1 ...7 8 9 11 12 13 ...17 Ich wurde zu einem Stammhörer der Radiosendung von Scott Muni, The English Power Hour, eine der ersten Shows im FM-Radio, die sich auf die neuesten Sounds aus Großbritannien konzentrierte. Im Frühling 1967 dominierte Jimi Hendrix, der nach England gezogen war, die britische Szene und die dortige Hitparade. Seine Musik fand durch solche Sendungen auch immer mehr Anklang in den USA. Als sein erstes Album herauskam, traf es mich wie eine Atombombe.
Ich liebte es, The Jimi Hendrix Experience auf den Plattenteller zu legen und mich mit dem Kopf genau zwischen beide Lautsprecher ganz flach auf den Boden zu legen. Obwohl ich auf der rechten Seite taub war, konnte ich die Schwingungen der Musik mittels Knochenleitung wahrnehmen. Ich malte mein Zimmer nun auch violett an und befestigte eine Lichterkette, die zu einer Weihnachtsbeleuchtung gehörte, an der Zimmerdecke. Ich spielte auf meiner Gitarre und beobachte mich im Spiegel dabei, wie ich im Licht der Lämpchen Pete Townshend von The Who und seine Windmühlen-Schläge imitierte.
Jedoch kam der womöglich größte Einfluss, den Hendrix auf mich ausübte, von seiner Frisur. Seine Haare standen ihm zu Berge, und auch Eric Clapton und Jimmy Page machten es ihm bald nach. Ehe man sich’s versah, war das der angesagte Look, was bedeutete, dass Perma-Strate von nun an der Vergangenheit angehörte. Als ich nun meine explodierende Haarpracht der Welt präsentieren wollte, schlug meine Mutter die Hände über dem Kopf zusammen: „Du wirst doch wohl nicht so vor die Tür gehen, oder?“
„Doch, sieht ganz so aus. Bis später.“
Es war an der Zeit, ganz unverblümt den Freak raushängen zu lassen.
Als das Ende der Junior-High näher rückte, bewarb ich mich bei der Highschool of Music & Art, einer privaten Schule, die einen alternativen Lehrplan verfolgte und sich an der Ecke West 135th Street und Convent Avenue in Manhattan befand. Ich war einer der besten Zeichner in meiner Junior-High. Zeichnen lag mir einfach im Blut. Doch ebenso wichtig war es mir, durch diese spezialisierte Schule in ein angenehmeres Milieu zu wechseln. Zuerst war ich noch wegen etwas angestarrt worden, für das ich nichts konnte – mein Ohr – und im Anschluss für etwas, das ich mir selbst zurechtgelegt hatte – meine Klamotten und meine Haare. Die meisten Schulen hatten damals noch Bekleidungsvorschriften, aber an der Music & Art war es egal, was man trug, solange man überhaupt zum Unterricht erschien.
So, wie ich es sah, würde ich nicht länger der Freak der Schule sein, sondern in eine Schule voller Freaks wechseln.
Mit 15 im Central Park … glückselig dank kleiner Hilfsmittel. maury englander

Obwohl das Zeichnen meine Eintrittskarte für die Musik- und Kunstschule war, dachte ich nicht ernsthaft an eine Karriere im Bereich der bildenden Künste. Es sollte sich herausstellen, dass das auch kein Fehler war, denn es war ernüchternd, im Herbst 1967 in der Schule aufzukreuzen und dort auf viele Leute zu treffen, die nicht nur ebenso gut waren wie ich, sondern ganz offensichtlich sogar deutlich besser.
Ich hatte mich vor allem deshalb mit Kunst beschäftigt, weil es noch keine Schule für angehende Rockstars gab – Kunst war also mein Plan B. Aber nun nicht mehr. Ich wusste mittlerweile, dass es die Musik oder gar nichts sein würde. Und doch blieben meine musikalischen Ambitionen jeden Tag, wenn ich mich auf den Weg in die Schule machte, zurück in meinem violetten Schlafzimmer. Auch wenn ich nie einem meiner Mitschüler etwas über meine eigentlichen Bestrebungen verriet oder versuchte, in den musikalischen Zweig zu wechseln, war mir bewusst, dass Schüler, die die Music & Arts besuchten, zu enormem musikalischen Einfluss gelangen konnten. Und das bezog sich nicht nur auf den Broadway und die Orchestermusik. Eine Band namens Left Banke, die einen großen Hit mit „Walk Away Renee“ hatten, waren frische Absolventen. Ebenso die brillante Singer-Songwriterin Laura Nyro. Janis Ian, die gerade einen Hit mit „Society’s Child“ gehabt hatte, war immer noch Schülerin, als ich auftauchte.
Eines Tages kam Matt Raels älterer Bruder Jon vorbei, um mich zu besuchen. Er hatte bereits in einigen Bands gespielt und wir blickten alle zu ihm auf. Seine erste Band war von der Surf-Musik der Ventures beeinflusst gewesen, doch mittlerweile war er Bandleader in einer Gruppe namens Post War Baby Boom, die sich mehr nach der Art von Folk, Blues und Jug anhörte, wie sie aus San Francisco kam. Sie hatten eine Sängerin, die manchmal die erste Stimme übernahm, ein bisschen wie bei Grace Slicks erster Band The Great Society. Außerdem gaben Post War Baby Boom sogar Konzerte.
Absolut aus dem Nichts heraus fragte mich Jon, ob ich mich der Band anschließen wollte. Sie suchten einen Rhythmusgitarristen. Mein Verstand begann zu rasen: Warum hatten sie nicht Matt gefragt, der zu diesem Zeitpunkt ein besserer Gitarrist als ich war? Etwa, weil ich bereits in der Highschool war, während Matt noch ein Jahr in der Junior-High zu absolvieren hatte? Würde Matt am Ende angepisst sein?
Wahnsinn, eine echte Band! Das ist riesig!
Ich zögerte keine weitere Sekunde und sagte zu. Ich erinnere mich, dass wir im selben Keller probten, in dem Matt und ich bereits miteinander gejammt hatten. Wir arbeiteten sogleich an einer beschwingten Version von Gershwins „Summertime“. Ich arrangierte auch eine Version von „Born in Chicago“ von der Paul Butterfield Blues Band und sang dabei sogar die Leadstimme.
Alle anderen in der Band waren zumindest zwei Jahre älter als ich, was in diesem Alter eine Menge ist. Was mir damals gar nicht in den Sinn kam, war, dass sie alle am Ende des Schuljahres ihren Highschool-Abschluss machen würden. Wir hatten ein paar Auftritte mit „unserer“ neuen Besetzung. Dann schlug ich vor, dass wir uns um einen Plattenvertrag kümmern und ein paar Bandfotos schießen sollten. Ich wusste auch, an wen ich mich wegen der Fotos wenden musste. Im Sommer 1967 hatte ich zwei unglückliche Wochen in einem Ferienlager in den Catskills Mountains verbracht. Zumindest hätte es ein Ferienlager sein sollen, aber es stellte sich als Verarsche heraus. Ein Typ hatte ein paar Eltern davon überzeugt, ihm Geld zu zahlen, damit sie ihre Kinder zu ihm schicken konnten, wo sie zelteten und ihm dabei halfen, eine alte Scheune niederzureißen. Er nannte die Sache ein „Work-Camp“. Es sollte Kindern aus der Stadt die Möglichkeit geben, einmal ehrlicher Landarbeit nachzugehen. Letztlich war es sogar ganz witzig und ich hatte mich mit einem der Betreuer, die ebenso wie die Kinder übertölpelt worden waren, angefreundet. Sein Name war Maury Englander und er arbeitete mittlerweile bei einem berühmten Fotografen in Manhattan.
Maury hatte Zugang zum Studio des Fotografen, wann immer es gerade nicht benutzt wurde. Das war einer der Vorteile seines Jobs. Maury war selbst dabei, Fotograf zu werden, und sollte tatsächlich weniger als ein Jahr später für Magazine wie Newsweek arbeiten. Also rief ich ihn an und wir arrangierten einen Termin an einem Wochenende, damit Maury ein paar Promo-Fotos von uns schießen konnte. Er war auch politisch ziemlich vernetzt, was uns Anfang 1968 ein paar Gigs bei Partys von Anti-Kriegs-Organisationen einbrachte, wo er uns auch fotografieren sollte. Es war ja die Zeit, als die Proteste gegen den Vietnamkrieg gerade Fahrt aufnahmen.
An Auftritte in Clubs kamen wir nur schwer ran, da man dort eigentlich fast ausschließlich Coverbands engagierte, die Hits aus den Top-40 spielten. Wir hingegen spielten hauptsächlich unser eigenes Material. Die paar Covers, die wir im Programm hatten, waren nicht wirklich Songs aus den Charts. Ich verschaffte uns ein Vorspielen in einem Schuppen namens Night Owl, da ich gelesen hatte, dass The Lovin’ Spoonful dort aufgetreten waren – und ihr Gute-Laune-Sound war gar nicht einmal so weit von dem entfernt, was auch Post War Baby Boom zu spielen versuchten. Allerdings schlich sich der Typ, der dort das Sagen hatte, hinaus, während wir noch vorspielten, und so bekamen wir den Gig nicht.
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