Und das alles, diese beispiellose Bilderbuchkarriere, sollte nun mit einem Schlag vorüber sein? Ronny konnte es immer noch nicht fassen! Und je länger er auf seinem Sofa lag und sich von den Prügeln erholte, desto mehr entflammte in ihm der Widerstand, sich das nicht einfach so gefallen zu lassen. Den größten Sündenpfuhl Deutschlands einfach so verlassen, noch dazu vom Hof gejagt wie ein räudiger Hund? Niemals! Aber was konnte er nur tun, gegen die Macht des Paten? Ronny glaubte nicht daran, dass ein klärendes Gespräch noch irgend etwas würde bewirken können. So gut hatte er Thum kennen gelernt: Wenn der Alte einmal eine Entscheidung getroffen hatte, dann blieb er dabei.
Also gab es nur noch einen einzigen Weg.
Ronny griff nach seinem Handy, schnickte es auf und wählte die Nummer von der vielleicht einzigen Frau in dieser Stadt, vor der er Respekt hatte. Chantal, die Stripperin.
7
»Lieber Himmel, wer hat dich denn so zugerichtet?« fragte Chantal. Sie war eine große Frau mit hohen Wangenknochen, grün funkelnden Augen und leicht südländischem Einfluss in ihren Gesichtszügen. Den dunklen Teint ihrer Haut bedeckte eine kobaltblaue elegante Robe, die in den prachtvollen Luxusläden der Wilhelmstraße einiges gekostet haben musste.
Ronny schnaubte. »Du solltest erst mal den Verlierer sehen.«
Sie saß ihm in ihrem Boudoir gegenüber, das für sie Arbeitszimmer und Aufenthaltsraum zugleich war. Ein kleiner Schreibtisch mit dem neuesten, geradezu winzigen iMac von Apple darauf, ein Glastisch, mehrere Designerstühle in hellen Farben, eine einladende, gemütlich aussehende Eckcouch. Darauf räkelte sich Chantal gerade und wirkte wie eine Katze, die sich dem Milchtopf näherte. Sie überging Ronnys Antwort mit einem Lächeln. Er konnte ihr nichts vormachen, natürlich nicht. Chantal durchschaute alles, wusste alles, fand alles heraus, was sie wollte.
»Was führt dich zu mir, Ronny? Was können wir füreinander tun?«
Er sah sie an und versuchte, seine Gedanken unter Kontrolle zu bringen, sich auf den eigentlichen Grund seines Besuches zu konzentrieren. Manchmal war seine unersättliche Begierde ein arger Fluch. »Informationen«, sagte er. »Ich brauche Informationen.«
Ihr Lächeln wurde etwas maliziöser. »Natürlich. Wie immer. Was alle wollen.«
»Du bist darin ja auch sehr gut.«
»Danke.«
»Auch was Thum angeht?«
Sie pfiff kurz durch die Zähne, was sie auf bizarre Weise noch erotischer machte. Ronny hätte sich auf sie draufstürzen können. »Du steckst ganz schön in Schwierigkeiten, was?«
Ronny tat ahnungslos. »Wie kommst du auf die Idee?«
Ein gurrendes Lachen. »Du brauchst einen Termin mit mir von jetzt auf gleich. Offenbar hast du gerade übelst Fänge bezogen. Du weißt, zu welchen Bedingungen ich meine Dienste anbiete: Für das, was ich weiß, will ich nicht nur einen angemessenen Geldbetrag sehen, sondern auch Informationen im Gegenzug. Einen Teil davon als Anzahlung jetzt gleich, einen Teil später, wenn du mit meiner Hilfe deinen Weg gemacht hast. Im Prinzip will ich also drei Dinge für eines, und du bist bereit, dich darauf einzulassen. Und du erkundigst dich ausgerechnet nach Thum.« Sie beugte sich vor, wobei ihre Robe ein wenig auseinander klaffte. »Natürlich steckst du in der Scheiße, Ronny. Hat der alte Herr endlich gecheckt, dass du sein Töchterchen flachlegst? Sie ein bisschen an der Leine führst?«
Ronny sog tief die Luft ein. »Dir entgeht aber auch wirklich nichts , was in dieser Stadt passiert, oder?«
Chantal schmunzelte. »Natürlich nicht. Genau deshalb kann ich es mir ja leisten, solche Bedingungen zu stellen.«
»Auch was Thum betrifft?«
»Was willst du wissen?«
»Wie er sich absichert. Die Security-Vorkehrungen seiner Villa, wie er sich vor Attentaten schützt, wenn er in Wiesbaden unterwegs ist, all so was.«
»Kein Problem. Du kannst mich alles fragen, solange du durchhältst. Und du wirst mit meinen Antworten zufrieden sein.«
Eine Gänsehaut prickelte über Ronnys Rücken. »Du spielst also immer noch das alte Spiel?«
Chantal strahlte ihn an. »Natürlich. Die letzte meiner Bedingungen. Ich will ja auch meinen Spaß an der Sache.«
Ronny atmete tief durch. Er wusste, dass er ohnehin keine Wahl hatte. Und die Prozedur, die Chantal in solchen Fällen abzog, war ihm bekannt. Er hatte sich in dem Moment darauf eingelassen, in dem er telefonisch mit ihr in Kontakt getreten war.
»Okay«, sagte er also. »Die Mappe mit den Infos, mit denen ich in Vorleistung trete, hast du dir ja eben schon kurz angesehen. Ich hoffe, sie sind zu deiner Zufriedenheit? Auch das Finanzielle wird kein Problem darstellen.«
Sie nickte. »Wunderbar. Dann nehme ich an, es soll gleich losgehen? Du hast es ein bisschen eilig, nicht wahr?« In ihrer Stimme schwang noch immer dieser leicht spöttische Unterton mit, der Ronny so in Wallung brachte. Er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, blieb nach außen kühl: »Ich bin bereit, wenn du es bist.«
»Brav.« Sie erhob sich, trat ganz dicht an ihn heran. Für einen Moment konnte Ronny die Luft zwischen ihren beiden Körpern tatsächlich knistern spüren. Dann war sie hinter ihm, führte seine Handgelenke aneinander und fesselte sie mit einem beiläufig hervorgezogenen Paar Handschellen hinter seinem Rücken zusammen. Danach schritt sie wieder um ihn herum und öffnete seine Hose. Sein zum Platzen praller Schwanz schnellte ihr geradezu entgegen. Ihr Lächeln wurde breiter, und sie sah Ronny, ihr Gesicht nur wenige Zentimeter von seinem entfernt, tief in die Augen.
Ronny sammelte für die nächsten Minuten sämtliche Kraft in sich, deren er noch habhaft werden konnte.
8
»Okay«, sagte sie. Chantals schlanke Finger glitten über Ronnys Brust. »Dann schieß mal los. Ich meine: Stell deine erste Frage.«
Ronnys Stimme klang heiser. »Wo hält sich Thum auf, wenn er nicht in seinem Büro in der City ist?«
»Das ist einfach«, sagte Chantal und lächelte. Jetzt glitten ihre Finger an Ronnys Seiten herunter, elektrisierten ihn. »Entweder er ist unterwegs oder in seiner Villa am Birnbaum.«
»Irgendwelche Ausweichquartiere?«
Sie bewegte sich um ihn herum, geradezu schwebend in ihren grazilen, anmutigen Bewegungen, ließ dabei den Kontakt ihrer Fingerspitzen mit seinem Körper nie abreißen. »Keine«, hauchte sie ihm ins Ohr.
»Okay. Also die Villa.« Schweiß war auf Ronnys Stirn getreten. »Wie kommt man da rein?«
Chantal löste sich jetzt von ihm, trat wieder vor ihn. Ihre Hände bewegten sich nun über ihren eigenen Körper, glitten ihre blaue Robe herab. »Nur wenn Thum es dir erlaubt«. Ihre Stimme klang tief und melodiös.
»Was wenn nicht?« fragte Ronny zurück. »Wie ist die Villa gesichert?«
»Eine vier Meter hohe Mauer«, schnurrte sie geradezu. Sie trat so dicht vor ihn, dass er sie gerade nicht mit der Stirn berühren konnte, wenn er den Kopf nach vorne sinken ließ, und machte sich daran, sein Hemd aufzuknöpfen. »Wachhunde. Die modernste Alarmanlage.«
»Ist die Mauer speziell gesichert?«
»Ja.« Ein weiterer Knopf.
»Wie?«
Noch einer. »Stacheldraht auf der Krone. Verborgene Berührungssensoren. Sich unaufhörlich bewegende winzige Kameras, die jeden Zentimeter abdecken.« Sie riss das Hemd jetzt ganz auf und legte damit Ronnys bloßen Oberkörper frei. Dann schwebte sie wieder zurück.
»Was ist mit den Hunden?« Ronny hatte hörbar begonnen, schwerer zu atmen.
»Acht Dobermänner. Extrem angriffslustig gegenüber jedem, den sie nicht kennen.« Chantal hakte ihre Finger in den Gürtel ihrer Robe. »Nehmen kein Fleisch von Fremden. Und sie bellen nicht.«
»Was?«
Ganz gemächlich löste Chantal ihren Gürtel. »Die Hunde sollen nicht Alarm schlagen. Dafür hat Thum seine Anlage. Sie sollen bei jedem Eindringling sein und ihre Fänge in ihn schlagen, bevor er es merkt. Deshalb hat Thum ihnen die Stimmbänder entfernen lassen. Und sie darauf abgerichtet, direkt nach der Kehle zu schnappen.«
Читать дальше