Den Bandmitgliedern machte es nichts aus zu fliegen, was einer der Gründe dafür war, dass wir getrennt reisten. Doch selbst, wenn wir in eine Stadt kamen, stiegen sie in einem anderen Hotel ab als wir. Das erschien mir doch ein wenig seltsam, weil zwischen Elvis und seinen Musikern eine echte Freundschaft bestand. Anfangs hielt ich es für eine von Colonel Parkers Ideen, doch sowohl Scotty als auch D.J. beteuerten, sie selbst hätten um getrennte Quartiere gebeten. Erstens hielt ihnen das den Colonel vom Leib. Zweitens bedeutete es aber auch, dass die Bandmitglieder in ihrem Hotel immer die großen Stars waren. Wenn Elvis dabei war, waren sie nur Begleitmusiker. Ich erinnere mich auch, dass Scotty sagte, nach seinem Geschmack werde in Elvis’ Hotel nicht ordentlich genug auf die Pauke gehauen.
»Glaub mir, GK«, sagte er. »Unsere Situation ist eine ganz andere. Wir lassen am besten einfach alles so, wie es ist.«
Im weiteren Verlauf der Tournee flogen die Städte, Züge, Limousinen, Hotels, Konzerte und Partys nur so an uns vorüber. In Fort Wayne trat Elvis in einer Hockey-Arena auf –etwas für uns derart Fremdes, dass uns der Wachdienst erklären musste, wofür die hohen Wände am Spielfeldrand gut seien. In Detroit legte Elvis einen neuen Umgang mit der Presse an den Tag: Entgegen all meinen guten Ratschlägen als Reisebegleiter ließ er sich mit einer hübschen jungen UPI-Reporterin ein (der Name dieser Reporterin, die später eine renommierte Restaurant-Kritikerin wurde, war Gael Greene). In Buffalo im Bundesstaat New York erhielten wir unsere erste Bombendrohung – ein weiterer neuer Begriff für uns –, beendeten das Konzert jedoch, ohne dass irgendetwas in die Luft flog. In Toronto sah ein Mountie Elvis und mich belustigt an, als wir ihn fragten, wer denn die Dame auf dem großen Bild sei, das in den Maple Leaf Gardens hing.
»Das ist die Königin von England, Sir«, entgegnete er.
Naja, wir hatten eben noch nie ein Bild von ihr gesehen.
Ich sollte noch eine weitere Pflicht erwähnen, die mir auf Tournee mit Elvis oblag. Er sagte, ich sei der »beste Redner« der Gruppe – ein Titel, der neben Gene Smith und Arthur Hooton nicht schwer zu verteidigen war. Als bester Redner jedoch musste ich auf Elvis’ Wunsch hin in der Pause ins Publikum gehen, die hübschesten Mädchen ausfindig machen und sie zu einer Party in unserem Hotel einladen.
Das war ein Teil meines Jobs, den ich in vollen Zügen genoss. Abend für Abend war es das gleiche Spiel: Ich ging auf eine Gruppe hübscher Mädchen zu und sagte, »Na, wie geht’s?« Sie sahen mich an, als wäre ich verrückt. »Ich gehöre zu Elvis Presley, und wir wollen nach der Show noch ein bisschen im Hotel feiern. Wenn ihr in der Empfangshalle auf mich wartet, nehme ich euch mit nach oben zur Party.« Sie hielten mich immer noch verrückt. Damals hatten wir noch nicht diese großen laminierten Backstage-Pässe, die man um den Hals trägt. Wir hatten nur ein kleines rotes oder goldenes Band, auf dem »Elvis Presley Show« stand und das man an Hemd oder Jackett befestigte. Ich zeigte den Mädchen mein Band und sagte: »Augenblick noch – schaut mal her. Ich gehöre zu Elvis Presley.«
Die übliche Antwort lautete: »Jeder könnte sich so was besorgen. Hau ab!«
Dann griff ich auf meine Geheimwaffe zurück. Ich zog meine Brieftasche und nahm ein paar Fotos heraus, die Elvis und mich gemeinsam zeigten.
»Na gut, dann seht euch das mal an.«
Dann sagten die hübschen Mädchen: »Mensch, das bist ja du. Mit Elvis!!«
»Genau. Wie ich schon sagte – kommt nach dem Konzert ins Hotel, und ich hole euch dann in der Empfangshalle ab.«
Abend für Abend warteten diese hübschen Mädchen auf mich in der Hotellobby. Ich führte sie hinauf zu Elvis’ Zimmer. Dort stieg dann die Party – jene Art von Party, bei der es meistens ein wenig wilder und ausschweifender zuging. Wir tranken nicht nur Pepsi und sangen gemeinsam Lieder …
Selbst unterwegs dachten wir oft an Mädchen. Ich erinnere mich noch an eine Zugfahrt, bei der unser Schlafwagenabteil neben dem einer sehr attraktiven Frau lag. Die Abteile in diesem Zug waren durch bewegliche Wände voneinander getrennt, so dass zwischen dem Fußboden und der Wand ein guter Zentimeter Platz war. Der gute alte Cousin Gene kam auf eine, wie er dachte, ganz schlaue Idee: Er nahm ein Buttermesser, polierte es, hielt es in einem bestimmten Winkel unter den schmalen Spalt und behauptete, er könne der Frau nun beim An- und Ausziehen zusehen. Also lagen wir schließlich alle auf dem Boden unseres kleinen Schlafabteils. Ehrlich gesagt, konnte ich überhaupt nichts sehen. Aber ich versuchte es, und Elvis ebenfalls.
»Kannst du was sehen, Cuz?«, fragte Gene, als Elvis sein Glück versuchte.
»Ich sehe ein Buttermesser«, sagte Elvis.
Das letzte Konzert der Tour fand in Philadelphia statt. Dort wurde Elvis zu einer Art unfreiwilliger Zielscheibe. Während des Auftritts wollte er gerade »Don’t Be Cruel« anstimmen, als ein Kerl in einem Trenchcoat ein Ei auf die Bühne warf. Das Ei verfehlte Elvis zwar, traf stattdessen aber die Gitarrensaiten von Scotty Moore und erzeugte durch seinen Verstärker einen äußerst komischen Klang. Der Eierwerfer machte kehrt und versuchte davonzulaufen, kam aber nicht besonders weit: Die jungen Mädchen im Publikum schlugen ihn mit Handtaschen und Fäusten und allem, was ihnen gerade in die Finger kam.
Am folgenden Tag erfuhren wir, dass der Eierwerfer ein College-Schüler war, der kurz vor dem Rauswurf durch die Schulleitung stand. Außerdem wollte auch die Polizei Anklage gegen ihn erheben. Beide Stellen fragten Elvis, wie er vorgehen wolle.
»Das ist nur so ein verdammter College-Halbstarker«, sagte er zu uns. »Der Junge wollte der Kerl sein, der ein Ei auf Elvis Presley wirft. Da werde ich keine Anklage erheben.«
Obendrein wies er den Colonel an, mit der College-Leitung zu reden, denn er wollte nicht, dass man den Jungen der Schule verwies. Wieder einmal war ich verblüfft, wie es Elvis fast immer gelang, höflich und fair zu bleiben – ganz egal, was auf ihn zukam, und seien es Eier.
Freilich schlummerte unter der Oberfläche ein leicht reizbarer Charakter. Als wir nach der Tournee wieder zurück in Memphis waren und ein wenig Zeit hatten, bis Elvis wieder nach Hollywood abreiste, bekam er Besuch von Yvonne Lime, einem Starlet, mit dem er sich während der Dreharbeiten zu Loving You getroffen hatte. Elvis wollte sie ein bisschen in Memphis herumführen und einen Abstecher nach Graceland machen, das von den Presleys gerade renoviert wurde. Eines Tages beschloss Elvis, Yvonne zu einem typischen Südstaaten-Freizeitsport mitzunehmen – auf die Schlangenjagd. Auch Arthur Hooton und ich waren mit von der Partie. Wir fuhren zu einem etwa 15 Meilen südlich von Graceland gelegenen See jenseits der Staatsgrenze zu Mississippi. Es war ein wunderschöner Frühlingstag, und wir hatten richtig viel Spaß. Elvis hatte ein Gewehr dabei und übernahm das Jagen allein, so dass Arthur und ich etwas Zeit mit Yvonne verbrachten. Bei unserem Spaziergang durch den dichten Wald, der den See umgab, verloren wir einander immer wieder aus den Augen. Irgendwann tauchte Arthur plötzlich hinter Yvonne auf und umarmte sie spielerisch. Sie erschrak, kreischte kurz auf und brach dann in schallendes Gelächter aus. Arthur hatte jedoch nicht gesehen, dass sich Elvis ihnen von hinten genähert hatte.
Auf einmal hatte Elvis seine Waffe an Arthurs Kopf und sagte: »Wenn du das noch einmal machst, blase ich dir deine verdammte Birne weg!«
Ich hatte ihn noch nie so reden hören, nicht mit jemandem, den er gut kannte. Arthur war ein gutherziger Kerl und hatte sich bei der kleinen Umarmung nichts gedacht. Auf gar keinen Fall wollte er Elvis’ Mädchen ernsthaft den Hof machen.
»Elvis …«, begann ich und versuchte, die Lage zu entschärfen.
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