Meister Kung sprach: »Unter den Königen sind solche, die Frühling und Herbst gleichen. Der König Wen hatte den Wang Gi zum Vater, die Tai Jen zur Mutter, die Tai Sï zur Gattin, den König Wu und den Herzog von Dschou zu Söhnen, den Tai Diën und Hung Yau zu Beamten. So war die Grundlage, die er legte, gut. König Wu machte dadurch, daß er seine eigene Person recht machte, sein Reich recht und dadurch, daß er sein Reich recht machte, die Welt recht. Er bekämpfte die Zuchtlosen und strafte die Sünder. Er brauchte sich nur einmal in Bewegung zu setzen, und die ganze Welt war recht, und seine Arbeit war vollendet. Frühling und Herbst nahen mit ihrer Zeit, und alle Wesen werden lebendig. Ein König naht mit seinem Weg, und alles Volk kommt in Ordnung. Der Herzog von Dschou arbeitete an sich selbst, um Wandlungen hervorzubringen, und alle Welt folgte ihm. Das war seine höchste Wahrhaftigkeit.«
7. Wie man sich in einem Lande umsieht
Meister Dseng 6sprach: »Wenn du in ein Land kommst, wo Worte zuverlässig sind bei der Menge der Beamten, so magst du da bleiben; wenn die Handlungen gewissenhaft sind unter den Ministern und den Großbeamten, so magst du dich da anstellen lassen; wenn des Fürsten Gnade dem Volk zugute kommt, so magst du dir Reichtum gefallen lassen.« Meister Kung sprach: »Diese Worte des Schen zeigen den Weg zu einem gesicherten Leben.«
8. Mißverstandene Menschlichkeit
Dsï Lu war Amtmann von Pu. Da setzte er, um Vorkehrungen gegen Überschwemmungen zu treffen, mit der Bevölkerung die Kanäle und Gräben instand. Da die Leute viel Arbeit und Mühe dabei hatten, ließ er jedem einen Korb Reis und einen Topf Suppe austeilen.
Meister Kung hörte davon und sandte den Dsï Gung hin, um der Sache Einhalt zu tun.
Da wurde Dsï Lu ernstlich böse, ging hin, trat vor den Meister Kung und sprach: »Da die Regenzeit bald kommt, habe ich, um Vorkehrung gegen Wassernot zu treffen, durch die Leute die Kanäle und Gräben instandsetzen lassen. Da die Leute meistens abgearbeitet und hungrig waren, habe ich jedem einen Korb Reis und einen Topf Suppe austeilen lassen. Ihr habt den Dsï Gung geschickt, um der Sache Einhalt zu tun, das heißt, Ihr habt mich verhindert, Menschlichkeit zu üben. Ihr lehrt uns Menschlichkeit und verhindert doch deren Ausübung. Das kann ich nicht annehmen.«
Meister Kung sprach: »Wenn du der Meinung warst, daß die Leute Hunger leiden, warum hast du es nicht dem Fürsten berichtet, daß er seine Speicher öffnen ließe, um ihnen zu helfen? Stattdessen hast du sie eigenmächtig mit einer Speise beschenkt. Damit hast du gezeigt, daß der Fürst keine Gnade kennt, und dafür die Güte deines Charakters ins Licht gesetzt. Wenn du sofort damit aufhörst, so mag es noch hingehen. Andernfalls ziehst du dir sicher Strafe zu.«
Dsï Lu fragte den Meister Kung: »Was war Guan Dschung für ein Mensch?« Der Meister sprach: »Er war menschlich.« Dsï Lu sprach: »Erst hat Guan Dschung dem Herzog Siang Rat erteilt, aber der Herzog nahm ihn nicht an. Er war also nicht beredt. Er wollte den Prinzen Giu als Fürsten einsetzen, aber es gelang ihm nicht. Er war also nicht weise. Seine Familie wurde in Tsi ausgerottet, und er zeigte keine Trauer darüber. Er war also nicht liebevoll. Er saß gefesselt an Händen und Füßen in einem vergitterten Wagen und schämte sich nicht. Er hatte also kein Ehrgefühl. Er diente einem Fürsten, nach dem er vorher geschossen hatte. Er war also nicht charakterfest. Schau Hu folgte seinem Herrn in den Tod, Guan Dschung tat es nicht. Er war also nicht treu. Ist die Handlungsweise eines menschlichen Mannes wirklich dieser Art?«
Meister Kung sprach: »Daß der Herzog Siang nicht auf die Ratschläge des Guan Dschung hörte, daran war die Torheit des Herzogs schuld. Daß es ihm nicht gelang, den Prinzen Giu auf den Thron zu bringen, das war, weil er nicht die rechte Zeit getroffen hatte. Daß er keine Trauer zeigte, als seine Familie in Tsi ausgerottet wurde, das war, weil er sich in sein Schicksal zu finden wußte. Daß er sich nicht schämte, als er gefesselt an Händen und Füßen in einem vergitterten Wagen saß, das war, weil er seine Lage zu beurteilen vermochte. Daß er einem Fürsten diente, nachdem er erst auf ihn geschossen hatte, das war, weil er die veränderte Lage verstand. Daß er dem Prinzen Giu nicht in den Tod folgte, das war, weil er erkannt hatte, was wichtig war und was unwichtig war. Der Prinz Giu war noch nicht Fürst, folglich war Guan Dschung auch nicht sein Beamter. Guan Dschung hatte die Fähigkeit, zu ermessen, was seine Pflicht gebot. So starb Guan Dschung nicht, er gürtete die Lenden und stand aufrecht da, so daß der Ruhm seines Namens noch immer ungetrübt ist. Schau Hu starb freilich, aber er tat nichts, als daß er seine Menschlichkeit zu weit trieb. Das will noch nichts heißen.« 7
Meister Kung reiste nach Tsi. Unterwegs hörte er die Stimme eines Weinenden, die sehr traurig klang. Meister Kung sprach zu seinem Wagenlenker: »Dieser Weinende ist wohl von Schmerz bewegt, aber es ist nicht der Schmerz eines Mannes, der einen Toten begräbt. Fahr hin zu ihm.«
Nach einer Weile sah man einen seltsamen Menschen mit einer Sichel im Arm und mit einem Strick umgürtet, der bitterlich weinte.
Meister Kung stieg vom Wagen, lief ihm nach und fragte: »Wer seid Ihr?« Jener sprach: »Ich bin Kiu Wu Dsï.«
Er sprach: »Ihr habt doch kein Begräbnis zu besorgen, warum weint Ihr so bitterlich?«
Kiu Wu Dsï sprach: »Ich habe drei Verluste erlitten. Wenn ich später auch zur Besinnung gekommen bin und bereut habe, ich kann sie doch nicht wiedergutmachen.«
Der Meister sprach: »Darf ich die drei Verluste hören? Ich möchte, daß Ihr sie mir ohne Rückhalt sagt.«
Kiu Wu Dsï sprach: »In meiner Jugend liebte ich das Lernen und trieb mich auf der ganzen Welt herum. Als ich dann später heimkam, da war mein Vater gestorben. Das ist mein erster Verlust. Erwachsen diente ich dem Fürsten von Tsi. Der Fürst war stolz und üppig und verlor das Herz seiner Diener. Ich hielt mich für zu gut und folgte ihm nicht. Das ist mein zweiter Verlust. Mein ganzes Leben lang habe ich gute Freunde gehabt, und nun haben sie mich alle verlassen. Das ist mein dritter Verlust.
Der Baum wär’ gerne stille, ach,
Doch läßt des Windes Wehn nicht nach.
Der Sohn möcht’ wohl den Vater pflegen,
Doch ach, der Vater wartet nicht!
Hin gehn sie und kommen nicht wieder, die Jahre,
Und unwiderbringlich dahin sind die Eltern.
Nun will ich Abschied nehmen.«
Mit diesen Worten stürzte er sich ins Wasser und ertrank.
Meister Kung sprach: »Kinder, merkt es euch. Das mag euch zur Warnung dienen!«
Da verließen den Meister und gingen nach Hause, um ihre Eltern zu pflegen, seiner Schüler dreizehn.
Meister Kung sagte zu seinem Sohne Bo Yü 8: »Li, es heißt: Mit einem den ganzen Tag zusammen sein, ohne dessen Überdruß zu erregen, das kann nur der Gebildete. An seinem Äußeren und seiner Gestalt ist nichts Besonderes zu sehen, sein Mut und seine Kraft sind nicht besonders zu fürchten. Über seine Ahnen ist nichts Besonderes zu sagen, von seinem Geschlecht ist nichts Besonderes zu erwähnen, und schließlich macht er sich doch einen großen Namen, daß er allenthalben berühmt ist und auch von der Nachwelt noch genannt wird; das alles ist der Erfolg der Bildung. Darum darf der Edle die Bildung nicht vernachlässigen, er darf nicht versäumen, auch sein Äußeres zu pflegen. Pflegt er sein Äußeres nicht, so findet er keine Gesellschaft. Hat er keine Gesellschaft, so verliert er die Liebe. Verliert er die Liebe, so ist er auch nicht mehr loyal. Ist er nicht loyal, so versäumt er auch die Sitte. Versäumt man die Sitte, so kann man nicht mehr sicher auftreten. Von ferne schon macht einen guten Eindruck ein gepflegtes Äußeres, und was bei näherem Umgange immer mehr gewinnt, das ist die Bildung. Es ist wie mit einem gegrabenen Teich, in dem sich das Regenwasser sammelt; wenn erst Schilf und Binsen darin wachsen, wer sieht ihm dann, wenn er ihn betrachtet, noch an, daß er keine Quelle ist?«
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