Die wissenschaftliche Biologie ist eine Schöpfung des 19. Jahrhunderts. Mit Maria Sibylla Merian, Carl von Linné und einigen anderen gab es zwar schon früher einzelne herausragende Persönlichkeiten, doch den Grundstein für eine eigenständige biologische Wissenschaft legten die beiden Forscher Matthias Schleiden und Theodor Schwann mit ihrer Zelltheorie. Sie erkannten, dass allen Lebewesen der Aufbau aus einzelnen, im Prinzip gleichartigen Körperzellen gemeinsam ist und überwanden damit die Trennung von Pflanzen- und Tierkunde. Alfred Wallace und Charles Darwin lieferten wenig später den theoretischen Unterbau für die gemeinsame stammesgeschichtliche Entwicklung aller Lebensformen, während Gregor Mendel fast zeitgleich die ersten Gesetzmäßigkeiten der Vererbung aufstellte.
Das ausgehende 19. Jahrhundert markiert den Beginn einer großen Zeit bedeutender Entdeckungen in der Biologie. Sie führten zu einer immer weiteren Aufspaltung in Teildisziplinen und Forschungsrichtungen. Immer deutlicher zeichnete sich ab, dass die junge Wissenschaft eigentlich aus zwei methodisch unterschiedlich arbeitenden Teilbereichen besteht. Die funktionale Biologie, die weitgehend mit physikalischen und chemischen Methoden arbeitet, analysiert und physiologische Prozesse – wie es Jakob von Uexküll ausgedrückt hat – »unbekümmert von ihrem Verwandtschaftsgrad zum Menschen und ihrem Nutzen für die Medizin« vergleichend betrachtet, während sich die Evolutionsforschung im Wesentlichen aus dem Verlauf der Stammesgeschichte erschließt und eigene biologische Methoden entwickelte. Sie steht den Geisteswissenschaften in vielerlei Hinsicht recht nahe, so dass die Grenze zwischen den exakten Wissenschaften und den Geisteswissenschaften mitten durch die Biologie zu verlaufen scheint.
Was die beiden methodisch unterschiedlichen Teilbereiche jedoch wiederum zur Biologie vereint, ist, dass Organismen maßgeblich vom genetischen Code bestimmt werden und die Forschungsergebnisse folglich auf einem gemeinsamen Wissenschaftsverständnis gründen.
Biologen denken in Populationen, die aus äußerlich wie auch genetisch recht unterschiedlichen Individuen bestehen. Das in den anderen naturwissenschaftlichen Disziplinen vorherrschende typologische Denken ist mit der Evolutionstheorie nicht vereinbar und in der Biologie nicht sinnvoll. Außerdem kann es, wie die Geschichte gezeigt hat, zu gefährlichen Ideologien verleiten, wie etwa zum absurden Bild vom idealen Menschen. Wo die Abweichung vom statistischen Mittelwert die Regel ist und wo der Einzelfall niemals Allgemeingültigkeit besitzt, können entsprechend die von Karl Popper für Chemie und Physik aufgestellten Basissätze nicht gelten, nach der bereits eine einzige Ausnahme die Widerlegung einer ganzen Theorie bedeutet. Biologische Theorien beruhen, wie es Ernst Mayr formuliert hat, auf biologischen Konzepten, die eine individuelle Bandbreite voraussetzen und beinhalten.
Auf der anderen Seite kennt die Biologie als exakte Wissenschaft weder die vis vitalis der Vitalisten noch andere physikalisch nicht messbare Kräfte, die angeblich einen lebenden Organismus von einem unbelebten Gegenstand unterscheiden sollen. Unbiologisch ist auch die Vorstellung, die noch auf den griechischen Universalgelehrten Aristoteles zurückgeht, dass die stammesgeschichtliche Entwicklung einem fernen Ziel zustrebt. Aristoteles nennt dieses Prinzip causa finalis. Sie ist aus der Embryonalentwicklung abgeleitet, bei der aus einer befruchteten Eizelle zielgerichtet ein neuer Organismus entsteht, dessen Aussehen bereits im Keim angelegt ist. Diese Vorstellung wurde auf die Entwicklung des Lebens auf der Erde übertragen. Der denkende Mensch als selbst ernanntes Ebenbild Gottes stehe am Ende einer zwangsläufig auf dieses Ziel zusteuernden Entwicklung. Diese als kosmische Teleologie bekannte Ansicht wurde durch Charles Darwin widerlegt, der stattdessen den Zufall in die stammesgeschichtliche Entwicklungslehre eingeführt hat. Die Entwicklung des Lebens führt, das ist die Quintessenz aus Darwins Lehre, keinesfalls über kurz oder lang zu immer intelligenteren Lebensformen. Der Mensch ist vielmehr das Ergebnis einer von vielen Zufällen geprägten Evolution. Es ist nach Meinung vieler Biologen daher nicht nur unwahrscheinlich, sondern sogar fast ausgeschlossen, auf anderen erdähnlichen Planeten ähnlich intelligentes Leben zu finden wie auf unserer Erde.
Bei der Auswahl der Biologen musste ich mich auf den Kernbereich der Biologie beschränken. Teildisziplinen, die eigentlich auch der Biologie zugerechnet werden, wie Anthropologie, Paläontologie, Biochemie, Biophysik, Genetik, Nutzpflanzen- und Nutztierforschung, der Bereich Garten und Gartenbau ebenso wie Tier- und Pflanzenzucht und andere angewandte Bereiche blieben weitgehend oder gänzlich ausgeklammert. Dagegen war es ein persönliches Anliegen, Forscherpersönlichkeiten wie Rachel Carson, Bernhard Grzimek, Dian Fossey und andere, die sich große Verdienste um den Erhalt der biologischen Vielfalt erworben haben, unbedingt mit aufzunehmen.
Mein besonderer Dank gilt Professor Dr. Werner Nachtigall für seine Autobiographie, die er als Beitrag zu diesem Buch verfasst hat. Den Herren Dr. Heinz Schröder und Dr. Manfred Grasshof vom Forschungsinstitut Senckenberg danke ich sehr für ihre wertvollen Anregungen. Allen anderen nicht namentlich genannten Personen, die auf die eine oder andere Weise zum Gelingen des Buches beigetragen haben, schulde ich meinen besten Dank. Hervorheben möchte ich die überaus angenehme Art und Weise, mit der die Geschäftsführerin des Marix Verlages, Frau Miriam Zöller, das Werden dieses Buches begleitet hat. Herzlichen Dank. Zu guter Letzt geht ein ganz besonders lieber Dank an meine Frau Christine, die mir immer als kompetente und geduldige Gesprächspartnerin zur Seite gestanden hat.
Usingen, den 12. November 2007
(384–322 v. Chr.)
Der griechische Arzt, Philosoph und Universalgelehrte setzte sich, im Gegensatz zu seinem Lehrer Platon, mit der realen Welt auseinander. Er beobachtete die ihn umgebende Natur genau und schuf ein Erklärungsmodell, das in Europa rund 1.500 Jahre, bis zum Ende des Mittelalters, unangefochten galt.
Aristoteles wurde 384 v. Chr. in dem unscheinbaren Ort Stagira in Makedonien geboren. Sein Vater Nichomachos war Leibarzt am Hof von König Amyntas von Makedonien. Da Aristoteles’ Eltern früh starben, wuchs er bei Verwandten auf. Mit 18 Jahren ging er nach Athen und wurde Schüler Platons. Nach dessen Tod verließ der nunmehr 37-Jährige Griechenland und reiste nach Assos in Kleinasien zu seinem Freund, dem Tyrannen Hermeias. Er heiratete dessen Nichte Pythias. Als Hermeias knapp drei Jahre später gestürzt wurde, floh Aristoteles nach Mythilene auf Lesbos.
342 v. Chr. wurde er von König Philipp von Makedonien an dessen Hof gerufen. Aristoteles übernahm die Ausbildung des 13-jährigen Prinzen Alexander, der später als Alexander der Große in die Geschichte eingehen sollte. Nach der Ermordung Philipps 336 v. Chr. wurde Prinz Alexander neuer Herrscher von Makedonien. Aristoteles verließ den jungen König, ließ sich in Athen nieder und gründete mit Unterstützung des Makedonischen Königshauses das Lyzeum. Es war Schule, Forschungsinstitut und Bibliothek zugleich. Aristoteles sammelte Tiere, Pflanzen und Mineralien, befasste sich mit Physik, Politik und Ethik und entwickelte seine naturphilosophische Lehre. 12 Jahre später starb Alexander und Aristoteles musste nach formeller Anklage seiner Gegner 324 v. Chr. Athen fluchtartig verlassen. Die beiden letzten Jahre seines Lebens verbrachte er auf dem mütterlichen Landgut in Chalkis auf Euböa. Hier erlag er 322 v. Chr. im Alter von 62 Jahren einem Magenleiden.
Keines der Werke von Aristoteles ist im Originaltext erhalten geblieben. Bei den überlieferten Texten handelt es sich wahrscheinlich um Mitschriften, die seine Schüler bei seinen Vorlesungen verfassten.
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