Rainer Rilke - Das Buch der Bilder

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›Das Buch der Bilder‹ ist ein Sammlung von Gedichten des Lyrikers Rainer Maria Rilke. Sie gilt als bedeutendes Werk des Impressionismus und bildet einen Übergang zwischen der gefühls- und stimmungsbetonten frühen Phase Rilkes und seinen Neuen Gedichten.
Formal zeichnet sie sich aus durch die typische und virtuose Verwendung lautmalerischer Mittel wie Alliterationen und Assonanzen sowie der Gefühlsbetonung des lyrischen Ichs.

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LUNATA

Das Buch der Bilder

Das Buch der Bilder

© 1906 by Rainer Maria Rilke

Umschlagbild Helge Johansson Promontory

© Lunata Berlin 2020

Inhalt

Des ersten Buches erster Teil Des ersten Buches erster Teil EINGANG Wer du auch seist: Am Abend tritt hinaus aus deiner Stube, drin du alles weißt; als letztes vor der Ferne liegt dein Haus: Wer du auch seist. Mit deinen Augen, welche müde kaum von der verbrauchten Schwelle sich befrein, hebst du ganz langsam einen schwarzen Baum und stellst ihn vor den Himmel: schlank, allein. Und hast die Welt gemacht. Und sie ist groß und wie ein Wort, das noch im Schweigen reift. Und wie dein Wille ihren Sinn begreift, lassen sie deine Augen zärtlich los....

Des ersten Buches zweiter Teil

Des zweiten Buches erster Teil

Des zweiten Buches zweiter Teil

Des ersten Buches erster Teil

EINGANG

Wer du auch seist: Am Abend tritt hinaus

aus deiner Stube, drin du alles weißt;

als letztes vor der Ferne liegt dein Haus:

Wer du auch seist.

Mit deinen Augen, welche müde kaum

von der verbrauchten Schwelle sich befrein,

hebst du ganz langsam einen schwarzen Baum

und stellst ihn vor den Himmel: schlank, allein.

Und hast die Welt gemacht. Und sie ist groß

und wie ein Wort, das noch im Schweigen reift.

Und wie dein Wille ihren Sinn begreift,

lassen sie deine Augen zärtlich los....

AUS EINEM APRIL

Wieder duftet der Wald.

Es heben die schwebenden Lerchen

mit sich den Himmel empor, der unseren Schultern schwer war;

zwar sah man noch durch die Äste den Tag, wie er leer war,—

aber nach langen, regnenden Nachmittagen

kommen die goldübersonnten

neueren Stunden,

vor denen flüchtend, an fernen Häuserfronten

alle die wunden

Fenster furchtsam mit Flügeln schlagen.

Dann wird es still. Sogar der Regen geht leiser

über der Steine ruhig dunkelnden Glanz.

Alle Geräusche ducken sich ganz

in die glänzenden Knospen der Reiser.

ZWEI GEDICHTE ZU HANS THOMAS SECHZIGSTEM GEBURTSTAGE

MONDNACHT

Süddeutsche Nacht, ganz breit im reifen Monde

und mild wie aller Märchen Wiederkehr.

Vom Turme fallen viele Stunden schwer

in ihre Tiefen nieder wie ins Meer,—

und dann ein Rauschen und ein Ruf der Ronde,

und eine Weile bleibt das Schweigen leer;

und eine Geige dann (Gott weiß woher)

erwacht und sagt ganz langsam:

Eine Blonde ...

RITTER

Reitet der Ritter im schwarzen Stahl

hinaus in die rauschende Welt.

Und draußen ist alles: der Tag und das Tal

und der Freund und der Feind und das Mahl im Saal

und der Mai und die Maid und der Wald und der Gral,

und Gott ist selber vieltausendmal

an alle Straßen gestellt.

Doch in dem Panzer des Ritters drinnen,

hinter den finstersten Ringen,

hockt der Tod und muß sinnen und sinnen:

Wann wird die Klinge springen

über die Eisenhecke,

die fremde befreiende Klinge,

die mich aus meinem Verstecke

holt, drin ich so viele

gebückte Tage verbringe,—

daß ich mich endlich strecke

und spiele

und singe.

MÄDCHENMELANCHOLIE

Mir fällt ein junger Ritter ein

fast wie ein alter Spruch.

Der kam. So kommt manchmal im Hain

der große Sturm und hüllt dich ein.

Der ging. So läßt das Benedein

der großen Glocken dich allein

oft mitten im Gebet....

Dann willst du in die Stille schrein

und weinst doch nur ganz leis hinein

tief in dein kühles Tuch.

Mir fällt ein junger Ritter ein,

der weit in Waffen geht.

Sein Lächeln war so weich und fein:

wie Glanz auf altem Elfenbein,

wie Heimweh, wie ein Weihnachtsschnein

im dunkeln Dorf, wie Türkisstein,

um den sich lauter Perlen reihn,

wie Mondenschein

auf einem lieben Buch.

VON DEN MÄDCHEN

I

Andere müssen auf langen Wegen

zu den dunklen Dichtern gehn;

fragen immer irgendwen,

ob er nicht einen hat singen sehn

oder Hände auf Saiten legen.

Nur die Mädchen fragen nicht,

welche Brücke zu Bildern führe;

lächeln nur, lichter als Perlenschnüre,

die man an Schalen von Silber hält.

Aus ihrem Leben geht jede Türe

in einen Dichter

und in die Welt.

II

Mädchen, Dichter sind, die von euch lernen

das zu sagen, was ihr einsam seid;

und sie lernen leben an euch Fernen,

wie die Abende an großen Sternen

sich gewöhnen an die Ewigkeit.

Keine darf sich je dem Dichter schenken,

wenn sein Auge auch um Frauen bat:

denn er kann euch nur als Mädchen denken:

das Gefühl in euren Handgelenken

würde brechen von Brokat.

Laßt ihn einsam sein in seinem Garten,

wo er euch wie Ewige empfing

auf den Wegen, die er täglich ging,

bei den Bänken, welche schattig warten,

und im Zimmer, wo die Laute hing.

Geht!... Es dunkelt. Seine Sinne suchen

eure Stimme und Gestalt nicht mehr.

Und die Wege liebt er lang und leer

und kein Weißes unter dunklen Buchen,—

und die stumme Stube liebt er sehr.

... Eure Stimmen hört er ferne gehn

(unter Menschen, die et müde meidet)

und: sein zärtliches Gedenken leidet

im Gefühle, daß euch viele sehn.

DAS LIED DER BILDSÄULE

Wer ist es, wer mich so liebt, daß er

sein liebes Leben verstößt?

Wenn einer für mich ertrinkt im Meer,

so bin ich vom Steine zur Wiederkehr

ins Leben, ins Leben erlöst.

Ich sehne mich so nach dem rauschenden Blut;

der Stein ist so still.

Ich träume vom Leben: das Leben ist gut.

Hat keiner den Mut,

durch den ich erwachen will?

Und werd ich einmal im Leben sein,

das mir alles Goldenste gibt,—

_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _

so werd ich allein ,

weinen, weinen nach meinem Stein.

Was hilft mir mein Blut, wenn es reift wie der Wein?

Es kann aus dem Meer nicht den Einen schrein,

der mich am meisten geliebt.

DER WAHNSINN

Sie muß immer sinnen: Ich bin... ich bin....

Wer bist du denn, Marie?

Eine Königin, eine Königin!

In die Knie vor mir, in die Knie!

Sie muß immer weinen: Ich war ... ich war....

Wer warst du denn, Marie?

Ein Niemandskind, ganz arm und bar,

und ich kann dir nicht sagen wie.

Und wurdest aus einem solchen Kind

eine Fürstin, vor der man kniet?

Weil die Dinge alle anders sind,

als man sie beim Betteln sieht.

So haben die Dinge dich groß gemacht,

und kannst du noch sagen wann?

Eine Nacht, eine Nacht, über eine Nacht,—

und sie sprachen mich anders an.

Ich trat in die Gasse hinaus und sieh:

die ist wie mit Saiten bespannt;

da wurde Marie Melodie, Melodie ...

und tanzte von Rand zu Rand.

Die Leute schlichen so ängstlich hin,

wie hart an die Häuser gepflanzt,—

denn das darf doch nur eine Königin,

daß sie tanzt in den Gassen: tanzt!...

DIE LIEBENDE

Ja, ich sehne mich nach dir. Ich gleite

mich verlierend selbst mir aus der Hand,

ohne Hoffnung, daß ich Das bestreite,

was zu mir kommt wie aus deiner Seite

ernst und unbeirrt und unverwandt.

... jene Zeiten: O wie war ich Eines,

nichts was rief und nichts was mich verriet,

meine Stille war wie eines Steines,

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