Nach den mit Angst verwahrten Schätzen.
O schwere Last der Eitelkeit!
Um schlecht zu leben, schwer zu sterben,
Sucht man sich Güter zu erwerben;
Verdient ein solches Glück wohl Neid?
Aus: Gellert, Christian Fürchtegott, Poetische und prosaische Werke, Erster Theil: Fabeln und
Erzählungen, Berlin o.J., S. 24-26.
*1715-1769
Der Hirsch, der Hund und der Wolf (Friedrich von Hagedorn*)
Ein jeder Frommer thut, was man in Hamburg thut:
Das Gute glaubt er oft, allein das Böse selten.
Ihn lehrt der Lauf der Welt, daß Neid und Frevelmuth
Der Tugend Henker sind, und auch die Frömmsten schelten.
Sonst ist's ein bloßes Glück, wenn einen Bösewicht
Die Unschuld und das Recht, trotz seiner Kunst! beschämen.
Ein Wolf jagt' einen Hund. Der bat, aus Zuversicht,
Den Hirsch, ihn ungesäumt in seinen Schutz zu nehmen.
Der Flüchtling wird erhört; doch ihn verfolgt sein Feind,
Und spricht: Ich komm', o Hirsch, dein einzig Kalb zu rächen.
Der Schnapphan hat's erwürgt; ich sah es, ich, dein Freund,
Und den verwirkten Hals soll ihm kein andrer brechen.
Der Hund verneint die That. Er fleht, und schwört dabei:
Es sei ihm, von Natur, das Wildpret recht zuwider.
Ihm zeigt der strenge Hirsch sein fürchterlich Geweih.
Beklagter seufzt und heult, und wirft sich vor ihm nieder.
Als drauf sein Kläger ihm mit neuen Zeugen droht,
Kömmt, gleich zu rechter Zeit, das Hirschkalb hergesprungen.
Den frechen Lügner trifft Verwirrung, Furcht und Tod;
Doch dieses Beispiel schreckt nur wenig Lästerzungen.
Aus: Hagedorn, Friedrich von, Sämmtliche poetische Werke, Leipzig o.J., S. 114-115.
*1708-1754
Als der Hund tot war (Matthias Claudius*)
Alard ist hin, und meine Augen fließen
Mit Tränen der Melancholie!
Da liegt er tot zu meinen Füßen!
Das gute Vieh!
Er tat so freundlich, klebt´ an mir wie Kletten
Noch als er starb an seiner Gicht
Ich wollt´ ihn gern vom Tode retten,
Ich konnte nicht.
Am Eichbaum ist er oft mit mir gesessen,
In stiller Nacht mit mir allein;
Alard, ich will dich nicht vergessen
Und scharr´dich ein.
Wo du mit mir oft saß´st bei unsrer Eiche,
Der Freundin meiner Schwärmerei. –
Mond, scheine sanft auf seine Leiche!
Er war mir treu.
Aus: Claudius, Matthias, Werke in einem Band, München 1976, S. 45-46.
*1740-1850
Texte der Moderne (ab 19. Jahrhundert)
Der alte Sultan (Jacob und Wilhelm Grimm*)
Es hatte ein Bauer einen treuen Hund, der Sultan hieß, der war alt geworden und hatte alle Zähne verloren, sodass er nichts mehr fest packen konnte. Zu einer Zeit stand der Bauer mit seiner Frau vor der Haustüre und sprach: „Den alten Sultan schieß ich morgen tot, der ist zu nichts mehr nütze.“
Die Frau, die Mitleid mit dem treuen Tiere hatte, antwortete: „Da er uns so lange Jahre gedient hat und ehrlich bei uns gehalten, so könnten wir ihm wohl das Gnadenbrot geben.“ „Ei was“, sagte der Mann, „du bist nicht recht gescheit; er hat keinen Zahn mehr im Maul, und kein Dieb fürchtet sich vor ihm, er kann jetzt abgehen. Hat er uns gedient, so hat er sein gutes Fressen dafür gekriegt.“
Der arme Hund, der nicht weit davon in der Sonne ausgestreckt lag, hatte alles mit angehört und war traurig, dass morgen sein letzter Tag sein sollte. Er hatte einen guten Freund, das war der Wolf, zu dem schlich er abends hinaus in den Wald und klagte über das Schicksal, das ihm bevorstände. „Höre, Gevatter“, sagte der Wolf, „sei guten Mutes, ich will dir aus deiner Not helfen. Ich habe etwas ausgedacht. Morgen in aller Frühe geht dein Herr mit seiner Frau ins Heu, und sie nehmen ihr kleines Kind mit, weil niemand im Hause zurückbleibt. Sie pflegen das Kind während der Arbeit hinter die Hecke in den Schatten zu legen. Lege dich daneben, gleich als wolltest du es bewachen. Ich will dann aus dem Walde herauskommen und das Kind rauben, du musst mir eifrig nachspringen, als wolltest du mir es wieder abjagen. Ich lasse es fallen, und du bringst es den Eltern wieder zurück, die glauben dann, du hättest es gerettet, und sind viel zu dankbar, als dass sie dir ein Leid antun sollten; im Gegenteil, du kommst in völlige Gnade, und sie werden es dir an nichts mehr fehlen lassen.“
Der Anschlag gefiel dem Hund, und wie er ausgedacht war, so ward er auch ausgeführt. Der Vater schrie, als er den Wolf mit seinem Kinde durchs Feld laufen sah; als es aber der alte Sultan zurückbrachte, da war er froh, streichelte ihn und sagte: „Dir soll kein Härchen gekrümmt werden, du sollst das Gnadenbrot essen, solange du lebst.“ Zu seiner Frau aber sprach er: „Geh gleich heim und koche dem alten Sultan einen Weckbrei, den braucht er nicht zu beißen, und bring das Kopfkissen aus meinem Bette, das schenk ich ihm zu seinem Lager.“ Von nun an hatte es der alte Sultan so gut, als er sich es nur wünschen konnte. Bald hernach besuchte ihn der Wolf und freute sich, dass alles so wohl gelungen war. „Aber, Gevatter“, sagte er, „du wirst doch ein Auge zudrücken, wenn ich bei Gelegenheit deinem Herrn ein fettes Schaf weghole. Es wird einem heutzutage schwer, sich durchzuschlagen.“ „Darauf rechne nicht“, antwortete der Hund, „meinem Herrn bleibe ich treu, das darf ich nicht zugeben!“
Der Wolf meinte, das wäre nicht im Ernste gesprochen, kam in der Nacht herangeschlichen und wollte sich das Schaf holen. Aber der Bauer, dem der treue Sultan das Vorhaben des Wolfes verraten hatte, passte ihm auf und kämmte ihm mit dem Dreschflegel garstig die Haare. Der Wolf musste ausreißen, schrie aber dem Hund zu: „Wart, du schlechter Geselle, dafür sollst du büßen!“
Am andern Morgen schickte der Wolf das wilde Schwein und ließ den Hund hinaus in den Wald fordern, da wollten sie ihre Sache ausmachen. Der alte Sultan konnte keinen Beistand finden als eine Katze, die nur drei Beine hatte, und als sie zusammen hinausgingen, humpelte die arme Katze daher und streckte zugleich vor Schmerz den Schwanz in die Höhe.
Der Wolf und sein Beistand waren schon an Ort und Stelle, als sie aber ihren Gegner daherkommen sahen, meinten sie, er führte einen Säbel mit sich, weil sie den aufgerichteten Schwanz der Katze dafür ansahen. Und wenn das arme Tier so auf drei Beinen hüpfte, dachten sie nichts anders, als es höbe jedes Mal einen Stein auf, wollte damit auf sie werfen.
Da ward ihnen beiden Angst.
Das wilde Schwein verkroch sich ins Laub, und der Wolf sprang auf einen Baum. Der Hund und die Katze, als sie herankamen, wunderten sich, dass sich niemand sehen ließ. Das wilde Schwein aber hatte sich im Laub nicht ganz verstecken können, sondern die Ohren ragten noch heraus. Während die Katze sich bedächtig umschaute, zwinste das Schwein mit den Ohren; die Katze, welche meinte, es regte sich da eine Maus, sprang darauf zu und biss herzhaft hinein. Da erhob sich das Schwein mit großem Geschrei, lief fort und rief: „Dort auf dem Baum, da sitzt der Schuldige.“ Der Hund und die Katze schauten hinauf und erblickten den Wolf, der schämte sich, dass er sich so furchtsam gezeigt hatte, und nahm von dem Hund den Frieden an.
Aus: Grimm, Jacob und Wilhelm, Kinder- und Hausmärchen, hg. von Paul Neuburger,
Leipzig 1916, S. 166-168.
*Jacob Grimm 1785-1863
Wilhelm Grimm 1786-1859
Der Hund und der Sperling (Jacob und Wilhelm Grimm)
Ein Schäferhund hatte keinen guten Herrn, sondern einen, der ihn Hunger leiden ließ. Wie ers nicht länger bei ihm aushalten konnte, ging er ganz traurig fort. Auf der Straße begegnete ihm ein Sperling, der sprach „Bruder Hund, warum bist du so traurig?“ Antwortete der Hund „ich bin hungrig und habe nichts zu fressen.“ Da sprach der Sperling „lieber Bruder, komm mit in die Stadt, so will ich dich satt machen.“ Also gingen sie zusammen in die Stadt, und als sie vor einen Fleischerladen kamen, sprach der Sperling zum Hunde „da bleib stehen, ich will dir ein Stück Fleisch herunterpicken,“ setzte sich auf den Laden, schaute sich um, ob ihn auch niemand bemerkte, und pickte, zog und zerrte so lang an einem Stück, das am Rande lag, bis es herunterrutschte. Da packte es der Hund, lief in eine Ecke und fraß es auf. Sprach der Sperling „nun komm mit zu einem andern Laden, da will ich dir noch ein Stück herunterholen, damit du satt wirst.“ Als der Hund auch das zweite Stück gefressen hatte, fragte der Sperling „Bruder Hund, bist du nun satt?“ „Ja, Fleisch bin ich satt,“ antwortete er, „aber ich habe noch kein Brot gekriegt.“ Sprach der Sperling „das sollst du auch haben, komm nur mit.“ Da führte er ihn an einen Bäckerladen und pickte an ein paar Brötchen, bis sie herunterrollten, und als der Hund noch mehr wollte, führte er ihn zu einem andern und holte ihm noch einmal Brot herab. Wie das verzehrt war, sprach der Sperling „Bruder Hund, bist du nun satt?“ „Ja,“ antwortete er, „nun wollen wir ein bißchen vor die Stadt gehen.“
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