Das Ei will klüger sein als die Henne!
Hausgemachte Probleme
MacDonald brachte Alberto nach Fountainbridge und beschloss, den Rest des Tages ebenfalls zu Hause zu verbringen. Nach dem unergiebigen Treffen hatte er sich eine Stärkung verdient. Alle Alkoholika lagerten im Tresor namens Leibwächter, offiziell zur Wahrung von Unterlagen erworben – im Keller! Seine kleine Flüssigreise nach Aberdeenshire machte ihm einen Heidenspaß. Indian Summer Gin vereinte unter anderem Koriander, Zimt, Orangenschalen und Safran! Drei Stunden später wachte er ob eines eigentümlichen Geräusches im Bett auf. Spatenstiche? Was kümmert es mich?, dachte er und schnarchte weiter. Weil ein Fenster leicht geöffnet war, weckte ihn ein stechender Geruch endgültig auf. Er nahm seine Schlafmaske ab, ging zum Fenster und rieb sich die Augen. Handelte es sich um drei Gläschen Pathia-Soße, die sie einbuddelte, oder ein durch Schläfrigkeit induziertes Trugbild? Er schlüpfte in seine Pantoffeln und zog den Bademantel an. Niemals zuvor gelangte er so schnell in den Garten. Miss Armour trug Blue Jeans, klobige Gummistiefel und natürlich ihren unvermeidlichen Pullover. Ob sie ihn je auszog? Je näher er kam, umso schlimmer wurde der Gestank. Er rührte von dem Erdhaufen, den sie in weiten, ausholenden Bewegungen mit einer Schaufel verteilte. MacDonald zog den Gürtel seines Mantels straffer. Von den Gläschen war nichts mehr zu sehen. »Darf man erfahren, was für ein seltsames Happening Sie in meinem Garten veranstalten?«
Miss Armour war so sehr in ihre Arbeit vertieft, dass sie ihn, obwohl nur wenige Meter entfernt, nicht bemerkte.
»Hallo! Hallo! Wäre es möglich, mit der Ökotrophologin Armour zu sprechen? Es geht um Fragen der Gesundheit.«
Seine Mitbewohnerin rammte die Schaufel in den Boden. »Ja, bitte?«
»Vergraben Sie Pathia-Soße?«
»Auf keinen Fall!«
»Schön, aber wer trug Ihnen auf, meine Grünfläche zu kontaminieren?«
»Thommie hat mir gesagt, dass Sie dem Projekt Ihren Segen erteilten.«
»Gut, nehmen wir einmal an, es sei so gewesen, mit welcher Intention?«
»Sie stellen komische Fragen! Um Gemüse anzubauen natürlich. Kein Mensch dieses Planeten wird erleben, dass ich mit künstlichem Dünger hantiere. Gesunde Ernährung beginnt auf der eigenen Scholle!«
»Sagt wer?«
»Angus Thinnson MacDonald schrieb es.«
Hatte sie in seinen Unterlagen gestöbert, den Computer durchforstet? »Wann habe ich denn die Erlaubnis erteilt?«
»Vorgestern«, antwortete Miss Armour und stützte sich auf der Schaufel ab.
»Schön, machen Sie weiter. Vielleicht könnten Sie sich aber etwas beeilen? Der Gestank ist beträchtlich.«
»Gut Dung will Weile haben.«
»Sagte ich das auch?«
»Weiß ich nicht!«, antwortete sie und warf die Schaufel wieder in die Luft. »Karen wird nichts gegen meine natürliche Kompostierung haben, oder?«
Meine Güte!, dachte MacDonald. Schon einige Zeit hegte er den Verdacht, dass sie Frau Doktor gegen ihn aufhetzte. Von Thomasinas dauernder Präsenz in seinem Haus wusste Karen nichts. Alberto hatte deshalb, als er ihn danach fragte, in ein Hornissennest gestochen. Ihm wiederum hatte niemand erläutert, womit die junge Dame ihren Lebensunterhalt bestritt, und jetzt noch zu fragen, wäre unpassend gewesen. Im Arbeitszimmer rief er William an, um zu eruieren, welchen neuen Titel Panicker sich erhoffte. Als MSP, Mitglied des schottischen Parlaments, hatte sein Bruder gute Kontakte und würde sich gerne für ihn erkundigen.
Alberto wälzte wieder das Branchenbuch. Die Firma Robertson, Klempner Peters letzter Arbeitgeber, befand sich wie die Villa Buongiorno in Fountainbridge und so ging er zu Fuß. Sympathisch war der Laden: Regale aus dunklem Holz, ein spiegelblank gewienerter PVC-Boden und ordentlich gereihte Waren. Mister Robertson, ein dickbäuchiger, blasser Schotte Ende vierzig, stand hinter dem langen Tresen und bediente einen Kunden, nach Albertos Einschätzung allzu geflissentlich. Der hat immer noch ein schlechtes Gewissen, dachte er, gut, dann wird er keine Schwierigkeiten machen. Robertson war anderer Meinung. »Sie wünschen!«, blaffte er ihn an, nachdem der Kunde gegangen war und klappte ein Brett im Tresen, das Alberto erst jetzt bemerkte, kraftvoll nach oben.
Der ließ sich nicht einschüchtern. »Kennen Sie mich noch?«
»Natürlich, der Mann, der uns aus seinem Haus warf!«
»Sie müssen mir helfen«, erwiderte Alberto.
»Ich muss überhaupt nichts!«
»Okay, Sie können mir helfen. Ich möchte nur eine bescheidene Auskunft.«
»Sehe ich wie ein Informationsbüro aus?«
»Bei Ihnen hat Peter früher gearbeitet. Er ist Mitte dreißig und Ire. Man kann ihn gut an seinem Glatzkopf erkennen.«
»Empfehle Ihnen das Branchenbuch!«
»Grazie! Als ob ich das nicht längst studiert hätte!«
»Auf Wiedersehen.«
»Gut gesagt, denn ich komme auf jeden Fall wieder!«
Robertson hatte nicht die geringste Vorstellung, auf was er sich einließ. Alberto suchte das Geschäft in den folgenden Stunden wieder und wieder auf. Jedes Mal kaufte er etwas: Dichtungsringe, dann einen Wasserhahngriff, wieder Dichtungsringe. Wie beiläufig erkundigte er sich bei den Angestellten nach dem netten, jungen Mann Peter. Kurz vor Feierabend verließen Robertson die Nerven. Als er Alberto auf das Geschäft zusteuern sah, rannte er in den rückwärtigen Hof. »Gebt ihm alles, was er will! Ich muss in einem vergangenen Leben schreckliche Dinge begangen haben, dass man mich derart heimsucht! Das ist ja wie in Indien!«, konnte man ihn rufen hören. So kam Alberto zu Peter Piries Telefonnummer. Wie eine Trophäe trug er den Zettel vor sich her und war zu Hause so nervös, dass er sich vertippte und wildfremden Menschen die einstudierte Rede aufsagte. »Vermutlich kennen Sie mich nicht mehr. Mein Name ist Alberto Vitiello. Ich führe ein Guest House in der Leamington Terrace in Fountainbridge. So, ja, ich verstehe, Sie sind kein Klempner. Entschuldigen Sie bitte vielmals.« Beim vierten Anlauf klappte es tadellos. Pirie war am Apparat und er erinnerte sich auch an Alberto, hatte er ihm doch damals ein saftiges Trinkgeld in die Hand gedrückt. Das Erfreulichste aber war, dass er bereits am nächsten Tag die Arbeit aufnehmen würde. Vitiello konnte es kaum fassen und selbst Maria war überwältigt. Allerdings kannte sie die Konditionen für den Auftrag nicht …
Als MacDonald am nächsten Morgen erwachte und das Schlafzimmerfenster öffnete, hatte sich der Gestank etwas verflüchtigt und im Erdgeschoss wurde gehämmert. Keine Frage, wer es war: Miss Armour rückte einer pestidizierten Flugananas zu Leibe! Er ging ins Badezimmer und duschte. Seitdem die Damen bei ihm wohnten, empfand er es als unschicklich, sein Frühstück im Bademantel einzunehmen. Er kleidete sich an und sah wieder in den Garten. Sir Robert, sein fuchsroter Kater, ließ sich seltener denn je blicken. Mit Miss Amour stand er auf Kriegsfuß, spürte, dass sie ihn nicht mochte. MacDonald schritt nach unten. Vor der Küche holte er tief Luft. »Guten Morgen.« Seine Nemesis hockte mit einer Kokosnuss auf dem Boden. »Wie ich sehe, sorgen Sie für Abwechslung auf Ihrem Frühstücksteller.«
Armour senior nickte heftig. Einem Menschen mit schwächerer Halsmuskulatur wäre der Kopf weggepurzelt. »Eben schnaubten Sie wie ein Wasserbüffel.«
»Wenn Sie meinen, dass ich … oh, guten Morgen, Miss.« Thommie war ins Zimmer getreten. Ihren Kopf krönte ein Turban und der Rest des Körpers war mit einem T-Shirt bedeckt, das weit oberhalb der Knie endete. Schuhe oder Socken trug sie keine. Angus wusste nicht, wie er diese leichtschürzige Kostümierung ignorieren sollte.
»Hallo, Mister Mac. Haben Sie gut geschlafen?«
Er räusperte sich. »Oh ja, danke. Sie hoffentlich auch? Ist Ihnen nicht kalt?«
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