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Reisejournal Stefan Maverick und Denise Rotbuch vom 15. April (Fortsetzung):
Denise und ich hatten den Rückweg zu unserem Hotel angetreten. Als wir durch die Straßen der Stadt marschierten, fiel mir ein weiteres Mal auf, wie viele auf sie selbst gemünzte Werbeslogans an allen möglichen Orten zu sehen waren. »ABSOLUTE MACHT: IN GYNOPOLIS WERDEN TRÄUME WAHR!« verkündete etwa ein Banner, das über einer der Hauptstraßen schwebte. »ABSOLUTE UNTERWERFUNG: IN GYNOPOLIS WERDEN TRÄUME WAHR!« behauptete analog dazu die Werbetafel im Schaufenster einer Buchhandlung, die sich vor allem auf Titel über dominante Frauen und devote Männer spezialisiert zu haben schien.
Ebenfalls überraschend zahlreich vertreten waren Coffee-Shops nach niederländischem Vorbild, also kleine Läden, in denen man problemlos Haschisch kaufen konnte. Ich hielt wenig davon, aber Denise schienen sie durchaus anzusprechen. Als wir an dem vierten vorbeikamen, teilte sie mir mit, sie werde sich dort jetzt eine kleine Tüte besorgen. »Hey, wir sind beruflich hier und haben eine knifflige Aufgabe vor uns«, versuchte ich einzuwenden. »Da wäre es gut, wenn wir einen klaren Kopf behalten.«
»Ach, du hast doch nur Angst, die Kontrolle zu verlieren«, lachte sie. »Außerdem fühle ich mich spätestens seit gestern total überdreht. Vielleicht hilft mir das, ein bisschen runterzukommen.«
Dass Denise mittlerweile ziemlich aufgekratzt war, hatte ich ebenfalls bemerkt. Also sparte ich mir weitere Einwände und ließ sie machen, was sie wollte. Wenige Minuten später setzten wir uns auf eine kleine Mauer am Rande eines Platzes, auf dem ein unbenutzter Pranger stand. Denise zog an einem gewaltigen Joint. Ich versuchte, den Stand unserer Ermittlungen zusammenzufassen, wozu ich nicht weit ausholen musste.
»Eine Sackgasse«, stellte Denise lapidar fest. »Wir hatten eine einzige Adresse als Spur, und die hat sich als totes Ende erwiesen.«
»Glaubst du dem Mädchen, mit dem wir gesprochen haben? Die hat doch total gemauert.«
Sie zuckte die Schultern. »Warum sollte sie uns anlügen? Außerdem hat das die andere ja bestätigt. Thorsten scheint nie da gewesen zu sein. Niemand kennt ihn dort.«
»Aber warum schreibt er uns dann davon?«
»Männerphantasien? So eine typische Urlaubskarte halt: Ihr glaubt gar nicht, was ich hier alles erlebe, mit den scharfen Weibern von Ibiza … und in Wirklichkeit ist total tote Hose.« Sie kicherte albern.
»Aber für so was ist Thorsten nicht gerade der Typ …«
»Weißt du’s? Welche Theorie hast du denn?« Wieder kicherte sie. »Die Villa von dieser Tusse ist die Zentrale eines geheimen Männerhändlerrings? Ich habe die Geschichten auch gelesen, die sich um diese Stadt hier ranken. Moderne Großstadtlegenden, nichts weiter.«
»Ich bin mir da nicht so sicher«, sagte ich. »Irgendwas gefällt mir an der Sache überhaupt nicht.«
Aber ich wusste auch nicht, wo ich weiter ansetzen sollte. Also saßen wir eine Zeitlang nur schweigend da. Denises Joint wurde immer kleiner. Etwas geistesabwesend sahen wir den Passanten zu, die an uns vorbeizogen. Ich fuhr direkt zusammen, als Denise unvermittelt einem jungen Mann, der in der Nähe herumlungerte, etwas zurief.
»Hey, du, was ist denn mit dir los?«
Er sah sie nur stumm an, verdattert und etwas schuldbewusst. Ich sah, dass er in ein weißes, rüschiges Herrenhemd und eine dieser eng anliegenden Balletthosen gekleidet war.
»Komm mal her«, forderte sie ihn auf, mit Nachdruck in der Stimme.
Ich war etwas irritiert. Der junge Mann wirkte inzwischen ein wenig verängstigt.
»Komm mal hier her!« Jetzt herrschte sie ihn geradezu an.
»Denise?«
Sie ignorierte mich. Mit knallrotem Kopf trottete der Jüngling jetzt tatsächlich auf sie zu. Als er nur noch wenige Schritte von uns entfernt war, erkannte ich die Ausbuchtung seiner Hose. Denise deutete unverhohlen darauf. »Was ist das denn, hm?«
»Ich …«
»Du glotzt mich doch schon die ganze Zeit an, oder? Glaubst du, das hätte ich nicht bemerkt? Und du machst dir offenbar schöne Gedanken dabei.« Sie schien ernsthaft verärgert zu sein.
»Denise, bitte, wir …«
Sie wehrte mich mit einer unwilligen Handbewegung ab. »Du weißt schon, wo du bist, oder? Das hier ist nicht irgendwo auf dem Festland, wo du wildfremde Frauen anglotzen und dir dann einen runterholen kannst. Ist dir eigentlich klar, wie beleidigend das ist? Hier gibt es Gesetze gegen so was.«
»Ich … ich wollte Sie nicht wütend machen … b-bestimmt nicht …«
»Passt deine Herrin nicht genügend auf dich auf, oder was? Ich hätte gute Lust, eine der Gardistinnen herbeizuwinken.« Sie deutete auf ein Dreiergrüppchen uniformierter Frauen, das in einiger Entfernung beisammen stand.
»Hören Sie, das ist wirklich nicht nötig. Ich bin sofort verschwunden und werde es auch nie wieder tun.«
»Komm ja nicht auf die Idee, dich abzusetzen … Sklave 4817.« Sie deutete auf ein Namens- bzw. Zahlenschildchen, das sich auf der Brusttasche seines Hemdes befand. »Ich merke mir deine Nummer, und dann bist du sofort identifiziert. Du bekommst echte Schwierigkeiten.«
Seine Stimme klang immer weinerlicher. »Was wollen Sie denn von mir?«
»Tja, du bist offenbar geil auf mich, und ich denke, diese Geilheit sollte befriedigt werden. Ich möchte, dass du dir deine Hose runterziehst und onanierst. Hier. Vor mir.«
»DENISE!« fuhr ich auf.
Sie ignorierte mich, als ob ich nicht da wäre. Die ganze Zeit über fixierte sie diesen Typen mit ihrem Blick. »Was ist?« fragte sie mit eisiger Stimme. »Das war doch eine direkte Aufforderung. Worauf wartest du?«
So hatte ich sie noch nie erlebt. Der junge Mann war offenbar ebenfalls überfordert. Ein paar Sekunden lang schien er noch einen inneren Kampf auszufechten, wand sich geradezu hin und her, dann packte er endlich den Saum seiner Hose und zerrte sie hinunter. Ein erigierter Penis sprang heraus. Ich sah in eine andere Richtung und stützte den Kopf halb in die Hand. Am liebsten wäre ich in diesem Moment vom Erdboden verschwunden. Ich konnte mir nur erklären, dass Denise der Joint nicht besonders gut bekommen war. Vielleicht mischten sie hier noch ein paar andere Dinge mit hinein als auf dem Kontinent.
Der Typ schubberte sich einen. Ich sah ihm nicht direkt dabei zu, aber ich hörte es. Andere Passanten blieben stehen. Bei weitem nicht so viele wie wenn dasselbe in Stuttgart oder Berlin passiert wäre, dazu war man hier zu viel gewohnt. Aber doch einige. Stimmen tuschelten oder versetzten bissige Bemerkungen. Endlich hörte ich Sperma auf das Pflaster klatschen.
»Da ist was auf meinem Schuh gelandet«, hörte ich Denise sagen. »Knie dich hin und leck es ab.«
Ich war so geschockt, dass ich wieder hinsah. Der junge Mann richtete seinen Blick erst flehentlich auf Denise, dann auf mich. Ich war wie versteinert und blickte hilflos zurück. Was sollte ich auch tun? Erst jetzt, wo ich dieses Erlebnis in mein Diktiergerät spreche, kommt es mir in den Sinn, dass er mich anhand meines Benehmens möglicherweise für Denises Sklaven gehalten haben könnte. Jedenfalls ergab sich der Arme nach einigen Sekunden in sein Schicksal, kniete auf dem Trottoir nieder und leckte Denise das Sperma vom Schuh.
Nachdem er sich so weit vor ihr erniedrigt hatte, erlaubte sie ihm endlich, sich die Hose wieder hochzuziehen und zu verschwinden. Auch der kleine Menschenauflauf löste sich auf. Ich brauchte noch ein paar Minuten, bis ich meine Kollegin wieder ansehen konnte.
»Wozu war das jetzt nötig?« fragte ich sie.
»Wenn du nach Rom kommst, benimm dich wie die Römer«, sagte sie und grinste mich an. »Man muss sich wie die Einheimischen verhalten, wenn man ein Gefühl für einen Ort bekommen möchte. Außerdem … ich wollte einfach zu gern wissen, ob es funktionieren würde. Ich meine: auch bei mir.«
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