wurde 1763 in Wunsiedl geboren und starb 1825 in Bayreuth. Seine literaturgeschichtliche Einordnung fällt bis heute schwer. Er steht eher in der Tradition der englischen Satiriker wie Swift oder Sterne. Jean Pauls Werk war und ist extrem modern, seine Sprachbehandlung verspielt und luxuriös. Es wundert daher wenig, dass seine Zeitgenossen Goethe und Schiller nicht viel mit ihm anfangen konnten. Doch viele Romantiker - und vor allem die weibliche Leserschaft seiner Zeit - waren von seinen Schriften begeistert.
Jean Pauls‘ schwarzhumorige Gelehrtensatire liest sich, als wäre sie im 20. Jahrhundert entstanden: selbstreflexiv bis zum Geht-nicht-mehr, dadaistisch anmutender Sprachgebrauch und irrwitzige Wortneuschöpfungen. Jean Pauls Werke leben vor allem von seinem - beinahe verschwenderisch anmutenden - Umgang mit Sprache und Phantasie und seinem zwischen charmant-putzigem und skurril-grotesk changierendem Ton. Damit war der Autor schlicht zu modern für seine Zeit.
Im Mittelpunkt dieser meisterhaften humoristischen Erzählung steht der verschrobene Professor Dr. Katzenberger mit seiner Faszination für in Spiritus eingelegte Missgeburten. Eine Badereise nach Bad Maulbronn dient dem Exzentriker als Vorwand, um den Verriss eines seiner kuriosen Bücher durch Prügel am Rezensenten zu rächen. Seine Tochter Theoda, die ihn begleitet, verliebt sich in den jungen Dichter Theodobach, der ein Geheimnis hat ...
Eine ironische Lovestory und als Hauptfigur einer der komischsten „Verrückten Professoren“ der Literaturgeschechte.
Mit einem Vorwort
von Ulrich Holbein
"Einer von den Zwanzig, für die ich mich mit der ganzen Welt prügeln würde." Arno Schmidt über Jean Paul
Jean Paul
Dr. Katzenbergers Badereise
Jean Paul
Dr. Katzenbergers
Badereise
Erzählung
Mit einem Vorwort von
Ulrich Holbein
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EIN VORWORT VON ULRICH HOLBEIN
ERSTES BÄNDCHEN
Vorrede
Vorrede zur zweiten Auflage
ERSTE ABTEILUNG
Anstalten zur Badreise
Reisezwecke
Ein Reisegefährte
Bona
Herr von Nieß
Fortsetzung der Abreise durch Fortsetzung des Abschieds
Fortgesetzte Fortsetzung der Abreise
Beschluss der Abreise
Halbtagfahrt nach St. Wolfgang
Mittags-Abenteuer
Wagen-Sieste
– die Avantüre –
Theodas ersten Tages Buch
Missgeburten-Adel
Hasenkrieg
Ankunft-Sitzung
Werkchen
ZWEITES BÄNDCHEN – ZWEITE ABTEILUNG
Bloße Station
Männikes Seegefecht
Mondbelustigungen
Zweiten Tages Buch
Hemmrad der Ankunft im Badeorte – Dr. Strykius
Nießiana
Ein Brief
Mittagtischreden
Musikalisches Deklamatorium
Neuer Gastrollenspieler
Nachtrag
Darum
Herr von Nieß
Tischgebet und Suppe
Aufdeckung und Sternbedeckung
Erkennszene
Abendtisch-Reden über Schauspiele
Brunnen-Beängstigungen
Theodas Brief an Bona
Herzens-Interim
Neue Mitarbeiter an allem – Bonas Brief an Theoda
Werkchen
DRITTES BÄNDCHEN – DRITTE ABTEILUNG
Wie Katzenberger seinen Gevatter und andere traktiert
Doktors Höhlen-Besuch
Theodas Höhlen-Besuch
Drei Abreisen
Theodas kürzeste Nacht der Reise
Präliminar-Frieden und Präliminar-Mord und Totschlag
Die Stuben-Treffen – der gebotene Finger zum Frieden
Ende der Reisen und Nöten
Werkchen
EIN VORWORT VON ULRICH HOLBEIN
Kotsasse... Hintersasse... Eingeweidewürmerkabinett... Fangkloben... Milchschwestern... Stockscheide... Schnepfendreck... Streitflegel... scheidekünstlen... triplizieren... blitzwunderlich... mausig... -- seltsame Worte läßt Jean Paul im ‚Dr. Katzenberger‘ und anderswo auf seine Nachgeborenen los, altertümliche Unförmlichkeiten wie „Schwanzstern“ statt Komet, oder Haarstern oder Blutzähre. Sodann: hemmungslose Fremdwörter wie Poetasterei, Haruspizien, Karyatiden, Incroyable, Sokkus, bisweilen sogar halbwegs verständliche wie homöpathisch, Gourmand oder Serenissimus, sehr gern anatomische Termini wie Bolus, melphigisches Schleimnetz oder Sphinkter, und stets a priori kuriose Eigen- und Ortsnamen: Mehlhorn, Strykius, Flex, Semmelmann, Fugnitz, Besau, Wampfe, Lumpelbach, Galgenbach, Potzneusiedl, Sterzel, Kratza und Huhl. Erwähnt wird – neben König Ninus – auch mal der heilige Stropinnus, über den selbst Wikipedia und Google noch nichts Genaueres weiß. Fast bleibt ‚Brehms Tierleben‘ zurück hinter den Tiernamen Jean Pauls nur allein im ‚Katzenberger‘, als da Säbelschnäbler, Dachsschliefer, Windfisch, Hasengeier aufzuzählen wären; mit Blutigel meint er Blutegel. Wunderliche Wortzusammenschiebungen wie Maschinen-Götter oder Stachelkomödien, süperbe Neologismen und Genitivmetaphern tummeln sich: Nettodreck und Bruttodreck, oder „das flüchtige Salz des Komischen“, „das Kindergärtchen des Verliebens“. Ergänzend zu Feindseligkeiten, Liebhaber und Edelknabe kreierte Jean Paul „Freundseligkeiten“, „Haßhaber“ und „Unedelknabe“, sowie auch nie gehörte Diminutive wie „föderative Staatkörperchen“, „Fürstchen“ (nicht mit Würstchen zu verwechseln), „Tyrannchen“, „Walfischchen“ oder „Wesenchen“ (offenbar kleine Wesen). Sein Plural von Korken lautet bevorzugt: „Körke“. Hinzu kommen schöne verrückte Adjektive: literarisches Schmiervieh, chaotische Anamorphosen, organischer Kolossus, nervöser Überzug, rinnende Blutkugeln, chemische Traktätchen, verpönter Knochendiebstahl, asiatischer Papst, womit er den Dalai Lama meint, kurzes Erwürgen, doppelte Unsterblichkeit, tröstender Himmel, trostloser Mensch, untergepflügter Dichter, durchwühlter Nachthimmel, zerstückte Gestalten, durchbohrte Bilder, zerschlagne Gebirge, eingefrorne Leichenheere, entseelte Masken, eingeäscherte Geschwister, eingedrückte Herzen, dicker Schlaf, wimmelnde Kugelschatten umlaufender Welten, dazu so anregend paradoxe Klöpse wie tödliche Freudenträne und angeborene Wunde. All diese Bausteine schießen zu wundersam absurden Satzfetzen zusammen: „schöne Natur, die schon dalag“, oder: „Die Einsamkeit der abwechselnden Wiedergeburt“, oder: „sein erstes Dagewesensein“, und zu Sätzen, Formulationen und Weisheiten wie: „Was sonst aus dem Nilschlamm halb lebendig aufwuchs, waren nur Leute“, oder: „Gott weiß, wo die Göttin jetzt ihre Ziegen melkt“, oder: „Eine Frau, die so lang ist als ein Mann, ist länger als ein Mann“ – alles Worte und Sätze, wie sie bei Dichterfürsten namens Goethe oder beliebig maßlosen Romantikern entweder nicht vorkommen oder undenkbar wären.
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