Nein, ich vergesse Dich nicht NEIN, ICH VERGESSE DICH NICHT Nein, ich vergesse Dich nicht, was ich auch werde, liebliches zeitiges Licht, Erstling der Erde. Alles, was Du versprachst, hat sie gehalten, seit Du das Herz mir erbrachst ohne Gewalten. Flüchtigste frühste Figur, die ich gewahrte: nur weil ich Stärke erfuhr, rühm ich das Zarte.
Graue Liebesschlangen GRAUE LIEBESSCHLANGEN Graue Liebesschlangen hab ich aus Deinen Achselhöhlen gescheucht. Wie auf heißen Steinen liegen sie jetzt auf mir und verdauen Lust-Klumpen
Lass mich nicht an Deinen Lippen trinken LASS MICH NICHT AN DEINEN LIPPEN TRINKEN Lass mich nicht an Deinen Lippen trinken, denn an Munden trank ich mir Verzicht. Lass mich nicht in Deine Arme sinken, denn mich fassen Arme nicht.
Aus der Trübe müder Überdrüsse AUS DER TRÜBE MÜDER ÜBERDRÜSSE Aus der Trübe müder Überdrüsse reißt, die wir einander bebend bringen, uns die Botschaft. Welche? Wir vergingen – Ach wann waren Worte diese Küsse? Diese Küsse waren einmal Worte; stark gesprochen an der Tür ins Freie zwangen sie die Pforte. Oder waren diese Küsse Schreie … Schreie auf so schönen Hügeln, wie sie Deine Brüste sind. Der Himmel schrie sie in den Jugendjahren seiner Stürme.
Oh wie fühl ich still zu Dir hinüber OH WIE FÜHL ICH STILL ZU DIR HINÜBER Oh wie fühl ich still zu Dir hinüber, oh wie gehen mir von Deinem Bild steigende Gefühle flutend über. Ungeheuer ist mein Herz gewillt. In dem Raume, den ich in mich schaute aus dem Weltraum und dem Wind am Meer, gehst Du, unbegreifliche Vertraute, wie sein eigenstes Geschöpf umher. Nun erst schließ ich, ach nach wie viel Zeiten meine Augen über mir; nun mag keine Sehnsucht mehr mich überschreiten; denn vollendeter wird Nacht und Tag. Schau ich aber leise auf, so heilt mir die Welt am milderen Gesichte –, oh so war ja doch: dass ich verzichte, allen Engeln noch nicht mitgeteilt.
So wie eine Türe, die nicht zubleibt SO WIE EINE TÜRE, DIE NICHT ZUBLEIBT So wie eine Türe, die nicht zubleibt, geht im Schlaf mir immer wieder stöhnend die Umarmung auf. Oh wehe Nächte. Draußen wird der Garten weich im Mondschein und die Blüten trüben mir das Fenster und die Nachtigall ist nicht vergebens.
Dein Herz sei wie ein Nest im Unerreichten DEIN HERZ SEI WIE EIN NEST IM UNERREICHTEN Dein Herz sei wie ein Nest im Unerreichten. Hilf keinem zu der Wildnis Deines Baus, doch manchmal wirf am Morgen einen leichten neuflüggen Engel in die Himmel aus.
Vergiss, vergiss und lass uns jetzt nur dies VERGISS, VERGISS UND LASS UNS JETZT NUR DIES Vergiss, vergiss und lass uns jetzt nur dies erleben, wie die Sterne durch geklärten Nachthimmel dringen; wie der Mond die Gärten voll übersteigt. Wir fühlten längst schon, wies spiegelnder wird im Dunkel; wie ein Schein entsteht, ein weißer Schatten in dem Glanz der Dunkelheit. Nun aber lass uns ganz hinübertreten in die Welt hinein die monden ist –
Ein junges Mädchen: das ist wie ein Stern EIN JUNGES MÄDCHEN: DAS IST WIE EIN STERN Ein junges Mädchen: das ist wie ein Stern: die ganze Erde dunkelt ihm entgegen und ist ihm aufgetan wie einem Regen, und niemals trank sie einen seligern. Ein junges Mädchen: das ist wie ein Schatz, vergraben neben einer alten Linde; da sollen Ringe sein und Goldgewinde, doch keiner ist erwählt, dass er sie finde: nur eine Sage geht und sagt den Platz. Ein junges Mädchen: dass wir’s niemals sind. So wenig hat das Sein zu uns Vertrauen. Am Anfang scheinen wir fast gleich, als Kind, und später sind wir manchmal beinah Frauen für einen Augenblick; doch wie verrinnt das fern von uns, was Mädchen sind und schauen. Mädchen gewesen sein: dass es das gibt. Als sagte Eine: einmal war ich dies und zeigte Dir ein Halsband von Türkis auf welkem Sammte; und man sieht noch, wie’s getragen war, verloren und geliebt.
Du duftest aus Dir hinaus DU DUFTEST AUS DIR HINAUS Du duftest aus Dir hinaus, schon schwindelt von Dir den Sternen. Heute lass mich die Fernen weghalten und wie ein Haus warm sein um Dich und zu. [Wohn in mir diese Nacht wach in mir und gib acht]
Der Duft DER DUFT Wer bist Du, Unbegreiflicher: Du Geist, wie weißt Du mich von wo und wann zu finden, der Du das Innere (wie ein Erblinden) so innig machst, dass es sich schließt und kreist. Der Liebende, der eine an sich reißt, hat sie nicht nah; nur Du allein bist Nähe. Wen hast Du nicht durchtränkt als ob Du jähe die Farbe seiner Augen seist. Ach, wer Musik in einem Spiegel sähe, der sähe Dich und wüsste, wie Du heißt.
Ehe EHE Sie ist traurig, lautlos und allein. Sieh, sie leidet. Deine Nächte legten sich auf ihre leisen leicht erregten Nächte wie ein stürzendes Gestein. Hundertmal in Deiner dumpfen Gier warst Du ihr Vergeuder und Vergifter; aber dass Du einmal wie ein Stifter still und dunkel knietest neben ihr macht Dich männlich und geht aus von Dir.
Initiale INITIALE Aus unendlichen Sehnsüchten steigen endliche Taten wie schwache Fontänen, die sich zeitig und zitternd neigen. Aber, die sich uns sonst verschweigen, unsere fröhlichen Kräfte – zeigen sich in diesen tanzenden Tränen.
Die Braut DIE BRAUT Ruf mich, Geliebter, ruf mich laut! Lass Deine Braut nicht so lange am Fenster stehn. In den alten Platanenalleen wacht der Abend nicht mehr: sie sind leer. Und kommst Du mich nicht in das nächtliche Haus mit Deiner Stimme verschließen, so muss ich mich aus meinen Händen hinaus in die Gärten des Dunkelblaus ergießen …
Ich bin, Du Ängstlicher ICH BIN, DU ÄNGSTLICHER Ich bin, Du Ängstlicher. Hörst Du mich nicht mit allen meinen Sinnen an Dir branden? Meine Gefühle, welche Flügel fanden, umkreisen weiß Dein Angesicht. Siehst Du nicht meine Seele, wie sie dicht vor Dir in einem Kleid aus Stille steht? Reift nicht mein mailiches Gebet an Deinem Blicke wie an einem Baum? Wenn Du der Träumer bist, bin ich Dein Traum. Doch wenn Du wachen willst, bin ich Dein Wille und werde mächtig aller Herrlichkeit und ründe mich wie eine Sternenstille über der wunderlichen Stadt der Zeit.
Du siehst, ich will viel DU SIEHST, ICH WILL VIEL Du siehst, ich will viel. Vielleicht will ich Alles: das Dunkel jedes unendlichen Falles und jedes Steigens lichtzitterndes Spiel. Es leben so viele und wollen nichts, und sind durch ihres leichten Gerichts glatte Gefühle gefürstet. Aber Du freust Dich jedes Gesichts, das dient und dürstet. Du freust Dich Aller, die Dich gebrauchen wie ein Gerät. Noch bist Du nicht kalt, und es ist nicht zu spät, in Deine werdenden Tiefen zu tauchen, wo sich das Leben ruhig verrät.
Oft sehn sich unsre Seelen tagelang nicht OFT SEHN SICH UNSRE SEELEN TAGELANG NICHT … Oft sehn sich unsre Seelen tagelang nicht. Und meine, dürstend, Deine zu entdecken, will ihre Arme aus dem Alltag strecken, schaut hinter Deines Lachens Rosenhecken und lugt und lauscht und findet ihren Klang nicht.
Deine Stube mit den kühlen Rosen DEINE STUBE MIT DEN KÜHLEN ROSEN Deine Stube mit den kühlen Rosen in den vielen Vasen, drinnen wir in tiefen Stühlen lehnten, leise Lieder lasen – und mein Auge sehnte zag: ist die einsame Kapelle, welche Zuflucht mir bedeutet; warten will ich an der Schwelle, bis mir Deine Stimme läutet meinen Lebensfeiertag.
Ich möchte Dir ein Liebes schenken ICH MÖCHTE DIR EIN LIEBES SCHENKEN Ich möchte Dir ein Liebes schenken, das Dich mir zur Vertrauten macht: aus meinem Tag ein Deingedenken und einen Traum aus meiner Nacht. Mir ist, dass wir uns selig fänden und dass Du dann wie ein Geschmeid mir löstest aus den müden Händen die niebegehrte Zärtlichkeit.
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