation. 3 Bände. Reinbek: Rowohlt-Taschenbuch-Verlag 2002.
Schulz von Thun, Friedemann und Christoph Thomann: Klärungshilfe. Reinbek: Rowohlt-Taschenbuch-Verlag 2003.
Schulz von Thun, Friedemann und Maren Fischer-Epe: Coaching: miteinander Ziele erreichen. Reinbek: Rowohlt-Taschenbuch-Verlag 2002.
Schulz von Thun, Friedemann u. a.: Miteinander reden. Kommunikationspsychologie für Führungskräfte. Reinbek: Rowohlt-Taschenbuch-Verlag 2003.
Stahl, Eberhard: Dynamik in Gruppen. Handbuch der Gruppenleitung. Weinheim: Beltz 2002.
4. Das Modell von Thomas Gordon
Effektivere Zusammenarbeit
Auch der Psychologe Thomas Gordon (1918 – 2002) will den Erfolg zwischenmenschlicher Kommunikation fördern. Zwar richtet er sich an alle gesellschaftlichen Gruppen und Schichten, aber sein besonderes Interesse gilt Führungskräften. Ihnen will er die notwendigen Techniken vermitteln, um die Zusammenarbeit zu effektivieren. Gordon ist der Meinung, dass eine Führungskraft in einem sowohl Spezialist für zwischenmenschliche Beziehungen als auch Fachmann für die ihm übertragene Aufgabenstellung sein sollte.
Gordon basiert sein Konzept der erfolgreichen Führung auf der so genannten non-direktiven Gesprächsführung von Carl Rogers. Wesentlich für erfolgreiche Mitarbeitergespräche sind für Gordon
■ die Technik des Aktiven Zuhörens (siehe Kapitel B2in diesem Buch),
■ das Senden von Ich-Botschaften sowie
■ die „Jeder gewinnt“-Methode.
4.1 Die Führungskraft als Problemlöser
Bedürfnisse von Mitarbeitern und Führungskräften
Mitarbeiter und Führungskräfte haben Bedürfnisse, die beachtet und befriedigt werden müssen. Es sind Bedürfnisse nach Selbstachtung, Sicherheit, Geborgenheit, sozialer Anerkennung, Unabhängigkeit und Vertrauen.
Bleiben diese Erwartungen und Bedürfnisse sowohl der Führungskraft als auch der Mitarbeiter unbefriedigt, dann resultieren daraus Empfindungen wie Unzufriedenheit, Aggressivität, Niedergeschlagenheit und Frustration. Das kann Konflikte auslösen. Die nachstehende Abbildung veranschaulicht den Soll- und den Ist-Zustand.
Drei Zonen möglicher Empfindungen
Der Ist-Zustand ist hierbei in drei Zonen aufgeteilt:
■ Zone 1 stellt jenen Bereich der Empfindungen eines Mitarbeiters dar, an dem erkennbar ist, dass er ein Problem hat, bzw. den Teil seiner Bedürfnisse, die unbefriedigt sind.
■ Zone 2 stellt die problemfreie bzw. konfliktfreie Zone dar. Es ist der Bereich der Empfindungen dargestellt, bei denen sowohl Mitarbeiter als auch Führungskräfte die Befriedigung ihrer Bedürfnisse erleben.
■ Zone 3 zeigt den Problembereich einer Führungskraft. Die Flächengröße zeigt, in welchem Ausmaß deren Bedürfnisse unbefriedigt blieben.
Problembereiche und konfliktfreie Zone
Zone 2 ausweiten
Nach Gordon müssen Sie als Führungskraft die konfliktfreie Zone ausweiten. Zu diesem Zweck sollten Sie die Bedürfnisse Ihrer Mitarbeiter erkunden bzw. erfragen. Erst dann können Sie entscheiden, was zu tun oder zu lassen ist, um die Anliegen bzw. Bedürfnisse der Mitarbeiter zu befriedigen.
Natürlich ist keine Führungskraft in der Lage, allen unbefriedigten Bedürfnissen (Problemen) der Mitarbeiter zu genügen, noch ist es möglich, sämtliche eigenen Probleme (und die Probleme des Unternehmens) zu lösen. Dies ist eher ein anzustrebender Idealzustand.
4.2 Senden von Ich-Botschaften
Betrachtet man Gespräche genauer, stellt man fest, dass viele Äußerungen ausgeprägte Du- oder Sie-Komponenten beinhalten. Deswegen heißen solche Botschaften auch Du-Botschaften. Beispiel für eine Du-Botschaft ist die Aussage „Sie nerven mich mit Ihrer Fragerei“. Hier steht das Du/Sie im Vordergrund.
Du-Botschaft
Wer Du-Botschaften äußert, läuft Gefahr, die Beziehung zu anderen Menschen zu schädigen. Enthalten Du-Botschaften eine negative Aussage, verursachen sie oft Schuldgefühle, werden als herabsetzender Tadel empfunden und provozieren reaktive Verhaltensweisen.
Leveling
Das Senden von Ich-Botschaften hingegen nennt man auch „Leveling“, weil der Gesprächspartner auf dem gleichen Level bleibt. Die Aussage könnte als Ich-Botschaft lauten: „Mit diesen Fragen möchte ich mich lieber morgen befassen. Heute schaffe ich es nicht mehr.“ Hier steht das Ich im Vordergrund.
Ich-Botschaft
Wer eine Ich-Botschaft sendet, versucht nicht, den anderen herabzusetzen, sondern beschreibt das zu kritisierende Verhalten und die Gefühle, die es auslöst, also die Wirkung. Dem Gegenüber bleibt es dabei überlassen, sein Verhalten zu ändern.
4.3 Das Lösen von Führungsproblemen
Gewinner und Verlierer
Die wenigsten Führungskräfte sind in der Lage, Konflikte zu lösen. Das kann mit ihren Kindheitserfahrungen zusammenhängen. Im Streit mit Geschwistern, Freunden, Eltern oder Lehrern wurden Konflikte mit Macht „gelöst“. Es gab immer einen Gewinner und einen Verlierer.
Infolgedessen kennen die meisten Menschen nur zwei Varianten der Konfliktbewältigung:
■ Variante I: „Ich gewinne, du verlierst“
■ Variante II: „Du gewinnst, ich verliere!“
Die dritte Variante, die „Jeder gewinnt“-Methode, ist unbekannt oder zumindest ungewohnt.
Im Folgenden werden die drei Methoden erläutert und zum besseren Verständnis mittels eines Beispiels verdeutlicht.
Beispiel
Beispiel: Konflikt zwischen Mitarbeiter A und B
Mitarbeiter A hat mit Mitarbeiter B einen Konflikt, weil er sich durch B ausgenutzt fühlt. Diesem geht es genauso. Er meint, durch A benachteiligt zu werden. Infolgedessen bleibt wichtige Arbeit liegen, für die sich keiner zuständig fühlt. Der Vorgesetzte muss deswegen eingreifen.
Variante I: „Ich gewinne, du verlierst“
Mitarbeiter als Verlierer
Bei dieser Variante will einer der Gesprächspartner Recht behalten und gegebenenfalls die eigenen Machtbedürfnisse befriedigen. Das ist der Fall, wenn Sie als Vorgesetzter Ihre „Macht“ ausspielen, das heißt, Kraft höherer Position Ihren Willen durchsetzen. Sie bestimmen autoritär, was getan oder gelassen werden soll. Wahrscheinlich grollen Ihre Mitarbeiter, da sie sich zu Befehlsempfängern abgestempelt fühlen. Das beeinträchtigt das Abteilungsklima. Als Folge dieser Art der Konfliktlösung gibt es am Ende einen Gewinner und einen Verlierer.
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