
Abb. 5 Parodontitis periapicalis mit desmodontaler Fistelung nach marginal.
Perforationen vom Pulpakavum in den Desmodontalspalt (endodontal-parodontale Läsion mit Beschädigung der Wurzel: Perforation des Wurzelkanals/der Pulpakammer; Tab. 1) können, insbesondere wenn sie nicht unmittelbar und adäquat versorgt werden, zu Defekten führen, die ähnlich wie endodontale Läsionen, die über Seitenkanäle der Pulpa z. B. die Furkation eines mehrwurzeligen Zahns erreichen, von primär parodontalen Defekten schwer zu unterscheiden sind ( Abb. 6).

Abb. 6 Klassifikation der iatrogenen Perforationen 8: Klasse Ia: Perforation koronal des Gingivalsaums; Klasse Ib: Perforation apikal des Gingivalsaums, aber suprakrestal; Klasse II: approximale infraalveoläre Perforation im koronalen und mittleren Wurzeldrittel (a: approximal; b: vestibulär; c: oral); Klasse III: Perforation im apikalen Wurzeldrittel; Klasse IV: Perforation in die Furkation mehrwurzeliger Zähne.
Eine weitere Ursache für isolierte tiefe parodontale Defekte sind vertikale Wurzelfrakturenwurzelkanalgefüllter Zähne (endodontal-parodontale Läsion mit Beschädigung der Wurzel: Wurzelfraktur; Tab. 1). Diese Frakturen können als Ermüdungsbrüche, verursacht durch zunehmende Versprödung der wurzelkanalgefüllten Zähne, als Folge zu starker Ausschachtung bei der Aufbereitung der Wurzelkanäle und daraus resultierender Schwächung der Zahnhartsubstanz bei normaler Belastung oder durch Traumata entstehen 2. Reicht der Frakturspalt bis nach marginal, wird er bakteriell besiedelt. So kann es infolge dieser bakteriellen Besiedlung zur Zerstörung des Parodonts entlang des Frakturspaltes und zu einem isolierten tiefen Defekt kommen ( Abb. 7).

Abb. 7 Vertikale Wurzelfrakturen: a) Zahn 25: intrakanaläre Stiftverankerung, vestibuläre Sondierungstiefe 9 mm, verstibuläre Fistel (oberer Pfeil), zwischen Gingiva und Kronenrand Frakturspalt sichtbar; b) Zahn 35: linguale Sondierungstiefe 10 mm, Frakturspalt sichtbar (Pfeile); c) Röntgenbild zu Abb. 7bmit Guttaperchaspitze im Fistelgang; d) Zahn 43: Wurzelkanalfüllung, Stiftkernaufbau, Beschwerden, perkussionsempfindlich, vestibuläre druckdolente Schwellung, Sondierungstiefe 11 mm, marginale Suppuration; e) Zahn 43 aus Abb. 7dnach Extraktion: Der Frakturspalt ist sichtbar, an dem entlang sich Konkremente nach apikal erstrecken.
Die Wechselwirkungen zwischen Parodont und Endodont gestalten die Differenzialdiagnose primär endodontisch oder primär parodontal verursachter Prozesse schwierig und erfordern eine sehr genaue Diagnostik. Verschiedene Symptome können sowohl endodontalen als auch parodontalen Ursprungs sein ( Übersicht 1).
Übersicht 1 Symptome, die sowohl endodontalen, als auch parodontalen Ursprungs sein können.
• Erhöhte Sondierungstiefen |
• Marginale Suppuration |
• Schwellung der Gingiva |
• Fistelbildung |
• Perkussionsempfindlichkeit |
• Erhöhte Zahnbeweglichkeit |
• Horizontale Attachmentverluste |
• Vertikale Knocheneinbrüche (Röntgen) |
• Interradikuläre Osteolyse (Röntgen) |
Das Leitsymptom für die Differenzierung primär endodontal bzw. parodontal verursachter Läsionen ist die Sensibilität des Zahnesauf Kälte oder galvanischen Strom. Bei negativer Sensibilität liegt eine endodontische, bei positiver Sensibilität eine parodontale Ursache nahe. Bei mehrwurzeligen Zähnen ist dieses Kriterium jedoch häufig trügerisch. Partielle Pulpanekrosenkönnen zu periapikalen, lateralen oder interradikulären Osteolysen oder Eiterungen führen, während die Restvitalität des nichtnekrotischen Pulparestes nach wie vor für einen positiven Sensibilitätstest sorgt.
Die Differenzialdiagnose zwischen primär endodontaler Läsion bei partieller Pulpanekrose und tiefer primär parodontaler Läsion, die zu einem Parodontalabszess geführt hat, ist diffizil. Hilfreich ist es, bei der Röntgendiagnostik einen röntgenopaken Stift(z. B. Guttaperchapoint) in die Fistel/parodontale Tasche einzuführen ( Abb. 7c, 8). So lässt sich häufig der Ursprung der Eiterung (z. B. periapikale Region) darstellen. Hinweise für eine primär endodontal verursachte Läsion sind kariöse Läsionen ( Abb. 8b) oder pulpanahe Restaurationen und Kronen 2. Bei etwa 10 % der Kronen kommt es in den ersten 10 Jahren nach Präparation zu Pulpanekrosen. Bei einem Patienten, der generell keine oder wenig Attachmentverluste oder Knochenabbau und nur isoliert an einer Stelle eine stark erhöhte Sondierungstiefe mit Suppuration aufweist (endodontal-parodontale Läsion ohne Beschädigung der Wurzel bei Patienten ohne Parodontitis: Grad 1), sprechen die Befunde für eine primär endodontale Läsion ( Abb. 7c, 8). Ein Patient, der auch an anderen Stellen lokalisiert oder generalisiert tiefe Taschen sowie Knochenabbau zeigt, bei dem aber der Beschwerden bereitende Zahn endodontisch nicht vorgeschädigt ist, hat mit hoher Wahrscheinlichkeit eher ein primär parodontales Problem. Eine periapikale hypodense (radiotransluzente) Zone auf zweidimensionalen Röntgenbildern muss kein eindeutiger Hinweis auf eine Läsion primär endodontaler Genese sein. Die dreidimensionale Ausdehnung primär parodontaler Knochentaschen kann je nach Projektion periapikale Osteolysen vortäuschen ( Abb. 9).

Abb. 8a, b Jugendlicher Patient mit Beschwerden an Zahn 26. Klinisch findet sich mesiobukkal 26 eine Sondierungstiefe von 11 mm mit Suppuration; der Zahn reagiert positiv auf Sensibilitätstest. Ein Vorbehandler hatte bereits die Diagnose Parodontalabszess gestellt und ein subgingivales Scaling durchgeführt, bevor er zur systematischen Parodontalbehandlung überwies. a) Panoramaschichtaufnahme: kein Anhalt auf Knochenabbau; b) Zahnfilm 26 mit Guttaperchapoint in der mesiobukkalen Tasche: mesial bis ins Dentin reichende Karies, der Guttaperchapoint reicht bis in die periapikale Region. Diagnose: akute Parodontitis periapicalis ausgehend von partieller Pulpanekrose an 26. Die Chance für ein Reattachment nach Wurzelkanalbehandlung war allerdings durch das subgingivale Scaling vergeben worden.

Abb. 9 Palatinaler Knochendefekt primär parodontalen Ursprungs, dessen apikale Ausdehnung sich als periapikale hypodense (radiotransluzente) Zone auf das Röntgenbild projiziert: a) schematisch (nach 10); b) Röntgenbild von Zahn 15 mit Guttaperchaspitzen in den parodontalen Taschen (Sondierungstiefen [ST] an allen 3 palatinalen Stellen 11 mm, Mobilität Grad III) 11; c) Röntgenbild 7 Monate nach Schienung mit Komposit in Säure-Ätz-Technik und subgingivaler Instrumentierung mit systemischer Antibiotikagabe: knöcherne Auffüllung, ST maximal 5 mm 11.
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