Und so kehrten eine heftig widerstrebende Judita zurück und ein plötzlich zu sich gekommener Juozas, der auf einmal dorthin wollte, wo es ihm gut gegangen war, und der auf Juditas kassandrische Prophezeiungen pfiff. »Sie werden uns nichts tun«, erklärte er der widerstrebenden Judita und begann plötzlich den Bratoks zu vertrauen. »Weshalb auch sollten sie... Wir haben doch nichts verbrochen, haben seinerzeit, erinnerst du dich, sogar ihre Aktivistenlisten verbrannt, damit sie den Ariern nicht in die Hände fielen, und so vielleicht mehr als einen gerettet. Wo doch die Arier Aktivisten vernichtet haben.« Plötzlich war er zum Patrioten geworden, obwohl er patriotische Reden hasste. »Was wird von unserem Land bleiben, wenn alle davonschwimmen, davonfahren, mit den Ariern weggehen? Die Bratoks werden anrücken und danach wird es sein, als wäre nichts gewesen. Ade Vaterland! Wer wird die Kinder unterrichten, wenn von uns keiner mehr da sein wird? Nein, nein, öffnen wir die Fensterläden und leben wir.« Juozas gebärdete sich wie ein krivisch-vaidilutischer Propagandist, und das zu einer Zeit, als die richtigen Propagandisten schon abgehauen, Fersengeld gegeben, sich aus dem Staub gemacht hatten oder sich eben gerade mit den Ariern zurückzogen. Er war mit Judita zurückgekehrt, mit dem von den Fischen verschont gebliebenen Bengel in ihrem Bauch, der sich darauf vorbereitete, sich von einem Fisch in einen Säugling zu verwandeln, aus einem stummen Strampler in einen plärrenden und schreienden Strampler. Juozas stemmte sich geradezu gegen den allgemeinen Strom, als sehne er sich nach den Bratoks, als wäre er ihr Parteimann, als erwartete er von ihnen irgendetwas.
So benahm sich Juozas, sollte das noch keiner bemerkt haben, überaus widersprüchlich. Er hasste Propaganda und betrieb selber welche, er mochte die Bratoks nicht, und dennoch zog es ihn dahin, wo sie bald sein würden, statt mit all denen, die sie nicht mochten, zu fliehen. Aus einem, der passiv mit dem Strom schwamm, war er zu einem Schwimmer gegen den Strom geworden, der zurück wollte. Und er verurteilte andere, die Tannenbergland verließen und verrieten, es den Bratoks überließen, die, wenn sich alle so betragen würden, bald das Land als von jeher zu ihnen gehörend bezeichnen würden. (Die Bratoks hatten nämlich so eine Angewohnheit: Wo immer sie einen Fuß hinsetzten, gehörte die Erde seit Jahrhunderten ihnen.) Juozas nannte die Flüchtenden patriotische Maulhelden, und sich selbst hielt er für einen wirklichen Patrioten, obwohl auch er selbst bis zum Meer gerudert war. Aber vielleicht waren sie alle Patrioten, sowohl die, die Tannenbergland verließen, als auch der in sein geliebtes Dorf mit den dutzend Häusern zurückkehrende Juozas und die, die sich gar nicht vom Fleck bewegten, und die widerspenstige Judita, all diejenigen, die beunruhigt waren wegen des erneuten Heranrückens der Bratoks. Patrioten, aber von unterschiedlicher Art: Strategische Patrioten, das waren die, die ihr Land verließen, um in der Fremde zu bezeugen, dass es überhaupt so etwas wie ein Tannenbergland gab; taktische Patrioten wie Juozas, die sich nicht in Kähne, Fuhrwerke, Autos und Züge gesetzt hatten, um dasselbe vor Ort zu bezeugen; mit der Nachkommenschaft eines Volkes befasste Patrioten wie die dickbäuchige Judita, die kassandrisch alles spürte, doch dem auf einmal zum taktischen Patrioten gewandelten Juozas gehorchte, der nicht begriff, was ihn das kosten würde.
Alle waren sie keine vermeintlichen, sondern wahrhaftige und wirkliche Patrioten ihres Landes, die in einer kurzen Zeit sowohl die Herrschaft der Bratoks als auch die der Arier ausprobiert hatten und denen sehr klar war, dass die eigene Herrschaft, selbst wenn sie noch so miserabel war, immer noch besser war als jede fremde. Sie konnten von einer eigenen Regierung nur träumen, hielten sich für die jeweils einzig wahren Patrioten und waren sich gegenseitig nicht grün. O Laune des Schicksals, was tust du mit den Menschen, was machst du aus ihnen, welche Saat säst du unter ihnen aus, und was wird aus ihr erwachsen?
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