»RKO machte mit mir zehn Jahre lang den gleichen Film. Sie waren sich so ähnlich, daß ich in sechs von ihnen denselben Anzug und denselben Burberry-Trenchcoat trug. Sie machten aus mir eine männliche Jane Russell. Ich war ihr Belegschaftsheld; also wollten sie von mir, daß ich in den Filmen ein paar Kleidungsstücke ablege. Ich war dagegen und legte ein bißchen Gewicht zu, so daß ich wie ein bulgarischer Ringer aussah, wenn ich mein Hemd auszog. Ich beschwerte mich, und sie gaben unverhohlen zu, daß sie eine bestimmte Menge Schrott zu verkaufen hätten und ich ihr Mann dafür sei.« Und tatsächlich ragen nur wenige Filme aus der Flut von B-Movies heraus, die der Rede wert sind. Das lag nicht an Mitchum, da Mitchum in jedem Film einfach er selbst war, und ansonsten die Sätze sprach, die im Script standen. Und wenn er sich prügeln mußte, dann prügelte er sich eben. Überhaupt gab es für Mitchum nur zwei »acting styles«: Einen mit Pferd und einen ohne. Er hatte absolut nicht den Ehrgeiz, dem Regisseur Vorschläge zu machen, wie man etwas verbessern könnte.
Nur einmal wurde er für den Oscar vorgeschlagen, aber da er aus seiner Verachtung gegenüber dem Filmgeschäft nie einen Hehl machte und erst gar nicht zur Preisverleihung erschienen war, wurde nichts aus der Prämierung von »The Story Of G.I. Joe«, den Roosevelt angeblich für den größten Kriegsfilm aller Zeiten hielt. Auf die Rolle des Lt. Walker in der Verfilmung von Ernie Pyles »G.I. Joe« waren Gary Cooper und alle möglichen Stars scharf, weil der Bestseller eben keine Heldenschmonzette war, sondern auch die schmutzigen Seiten des Krieges zeigte. Der »emotionale und metaphysische Höhepunkt« des Films bestand, wie in der Village Voice 1973 zu lesen war, darin, daß Mitchum als Leiche auf einem Esel den Berg heruntertransportiert wird und dabei eine »erhabene Ruhe« ausstrahlt und diese »vollkommene Ruhe im Tod Ergebnis seines ausdrucksstarken Stoizismus im Leben ist.« Etwas profaner drückte es Mitchum selber aus: »Ich hatte Glück. Keiner hätte versagt in so einer Rolle. Den Berg auf einen Esel geschnallt runterkommen und die Kamera genau auf meine Fresse gerichtet – das mußte ankommen. Aber das heißt nicht, daß ich irgendwie gespielt hätte.« Warum auch? Katharine Hepburn, mit der Mitchum 1946 in »Undercurrent« zusammen drehte, sagte: »Sie wissen, daß Sie nicht schauspielern können, und wenn Sie nicht so gut aussähen, wären Sie niemals in den Film gekommen.« Dennoch hatte sie einen guten Rat für ihn auf Lager: »Don’t let them fuck you, Mr. Mitchum, darling.«
Mitchum war immer dann am besten, wenn er den desillusionierten Verlierer spielte, der sich in den Fängen des Schicksals verheddert hat und einer femme fatale verfallen ist, wie in »Out Of The Past«, wenn er lässig am Tresen lehnt, während die Hand ein Glas Bourbon festhält, oder wenn er wie in »Thunder Road« als Whiskeyschmuggler ein Spiel spielt, das er nicht gewinnen, aber dennoch nicht aufgeben kann, weil Abenteuer und Gefahr, das freie, ungebundene Leben auf den nächtlichen Straßen locken. Die leichte Amüsiertheit in seinem Gesichtsausdruck und die latente Gewalt, die er ausstrahlte, machten ihn zum perfekten Darsteller in dem Ende der Vierziger immer beliebter werdenden film noir, weil er mit seinen sparsamen Gesten und seinem müden Blick im Schattenspiel zwischen Zynismus und Ambiguität genau den Außenseiter ohne Wurzeln spielen konnte, der immer eines Verbrechens verdächtigt wurde oder der zumindest ein dunkles Geheimnis in seiner Vergangenheit mit sich herumschleppte.
Gerade solche Filme hatten einen großen Einfluß auf die in den fünfziger Jahren heranwachsende Jugend, wie z.B. Hunter S. Thompson, dem nicht nur gefiel, daß Mitchum sich von niemandem herumschubsen ließ, sondern auch die lässige Art und Weise, in der das geschah. Auch wenn man diesen Filmen immer die Patina der Zeit ansehen wird, Mitchum war einer der großen Poser des amerikanischen Films und er erlangte damit eine ungeheure Popularität. Denn er war eben nicht nur einer, der den Rebellen mimte, sondern der auch in der Öffentlichkeit als ein solcher wahrgenommen wurde. Ob er aber wirklich jemand war, der sich nichts gefallen ließ und renitent war, oder der mit seinem plötzlichen Ruhm und dem plötzlichen Rummel um seine Person nicht mehr fertig wurde, wer konnte das schon so genau wissen? Gut kam es in jedem Fall, als er auf die Frage eines Reporters, was er denn den ganzen Tag so tue, lässig antwortete: »Nichts. Ich liege wie immer neben meinem Swimmingpool und tue nichts.« Es ist nicht gerade das, was die brave amerikanische Ehefrau mit den Dauerwellen von ihrem Filmstar hören wollte.
Talk dirty, play poker, get drunk
Statt das gesellschaftliche Leben mit seinen Kollegen in Hollywood zu pflegen, gab er sich lieber die Kante mit den Jungs, die er beim Militär kennengelernt oder in irgendeiner Bar aufgelesen hatte. Über einen Mangel an neuen Freunden mußte er jedenfalls nicht klagen. In diesem eher zweifelhaften Milieu wurde er als erster Hollywood-Star mit qualmenden Joints erwischt zusammen mit der Tänzerin Vicki Evans, der Schauspielerin Lila Leeds und seinem Freund Robin »Danny« Ford. Die Umstände seiner Verhaftung waren eher dubios. Beispielsweise wußten die Zeitungen, daß an diesem Abend ein Hollywood-Star mit Marihuana verhaftet werden würde, noch bevor Mitchum das Haus von Lila Leeds überhaupt betreten hatte, in dem er dann verhaftet wurde.
Es sah zunächst alles so aus, als ob Mitchum ruiniert war. Er selber war davon überzeugt. Auf die Frage des Richters nach seinem Beruf gab er an: »Ehemaliger Schauspieler.« Er mußte sich während des Verhörs sogar ausziehen und wurde einem Psychiater vorgeführt, der ihn so schlaue Dinge fragte wie: Gehen Sie auf Parties? Und was tun Sie dort? Was wohl? »Talk dirty, play poker, get drunk.« Die Presse berichtete ausführlich über den Fall, und Mitchum fütterte sie mit Statements wie diesem: »Es war schon schlimmer. Als ich einmal von einem Zug geworfen wurde, hatte es zehn Grad unter Null. Ich fror, bis ich Zeitungen in meine Sachen steckte, um mich warm zu halten. Dann zündete irgendein Irrer meine Hosen an ... Wenn du mal von der Hüfte ab nackt unter einer Straßenlaterne in Idaho gestanden und nach einer Wäscheleine Ausschau gehalten hast, wo du steif gefrorene Hosen stehlen kannst, um sie am örtlichen Bahnhof aufzutauen – von dem Moment an ist alles, was kommt, besser.« Das kam gut an bei Jungs wie Hunter S. Thompson, die solche abenteuerlichen Geschichten begierig aufsogen.
Mitchum wurde nicht fallen gelassen. Für die Studio-Bosse stand zuviel auf dem Spiel. Insgesamt fünf Millionen steckten in Filmen, für die Mitchum engagiert oder eingeplant war, ein Haufen Geld, der »der Loyalität zu ihrem Star natürlich sehr förderlich« war, wie Michael Althen es sehr schön auf den Punkt bringt. Also heuerte David Selznick mit Jerry Giesler den besten Anwalt an, den er kriegen konnte, und zahlte 1000 Dollar Kaution. Die Strategie der Verteidigung bestand darin, Mitchum als kranken Mann darzustellen, der »in schlechte Gesellschaft geraten ist«, wie Ehefrau Dorothy der Presse mitteilte, als sie medienwirksam zu ihrem Mann zurückkehrte, der gerade jetzt ihrer Hilfe bedürfe. Ein Psychiater diagnostizierte »übersteigerte Liebenswürdigkeit, bei der das Versagen, jedem zu gefallen, einen Boden für Selbstvorwürfe schaffe«.
Und damit lag er gar nicht mal so daneben, denn Mitchum vertraute vielen Leuten, wie z.B. seinem »besten Freund« Paul Behrmann, der ihn mit 8000 Dollar übers Ohr haute. Mitchum hatte einfach Angst, arrogant zu wirken, gerade jetzt, wo er bekannt wurde, und deshalb fiel es ihm schwer, Leute abzuweisen oder zwischen Freunden und Abzockern zu unterscheiden.
Prozeß und Urteil zogen sich hin, aber es stellte sich heraus, daß die Rauschgift-Affäre ihm nicht geschadet, sondern ihn noch populärer gemacht hatte. »Rachel And The Stranger« kam zu dieser Zeit in die Kinos und wurde ein Hit, und wenn Mitchum auf der Leinwand erschien, ließen sich die Besucher von Begeisterungsstürmen hinreißen. Mitchum hätte auch wegen einer Moralklausel aus seinen Verträgen fliegen können, aber der Filmgesellschaft entging der Popularitätsschub nicht, weshalb Mitchum noch vor seiner Verurteilung die Hauptrolle in Don Siegels »The Big Steal« bekam. Auch sein Aufenthalt im Knast – immerhin mußte er 60 Tage absitzen von dem Jahr, zu dem er verknackt wurde – bekam ihm sowohl in der Öffentlichkeit als auch persönlich. »Ich litt unter chronischer Schlaflosigkeit wie die meisten Leute im Hollywood-Karussell, bevor ich hierher kam. Jetzt schlafe ich wie ein Baby.«
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