Pöhlmann sieht darin eine Zeichnung der Tendenzen „des extremen Kapitalismus überhaupt“. Aber die Ähnlichkeit dieser Entwicklung mit der des modernen Kapitalismus und seiner Konzentration der Kapitalien ist eine rein äußerliche und es führt völlig irre, wenn man beide einander gleichsetzt. Wer tiefer geht, findet vielmehr einen völligen Gegensatz der Entwicklung hier und dort. Vor allem schon darin, daß die Konzentrationstendenz, das Streben nach Verdrängung der kleineren Betriebe durch größere, sowie nach wachsender Abhängigkeit der kleinen Betriebe von den Besitzern großer Reichtümer heute vornehmlich in der Industrie zutage tritt, viel weniger in der Landwirtschaft, indes im Altertum das Umgekehrte stattfand. Dann aber vollzieht sich die Überwindung des kleineren Betriebs durch den größeren heute namentlich durch den Konkurrenzkampf, der die größere Produktivität des mit mächtigen Maschinen und Anlagen ausgestatteten Betriebs zur Geltung bringt. Sie vollzog sich im Altertum durch die Lähmung der freien Bauern, die der Kriegsdienst erdrückte, und durch die größere Billigkeit der Arbeitskräfte, die bei massenhafter Sklavenzufuhr den Besitzern größerer Geldmittel zur Verfügung standen, endlich durch den Wucher, von dem wir noch reden werden, lauter Faktoren, die die Produktivität der Arbeit verminderten, statt sie zu heben. Für die Entwicklung und Anwendung des Maschinenwesens fehlten im Altertum die Voraussetzungen. Noch hatte das freie Handwerk sich nicht so hoch entwickelt, um massenhaft freie, geschickte Arbeitskräfte zu liefern, die bereit waren, sich um Arbeitslohn dauernd in großer Zahl zu verdingen, Arbeitskräfte, die allein imstande waren, Maschinen zu erzeugen und ihre Anwendung zu ermöglichen. Es fehlte daher auch der Antrieb für die Denker und Forscher, Maschinen zu erfinden, die doch ohne praktische Anwendung geblieben wären. Sobald aber einmal Maschinen erfunden sind, die in der Produktion erfolgreich wirken können, und zahlreiche freie Arbeitskräfte auftreten, die sich danach drängen, bei der Erzeugung und Anwendung der Maschinen beschäftigt zu werden, wird die Maschine eine der wichtigsten Waffen im Konkurrenzkampf der Unternehmer untereinander. Stete Vervollkommnung und Vergrößerung der Maschine ist die Folge, damit wächst die Produktivität der Arbeit, wächst der Überschuß über den Arbeitslohn, den sie liefert, wächst aber auch die Notwendigkeit, einen Teil dieses Überschusses anzusammeln, zu akkumulieren, um damit neue, bessere Maschinen anzuschaffen, wächst endlich auch die Notwendigkeit, den Markt ständig zu erweitern, da ja die verbesserte Maschinerie immer mehr Produkt liefert, das untergebracht werden soll. So führt das dahin, daß das Kapital ununterbrochen zunimmt, daß auch die Produktion der Produktionsmittel einen immer größeren Raum in der kapitalistischen Produktionsweise einnimmt, daß diese daher, um die mit den vermehrten Produktionsmitteln geschaffenen vermehrten Konsummittel profitabel loszuwerden, immer wieder neue Märkte suchen muß, so daß man sagen kann, sie habe sich im Laufe eines Jahrhunderts, des neunzehnten, die ganze Welt erobert.
Ganz anders war die Entwicklung im Altertum. Wir haben gesehen, daß man den Sklaven im Großbetrieb nur die plumpsten Werkzeuge in die Hand geben, daß man nur die rohesten und unintelligentesten Arbeiter dabei verwenden konnte, daß also nur die äußerste Billigkeit des Sklavenmaterials den Großbetrieb einigermaßen rentabel machte. Das erzeugte in den Unternehmern der Großbetriebe einen steten Drang nach Krieg, als denn wirksamsten Mittel, sich billige Sklaven zu verschaffen, und nach steter Ausdehnung des Staatsgebiets. Daraus erwuchs seit den Kriegen gegen Karthago einer der mächtigsten Antriebe der römischen Eroberungspolitik, die binnen zwei Jahrhunderten alle Länder um das Mittelmeer herum unterwarf und sich zur Zeit Christi anschickte, nachdem sie Gallien, das jetzige Frankreich, unterjocht hatte, auch Deutschland zu knechten, dessen kraftvolle Bevölkerung so treffliche Sklaven lieferte.
In dieser Unersättlichkeit, diesem steten Drang, sein Ausbeutungsgebiet zu erweitern, glich allerdings der antike Großbetrieb dem modernen, keineswegs aber in der Art und Weise, wie er die Überschüsse anwendete, die ihm die wachsenden Sklavenscharen lieferten. Der moderne Kapitalist muß, wie wir gesehen haben, seinen Profit zum großen Teil akkumulieren, zur Verbesserung und Erweiterung seines Betriebs anwenden, will er nicht von der Konkurrenz überholt und geschlagen werden. Das hatte der antike Sklavenbesitzer nicht nötig. Die technische Grundlage, auf der er produzierte, war keine höhere, eher eine niedrigere als die des Kleinbauern, den er verdrängte. Sie war nicht in steter Umwälzung und Erweiterung begriffen, sondern blieb sich stets gleich. Alle Überschüsse über die einmal gegebenen Kosten und die Ersetzung oder Abnützung von Werkzeugen, Vieh und Sklaven hinaus durfte daher der Sklavenbesitzer zum Genießen verwenden, auch wenn er kein Verschwender war.
Wohl konnte man Geld im Handel und Wucher oder in neuen Grundstücken anlegen und so vermehrten Gewinn daraus ziehen, aber auch dieser konnte schließlich keine andere Verwendung finden, als den Genuß. Das Aufhäufen von Kapital zum Zwecke der Produktion neuer Produktionsmittel über das gegebene Maß hinaus, wäre sinnlos gewesen, weil diese vermehrten Produktionsmittel keine Verwendung gefunden hätten.
Je mehr die Latifundien die Bauern verdrängten, je größere Massen von Grundbesitz und von Sklaven sich in einer Hand vereinigten, um so mehr wuchsen die Überschüsse, die Schätze, die einzelnen zur Verfügung standen und mit denen diese nichts anderes anzufangen wußten, als sie zum Genießen zu verwenden. Kennzeichnet der Drang nach Anhäufung von Kapital den modernen Kapitalisten, so die Genußsucht den vornehmen Römer der Kaiserzeit, der Zeit, in der das Christentum entstand. Die modernen Kapitalisten haben Kapitalien aufgehäuft, denen gegenüber die Reichtümer der reichsten antiken Römer winzig erscheinen. Als der Krösus unter diesen gilt Neros Freigelassener Narziß mit einem Vermögen von fast 90 Millionen Mark. Was will das sagen gegenüber den 4.000 Millionen, die einem Rockefeller zugeschrieben werden? Aber die Verschwendung, welche die amerikanischen Milliardäre treiben, läßt sich bei aller Tollheit kaum vergleichen mit der ihrer römischen Vorgänger, die bei ihren Mahlzeiten Nachtigallenzungen auftrugen und kostbare Perlen in Essig auflösten. Mit dem Luxus stieg natürlich auch die Zahl der Haussklaven, die man zur persönlichen Bediemmg brauchte, um so mehr, je billiger das Sklavenmaterial wurde. Horaz meint in einer seiner Satiren, das geringste, was ein in leidlichen Umständen Lebender brauche, seien zehn Sklaven. In einem vornehmen Haushalt konnte ihre Zahl in die Tausende steigen. Steckte man die Barbaren in die Bergwerke und Plantagen, so die feiner gebildeten, namentlich griechischen Sklaven in die „städtische Familie“, das heißt den städtischen Haushalt. Nicht nur Köche, Schreiber, Musiker, Pädagogen, Schauspieler, sondern auch Ärzte und Philosophen wurden als Sklaven gehalten. Im Gegensatz zu den Sklaven, die dem Gelderwerb dienten, hatten diese meist nur eine geringe Arbeitslast zu tragen. Der größte Teil von ihnen waren ebenso große Tagediebe, wie nunmehr ihre Herren. Aber die zwei Umstände gingen verloren, die ehedem dem Familiensklaven in der Regel gute Behandlung verschafft hatten: sein hoher Preis, der ihn zu schonen hieß, und das kameradschaftliche Verhältnis zum Herrn, mit dem der Sklave zusammen arbeitete. Jetzt, bei dem großen Reichtum des Herrn und der Billigkeit der Sklaven, legte man sich nicht den geringsten Zwang mehr ihnen gegenüber an. Für die große Masse der Haussklaven hörte aber auch jedes persönliche Verhältnis mit dem Herrn auf; dieser kannte sie kaum. Und wenn Herr und Diener nun einander persönlich näher traten, geschah es nicht bei der Arbeit, die gegenseitige Achtung erzeugte, sondern bei Schwelgereien und Lastern, die der Müßiggang und Übermut erzeugte und die den Herrn wie den Dienern gegenseitige Mißachtung beibrachten. Müßig, noch gehätschelt, waren die Sklaven des Hauses doch schutzlos jeder üblen Laune, jedem Zornesausbruch preisgegeben, die für sie schnell gefährliche Dimensionen annahmen. Bekannt ist die Untat des Vedius Pollio, dessen Sklave ein Kristallgefäß zerschlagen hatte, wofür jener ihn den Muränen zum Fraß vorzuwerfen befahl, als Leckerbissen geschätzten Raubfischen, die er in einem Teiche hielt.
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