Es ging ihr jedoch gut genug, um das 6-MP abzusetzen, doch dann setzten Rückenschmerzen ein. Sie waren so schlimm, dass Sharon nicht mehr laufen konnte. „Die Rückenschmerzen überlagerten meine Verdauungsprobleme“, sagt Sharon. Nach einem Termin beim Rheumatologen erfuhr Sharon, dass sie HLA-B27-positiv war. Das Röntgenbild zeigte eine Entzündung ihrer Sakroiliakalgelenke, und fast ihre gesamte Wirbelsäule war von Arthritis befallen. Aufgrund dieses Symptomkomplexes und der Testergebnisse wurde bei ihr eine ankylosierende Spondyloarthritis diagnostiziert. Hinzu kamen steife Hände mit entzündeten Sehnen, doch am schlimmsten waren die Rückenschmerzen.
Drei Jahre lang probierte Sharon es mit unterschiedlichen Arzneimitteln, darunter Steroide und zwei Biologika, welche das Immunsystem unterdrückten: Adalimumab gegen die Rückenschmerzen und Infliximab gegen Morbus Crohn. Da sie daraufhin Hefepilzinfektionen entwickelte – was bei einer Ausbremsung des Immunsystems gut möglich ist –, brach sie diese Therapie ab. Irgendwann nahm sie gar keine Medikamente mehr, doch da kehrte der Morbus Crohn so vehement zurück, dass sie ins Krankenhaus musste und wieder mit Antibiotika behandelt wurde.
Kurz nach ihrem Klinikaufenthalt stellte Sharon fest, dass sie erneut schwanger war. Sie freute sich sehr auf das zweite Kind, doch für ihren Körper war diese ungeplante Schwangerschaft eine große Belastung. Schließlich war sie so matt und müde, dass sie Infusionen benötigte, um die neun Monate zu überstehen. Ihre Medikamente nahm sie nicht mehr, hatte jedoch schlimme Rückenschmerzen und große Angst. Der Morbus Crohn gelangte nie mehr in Remission, sondern köchelte vor sich hin und bescherte ihr Monat für Monat anfallsweise wässrige Durchfälle. Nachdem Sharons Kind geboren war, erhielt sie gegen den Morbus Crohn den entzündungshemmenden Wirkstoff Mesalazin. Daraufhin beruhigte sich ihr Darm, und seitdem ist sie bei dieser Medikation geblieben.
Zwei Jahre nach der Geburt ihres zweiten Kindes machten die Rückenschmerzen ihr das Leben so schwer, dass es ihr schließlich reichte. Sie probierte ein neues Immunbiologikum, Certolizumab, das alle zwei Wochen gespritzt werden musste. Dieser Therapie unterzog sie sich schon zwei Jahre, als sie mich aufsuchte. Das Certolizumab linderte ihre Beschwerden etwa zehn Tage lang. Danach ließ die Wirkung nach, und Sharon litt die vier verbleibenden Tage bis zur nächsten Spritze unter furchtbaren Schmerzen. Trotz all ihrer Medikamente hatte sie weiterhin mit lähmenden Rückenschmerzen zu kämpfen, und auch die Achillessehnen machten Beschwerden. Zu diesen erheblichen Einschränkungen gesellten sich Angst und Stress, sodass sie kaum den Tag überstand und sich abends nicht mehr um ihre Kinder kümmern konnte, die damals erst vier und sechs Jahre alt waren. Um nachts schlafen zu können, nahm sie das angstlösende Mittel Lorazepam sowie Hydrocodon, ein Schmerzmittel aus der Gruppe der Opioide. Zusätzlich erhielt sie Duloxetin, ein Antidepressivum, das auch gegen Schmerzen hilft, und Pregabalin gegen die Nervenschmerzen im Bein, die von einem Bandscheibenvorfall herrührten.
Die Aussage, dass es Sharon bei unserem ersten Gespräch nicht gut ging, ist weit untertrieben. Ich erzähle hier von Sharon, um zu betonen, dass ankylosierende Spondyloarthritis Patienten massiv beeinträchtigen kann. Bei manchen Menschen ist mein erstes Ziel in der funktionellen Medizin die Schmerzlinderung, damit sie ihr Leben wieder leichter bewältigen können. Zudem ist Sharon ein Beispiel für den klassischen Zusammenhang zwischen chronisch entzündlicher Darmerkrankung und Spondyloarthritis. Dass zwischen diesen beiden Gesundheitsproblemen eine Verbindung besteht, ist seit Langem bekannt und unterstreicht alles, was ich in diesem Buch weitergebe: Es gibt Zusammenhänge zwischen dem Darm und körperweiten Entzündungen.
Auf Sharon und ihre Behandlung gehe ich in Kapitel 6, „Den Darm heilen“, näher ein. Wie alle meine Patienten mit entzündlich bedingter Arthritis befolgte sie meine Arthritiskur. Zum Zeitpunkt, während ich dies schreibe, arbeite ich seit einem Jahr mit Sharon zusammen. Obwohl wir noch einen langen Weg vor uns haben, hat sich ihre Lebensqualität erheblich verbessert. Inzwischen kann sie mit ihren Kindern umhertollen, was vorher nicht möglich war. Ihr Stuhlgang hat sich normalisiert, und wenn sie ihr Certolizumab nimmt, reicht die Dosis für die vollen 14 Tage aus. Das sind Trippelschritte, aber es geht sichtlich aufwärts.
Eine ankylosierende Spondyloarthritis beeinträchtigt nicht jeden so massiv wie Sharon. Ein perfektes Beispiel für eine Patientin mit einer nur leicht ausgeprägten Erkrankung ist die 52-jährige Pilates-Lehrerin Tina. Seit zehn Jahren leidet sie unter ankylosierender Spondyloarthritis, hatte die eher leichten Rückenschmerzen jedoch mit Meloxicam im Griff, einem Wirkstoff aus der Gruppe der nicht-steroidalen Entzündungshemmer (NSAID). Wenn sie zum Skifahren ging, erhöhte sie die Dosis leicht, um mit den Schmerzen klarzukommen. Von mir wollte Tina in erster Linie wissen, wie sie ihre Gesundheit über die Ernährung unterstützen könnte. Und sie wollte gern ihr Schmerzmittel absetzen. Inzwischen hat sie die Arthritiskur durchgeführt und schraubt die Medikation allmählich herunter. Ihre Rückenschmerzen sind verschwunden, und sie hat mehr Energie denn je. Ihr ist bewusst, dass ankylosierende Spondyloarthritis letztlich eine chronische Erkrankung sein kann, mit der sie gegebenenfalls leben muss. Aber sie ist fest entschlossen, einer möglichen Verschlimmerung konsequent vorzubeugen. So weit, so gut.
Konventionelle Medikation
Die Therapie sowie die Kriterien für die Beurteilung, ob eine Psoriasisarthritis in Remission ist, ähneln in vielerlei Hinsicht dem Vorgehen bei rheumatoider Arthritis. Da die Laborwerte bei Psoriasisarthritis in der Regel unauffällig sind, gilt das Fehlen von Symptomen als klinische Remission. Dieses Ziel wird auch für Menschen mit ankylosierender Spondyloarthritis zugrunde gelegt. Im Gegensatz zur rheumatoiden Arthritis zielt die Behandlung somit auf minimale Krankheitsaktivität ab.
Sowohl bei PsA als auch bei AS kommen regelmäßig nicht-steroidale Entzündungshemmer (NSAID) und Corticosteroide zum Einsatz. NSAID lassen sich in zwei Kategorien unterteilen: nichtselektive und selektive Wirkstoffe. Zu den nichtselektiven NSAID, die frei verkäuflich sind, zählen Acetylsalicylsäure, Ibuprofen und Naproxen. Eine unerwünschte Nebenwirkung ist hier die Schädigung der Magenschleimhaut. Mögliche Folgen sind eine Magenschleimhautentzündung (Gastritis), die sich wie Sodbrennen anfühlen kann, oder ein Magengeschwür (Ulkus). Zudem werden aus Sicht der funktionellen Medizin die empfindliche Magen-Darm-Schleimhaut gereizt und eine übermäßige Darmdurchlässigkeit verschlimmert. Die selektiven NSAID, die sogenannten COX-2-Inhibitoren, sind hervorragende Schmerzmittel, die Magen und Darm weniger belasten. Beispiele aus dieser Gruppe sind die Wirkstoffe Diclofenac, Celecoxib und Indometacin. Sie erhöhen jedoch das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko. Daher eignen sie sich nur für die vorübergehende Behandlung und nicht für herzkranke Patienten. In der PsA-Behandlung werden gern NSAID-Präparate mit Methotrexat kombiniert. Wie bei der rheumatoiden Arthritis ist Methotrexat auch bei Psoriasisarthritis und ankylosierender Spondyloarthritis ein Grundbaustein der Therapie, obwohl seine Wirksamkeit erst durch wenige Studien untersucht wurde. Die verfügbaren Studien kamen zu dem Ergebnis, dass Methotrexat in Dosen unter 15 Milligramm pro Woche nicht sehr wirkungsvoll ist. Am besten ist die Wirkung in Kombination mit einem biologischen DMARD wie Infliximab. Immunbiologika eröffnen ganz neue Ansätze zur erfolgreichen PsA-Behandlung. In den USA sind zur PsA-Therapie gegenwärtig die folgenden TNF-Inhibitoren zugelassen: Infliximab, Adalimumab, Certolizumab, Etanercept (ein TNF-Blocker) und Golimumab (ein TNF-Blocker, der nur einmal im Monat verabreicht wird). Insgesamt erscheinen die verschiedenen Wirkstoffe vergleichbar. Das heißt, wenn Sie auf den einen nicht gut ansprechen, könnte ein anderer besser helfen. Das habe ich häufig erlebt. Eine Dauertherapie mit diesen Arzneimitteln kann jedoch signifikante unerwünschte Wirkungen mit sich bringen. Deshalb nehme ich mir so viel Zeit für Gespräche, warum man diese Mittel so früh wie möglich wieder ausschleichen und absetzen sollte.
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